Blog 19: Vietnam – „Einmal“ in die Hölle und wieder zurück.


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Vietnam's flag
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February 20th 2013
Published: February 20th 2013
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Vietnam – eine beeindruckende Geschichte. Ein Land, welches sich innerhalb kürzester Zeit von enormem Leid erholt hat und dabei ist, eine wichtige Rolle in Asiens Wirtschaftsnationen zu übernehmen. Es bietet eine unglaubliche Vielfalt zu entdecken und hat den wohl zumindest für mich beeindruckensten geschichtlichen Hintergrund meiner bisherigen Reise.

Aber knüpfen wir nun erst einmal am letzten Blog an. Von unseren kleinen Straßenüberquerungsproblemen in Hanoi und dem kleinen Ausflug in die Ha Long Bay habe ich euch bereits im letzten Blog berichtet. Als wir uns in der Hauptstadt am 11.02. gleich morgens früh bei 12 Grad und Regen auf zum Flughafen machten, wartete nicht nur die alte Haupt- und Kaiserstadt Hue auf uns, sondern auch ENDLICH eine Garantie an warmem Wetter – dies wurde nach nun 5 Monaten, weiß Gott wie vielen Klimazonen, Temperaturunterschieden von minus 15 Grad bis plus 30 Grad auch wirklich Zeit – sonst hätte sich die Wetterfee mal kurz vor mir in Acht nehmen müssen. Das Wetter war jedoch nur der erste Glücksbote an diesem Tag. Dort angekommen wurden wir schließlich von unserm ursprünglich gebuchten Hotel in ein höherklassiges Hotel geschickt, da aufgrund des vietnamesischen Neujahres wohl etwas Personalknappheit herrschte und einige Hotels aufgrund dessen geschlossen hatten. Für diese Unannehmlichkeiten hatte der Manager des Hotels jedoch ein kleines Neujahrsgeschenk für uns bereit: Wir mussten nichts für die Nacht zahlen – herzlichen Glückwunsch!

Nun ja, schließlich mieteten wir uns gleich am Morgen zwei Roller, um möglichst flexibel bei unserer Tagesgestaltung zu bleiben und um die verschiedenen Tempel der alten Kaiser Vietnams anzusehen. Das herrliche ist hier dieses unbürokratische Verhalten. Ausweis? Führerschein? Interessiert keinen Mensch – leg fünf Dollar auf den Tisch und der Roller gehört für einen Tag dir. Unter der strahlenden Sonne Hues ging es durch den dichten Verkehr Vietnams. Hier noch eine kleine Anmerkung: steht man am Straßenrand und verfolgt das Spektakel, wie tausende Roller in alle Richtungen kreuz und quer fahren, hält man es kaum für möglich, dass nicht alle 5 Sekunden ein Unfall passiert. Nimmt man jedoch selbst am Verkehrsleben teil, merkt man erst, wie eigentlich alles in einem Fluss läuft und jeder auf die Reaktionen des anderen achtet.

Wir machten uns schließlich auf den Weg, um ein paar Tempel der alten Kaiser anzusehen. Ich muss aber mittlerweile zugeben, dass das Rollerfahren für mich der interessantere Part war. Natürlich sind die Tempel interessant, wenn man den geschichtlichen Hintergrund bedenkt – aber sonst? Wie heißt es so schön: Kennste eine, kennste alle – und Tempel hab ich in den letzten Monaten definitiv mehr als genug gesehen – vor allem der letzte und größte, der sehr an die Verbotene Stadt in Peking angelehnt war. So gönnten wir uns am Ende des Tages den Spaß, einfach noch ein bisschen mit unseren Maschinen durch Hue zu fahren, mit einem kleinen Ausflug in den „Dschungel“ zu abgelegenen Dörfern und sehr aufgeweckten Vietnamesen, die sich freuten wie Schneekönige, als wir an ihnen vorbei fuhren – was wir jedoch nicht bedachten, war die brennende Sonne, die man leider beim Fahrtwind nicht so stark wahrnahm. Schlussendlich hatten wir einen tierischen Sonnenbrand auf den Unterarmen, sodass uns gleich klar war, dass wir wohl die nächsten Tage wieder langärmlig tragen dürfen – und das bei diesen Temperaturen. Herzliche Freude überall – aber: „Selbstschuld“ würden jetzt die ein oder anderen KS (Klugscheißer) – oder auch auf meiner Lieblingssprache Denglisch CS (Clevershitter) – wieder sagen.

Am nächsten Tag gings schließlich schon mit einem privat angemieteten Auto mit Fahrer über den Wolkenpass nach Hoi An, einem kleinen Touri-Spot um einzukaufen und den Strand zu genießen. Für zwei Nächte buchten wir uns hier ein – und waren schlussendlich auch froh, nicht länger dort geblieben zu sein, da der Ort unserer Meinung nach zwar einen super netten und idyllischen Eindruck machte, aber 2 Nächte definitiv genug waren, um alles notwendige gesehen zu haben. Eine kleine Überraschung kam auf uns zu, als uns Abends unsere zwei Schweizerinnen, die wir in der Ha Long Bay kennen gelernt haben, wieder über den Weg gelaufen sind. Beim spaßigen Dinner stand dann auch gleich fest, dass wir die folgenden Tage in Nha Trang am Strand bei einer Runde Beachvolleyball wieder gemeinsam verbringen werden – schließlich stand ja noch ein Re-Match aus, da das Schweizer-Schwäbische Team dem Schweizer-Schweiz geborenen Team in der Ha Long Bay unterlegen war. Aber mit folgendem Satz sollen auch die weiteren Ergebnisse unserer Beachvolleyballpartien zusammengefasst werden: Wenn man einmal gut ist, wird man es nicht mehr so einfach los.

Vor unserer Ankunft in Nha Trang stand dann auch schon fest, dass dies 3 erholsame Tage am Strand werden, ohne Sightseeing, ohne Stress – was uns im Nachhinein auch perfekt gelungen ist. Gleich zu Anfang wurden wir vom Hoteleigenen Pick Up Service am Flughafen in Empfang genommen und endlich wurde ich mal mit gebührendem Respekt meiner vietnamesischen Freunde empfangen. „DON Philipp“ strahlte mir ein kleiner Vietnamese mit einem Schild in der Hand entgegen – selbstverständlich habe ich dann auch meine Gefolgsleute daraufhin mein Gepäck tragen lassen und verlangte natürlich, dass sie mich nur noch mit DON Philipp ansprechen dürfen – ihrem Gesichtsausdruck zu Folge fanden sie die Idee nicht ganz so klasse wie ich.

Nha Trang, auch bekannt als der „Ballermann“ Vietnams, hielt was es versprach. Zumindest für vietnamesische Verhältnisse. In den nördlichen Regionen werden nämlich die Bordsteine um 23 Uhr hochgeklappt – wer zu spät kommt hat Pech gehabt. Dort hingegen war noch aufgrund des Neujahrsfest eine einwöchige Beachparty angesagt – die wir von unseren drei Nächten auch zweimal mitgenommen haben. Etwas von russischen Urlaubern geprägt, lauschten wir zu überraschend guter Musik und ein paar kleinen Cocktails bis spät in die Nacht bis es mit einer Nachtbadeaktion wieder nach Hause in unser gemietetes Familienappartment ging, in dem Anh ein eigenes Zimmer hatte, Martin und ich uns ein kuschliges Doppelbett teilen durften und in der Mitte ein gemeinschaftliches Wohnzimmer war - und das alles für 10,-€ die Nacht pro Person. Ich liebe Asien für seine Unterkunftspreise.

Am letzten Tag ging es dann noch mit der Deutsch-Schweizerischen Reisegruppe auf einen kleinen Schnorchelausflug zu einem Korallenriff eine halbe Stunde mit dem Boot von Nha Trang entfernt. Schlafend, badend, schnorchelnd, enstpannend, essend, mittlerweile die heiße Sonne verfluchend genossen wir schließlich unseren letzten Tag in Nha Trang, nachdem sich schließlich auch die Routen unserer Reisegruppen trennten.

Saigon. Oder offiziell auch als Ho Chi Minh City bekannt – die Stadt der Geschichte. Das was mich hier am meisten fesselt, ist die so greifbare Historie dieser Gegend. Erst vor etwa 40 Jahren hat man sich hier noch gegenseitig bekriegt und die Amis sind nach ihrer Niederlage von der amerikanischen Botschaft zu „White Christmas“ mit Helikoptern ausgeflogen worden – und wir können nun über dieses Kriegsgebiet laufen, als ob nie was gewesen wäre. Sehr beeindruckend finde ich auch, wie Ausländerfreundlich das vietnamesische Volk ist. Wenn ich mir nur vorstelle, dass man unsere älteren Generationen mit Franzosen oder Amerikanern zusammen an einen Tisch setzt, will ich nicht wissen, wie das endet. Natürlich sind wir keine Amis, aber Westler sind erst einmal Westler. Das erste Mal als verbal gegen die Amis geschossen wurde, war während unseres Ausflugs zu den Cu Chi Tunneln, nordöstlich von Saigon. Dieses überdimensionale Tunnelsystem wurde vom Vietkong angelegt, um sich im Dschungel einen Kriegsvorteil zu verschaffen. Abertausende schmale Vietnamesen lebten tagsüber unter der Erde in kaum vorstellbaren kleinen Gängen und Löchern, um nachts über den Saigon River an neue Waffen zu kommen.

Als wir schließlich die Besichtigungstour starteten und an den ersten „Schlupflöchern“ vorbei kamen, meinte unser Guide, dass die Amis mit ihren fetten Ärschen da nie ihm leben runter gekommen wären (wohl wissend, dass auch Amerikanische Touristen präsent waren) – womit er auch vollkommen recht hatte. Denn diese Löcher waren gerade mal Hüftbreit (sportliche Leute). Mit den Armen nach oben streckend ging es dann in die Hocke ins Loch, um sich vor den Feinden zu verstecken und sie im richtigen Moment anzugreifen. Fast schon bestialisch würde ich die Tretfallen bezeichnen, die der Vietkong überall im Dschungel versteckte. Wie in einem Indiana Jones Film warteten spitze Bambuspfahle zwei Meter unter einem getarnten Dickicht darauf, die Amis aufzuspießen. Der Kreativität keine Grenzen gesetzt, warteten jegliche andere Formen von Tretfallen mit Nägeln versehen, die den Feind in den meisten Fällen nicht umbrachten, aber zumindest forderten, dass das Bein amputiert werden musste oder das Opfer elendig verreckte, weil es sich nicht selbst aus der Falle befreien konnte. Zu guter Letzt krochen wir noch durch ein 100m langes Tunnelsystem. Gute 60cm hoch und 40 cm Breit – da weiß man erst mal, wie lange 100m in Dunkelheit sein können.

Die verzweifelte Antwort der Amerikaner ist denke ich bekannt. Doch selbst mit Napalmbomben und Giftgas konnte sich dieses hochentwickelte Industrieland auf diesem fremden Gebiet gegen dieses „Dschungelvolk“ nicht durchsetzen. Zu was der Mensch in der Lage sein kann ist abartig. Kriege gibt es wohl immer und überall – aber das was die Amis hier mit ihrem Giftgasangriff angerichtet haben ist unvorstellbar. Diese Missbildungen der vietnamesischen Opfer werden über Generationen hinweg noch zu spüren sein.

Wenn man mal nüchtern über die „verhindert die Verbreitung des Kommunismus“ oder „Kampf gegen den Terror“ Kriege der Vereinigten Staaten nachdenkt, sind wir Deutschen im Vergleich richtige Engelchen – ein bedeutender Vorteil der Amis liegt offensichtlich darin, dass sie wohl im Vergleich zu Onkel Adi eine bessere Marketingabteilung haben, wenn es darum geht, ihre sinnlosen Angriffe zu verkaufen. Ein weiterer Punkt, der es für uns sehr interessant machte dieser Geschichte angestrengt zuzuhören war, dass wir beim Thema „Krieg“ ausnahmsweise mal nicht den Schwarzen Peter in der Hand hielten.

So, nun sind auch schon wieder fast drei Wochen in Vietnam vorüber. Abschließend würde ich sagen: Auch (oder gerade) die Generationen unserer Eltern sollten sich ein Trip nach Vietnam gönnen und sich dieses freundliche und meiner Meinung nach für diese Generation fast noch interessantere Land ansehen. Wer Angst vor Kriminalität hat, den kann ich getrost beruhigen. Nach 5 Monaten in diesen kommunistischen Ländern würde ich fast behaupten, dass es gefährlicher ist in Deutschland über die Straßen zu laufen. Den kulturellen Unterschied will und kann ich jetzt nicht mehr wirklich realitätsnah bewerten, da ich mich schon so an diesen Lifestyle gewöhnt habe, dass mir sicherlich schon einiges normal vorkommt, was eigentlich total abartig ist. Aber im Vergleich zu China ist Vietnam sehr auf westlichen Tourismus eingestellt – von dem her muss man sich auch kulinarisch keine Sorgen machen, falls man nicht gerade der experimentierfreudige ist. Landschaftlich bietet dieses Land fast alles, was man sehen kann. Reisterrassen im Norden, beeindruckende Felsformationen in der Ha Long Bay, Kultur in Zentralvietnam und Strände im Süden – und das alles mit noch einer so greifbaren Geschichte.

Der letzte Monat ist nun auch auf meinem kleinen Asien Abenteuer angebrochen. Seit September versuche ich dieses verrückte Asien zu verstehen – chancenlos. Trotzdem geht es nun für mich in den „Endspurt“ meiner Reise. Martin und Anh werden mich am Donnerstag wieder verlassen und wieder zurück in die Heimat fliegen. Die gemeinsame Zeit mit den beiden war unglaublich interessant, lustig und wichtig für mich, nach vielen Wochen mal wieder jemanden vertrauten an meiner Seite zu haben.

Ich werde mich nun morgen auf einen 2 Tagestrip von Saigon aus auf dem Mekong River über die Kambodschanische Grenze auf den Weg nach Phnom Penh machen, wo mich mein Freund und Mitbewohner Simon aus Stuttgart am Freitag erwarten wird. Der grobe Plan für unseren letzten Monat sieht in etwa so aus: Ein paar Tage Phnom Penh, um auf den Killing Fields mit Maschinengewehren zu schießen, anschließend relaxen auf den Kambodschanischen Inseln bis es dann in den Norden zu den Tempeln von Angkor geht. Nach ca.2 Wochen werden wir uns von dort aus mit dem Bus nach Thailand begeben, wo wir Simons Geburtstag feiern, Elefanten reiten und Tiger streicheln werden.

Herzliche Freude nach Hause

Euer Philipp

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