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Published: November 10th 2011
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Um 06.00 Uhr klingelt der Wecker. Raus aus den Federn, kurze (warme) Dusche, Arbeitskleidung montieren, kurzes Fruehstueck und ich bin bereit fuer den bevorstehenden Arbeitstag. Nach einem kurzen Spaziergang zur Hauptstrasse, folgen die obligaten Preisverhandlungen mit den Taxi-Fahrern. Wird man sich einig, heisst es Einsteigen in den unsaeglich winzigen Suzuki Maruti. Atemschutzmaske montieren und los gehts durch den morgendlichen Abgas-Moloch. Nach rund 30 Minuten Fahrt komme ich in Budhilnakanta im Norden Kathamndus an, 5 Minuten Fussmarsch durch das Viertel, ein allmorgendliches "Namaste" an die Verkaeuferin des Ladens um die Ecke und ich stehe vor der Snowland School. Ich oeffne das schwere Tor und da ich die letzten Tage meist der erste Volunteer vor Ort bin, ertoent es dutzendfach aus lachenden Gesichtern "Good morning Daniel-Sir!". Ich deponiere meine Sachen im Volunteer-Room, gehe hoch aufs Dach und bereite unsere Werkzeuge vor: Bohrer, Elektrosaege, und was wir noch so alles im Laufe des Tages brauchen. Kurz danach stehen bereits die ersten kids da und moechten, dass ich Ihnen Stuehle, Regale und vieles andere zusammenzimmere. Ich, der eher fuer seine zwei linken Haende bekannt ist, bin hier zum Schreiner-Meister aufgestiegen... Nachdem alle Spezialwuensche erfuellt sind, gehts fuer die Kinder ab zum Morgenappel und ich beginne
mit meiner Arbeit am "roof-top garden". Meist kommt dann bald Bob und nach kurzer Besprechung der Tagesziele, montiere ich die Schutzbrille und mache mich an die Elektrosaege. Um 12.00 Uhr ertoent die Mittagsglocke und wir stellen uns mit den kids in eine Reihe um unsere Ration Dal Bhat (Reis und Linsen, nepalesisches Nationalgericht) zu fassen. Danach geht die Arbeit auf dem Dach weiter, bis wir um 16.30 Uhr zusammenpacken und uns auf den Heimweg machen. Nach einem kurzen Besuch im Internet-Cafe, esse ich meist noch etwas kleines zu Abend und falle danach todmuede ins Bett...
Seit kurzem sind in den Unterrichts-Pausen immer ein paar Jungs bei uns auf dem Dach. Der 15-jaehrige Pema weicht hierbei nicht mehr von meiner Seite. Ich gebe ihm einfache Arbeiten, erklaere ihm warum und wie diese zu erledigen sind und er legt los wie ein Teufelskerl. Er erzaehlt dabei viel von sich, seinen Wuenschen und Traeumen. So moechte er nach Beendigung der Schule zurueck ins Dolpo und selber eine Schule eroeffnen. Schoen zu sehen, dass er sich bei mir so oeffnet, denn Pema spricht sonst selten und ist ein Einzelgaenger der mit den anderen Jungs nicht gut klarkommt. Pema ist seit 8 Jahren hier
und hat in dieser Zeit seine Familie weder gesehen noch etwas von ihnen gehoert - er weiss nicht einmal ob seine Eltern ueberhaupt noch am Leben sind. Der Junge ist clever und nimmt alles was ich ihm erklaere wie ein trockener Schwamm in sich auf. Es tut weh zu sehen, das ihm eine elterliche Hand fehlt, die ihn unterstuetzt, Mut zuspricht und sein Selbstvertrauen aufbaut. Er fragt mich mittlerweile ein- bis zweimal am Tag wann ich denn nun von hier weggehe. Er kennt die Antwort genau. Dies ist wohl seine Art mir zu zeigen, dass er traurig ist wenn ich nicht mehr da bin. Pema ist stolz, dass ich ihn zu meinem ersten Assistenten ernannt habe (ich habe natuerlich mindestens noch 5 weitere) und als ich heute dass erste mal seine Klasse als Lehrer uebernommen habe, ist er fast geplatzt vor Stolz. Seine Klasse, die "8th grade", ist heute einmal mehr ohne Lehrperson geblieben und da Bob noch nicht da ist, springe ich kurzerhand ein. Ich uebe Englisch-Konversation mit den rund 15 Jungs und einem Maedel, wobei ich sie im Frage- und Antwort - Verfahren ueber die mannigfaltigsten Themen sprechen lasse. Die 40 Minuten vergehen wie im Flug und ich
muss zugeben, dass hat echt Spass gemacht - ob ich hier etwa einen ersten Hinweis ueber eine moegliche berufliche Zukunft gefunden habe?
Unser Gewaechshaus auf dem Dach ist fast fertig, die Pflanzenboxen fertig gezimmert. Ich hoffe, dass die Schulleitung und nachfolgende Volontaere im naechsten Fruehling die Bepflanzung von Gemuese und Krautern vornehmen. Ich hoffe auch, dass dabei die kids eingebunden werden und ihr Speiseplan mit dieser Massnahme massiv erweitert werden kann. Denn die Kinder bekommen zweimal am Tag Reis mit Linsen, kein Gemuese, kein Obst, keine Vitamine. Viele der kids sind zu klein fuer ihr Alter, die Jungs haben mit 14 bereits graue Haare, ein Zeichen von schlechter Ernaehrung und schnell fortschreitender Alterung.
Da wieder einmal das Geld fuer die Fertigstellung der neuen Duschen "verschwunden" ist, habe ich heute beobachten koennen, wie die Kinder duschen: Mit einem grossen Metallbottich gehts zu zweit auf das Plumpsklo, wo sie sich gegenseitig mit Wasser uebergiessen. Und ich enerviere mich ueber kaltes Wasser aus einer richtigen Dusche - wie privilegiert und verweichlicht wir doch sind...
Meine Recherchen bezueglich den Geschaeftspraktiken von Projects Abroad haben Erstaunliches ergeben: So nahm die Organisation u.a. alleine im August in Nepal mit Anmeldegebuehren von Freiwlligen rund 260'000.- Euro ein - die zu unterstuetzenden Projekte haben davon aber nur einen Bruchteil gesehen. Weiter stellt Projects Aboad Nepal aus Kostengruenden die europaeischen Mitarbeiter unter einem Studentenvisum ein, bezahlte Arbeitsverhaeltnisse mit Studentevisa sind aber gem. nepalesischem Gesetz verboten. Diese und viele weitere Ungereimtheiten habe ich dem Direktor in England per Mail zukommen lassen. Dies mit der Bitte zu den einzelnen Punkten Stellung zu nehmen und mir meine Anmeldegebuehr zurueck zu erstatten, da ich dieses Geld selber hier vor Ort einsetzen moechte. Ausser vielen Erklaerungsversuchen und keinen schluessigen Antworten kam dabei nichts zustande. Ich habe dann mit dem Gang an die Presse gedroht - "Das grosse Geschaeft mit der Wohltaetigkeit" waere doch hierbei eine tolle headline - und siehe da, ich wurde gestern zu einem Meeting mit der nepalesischen Verantwortlichen von Projects Abroad eingeladen. Wir haben lange diskutiert und neben den Zusagen, dass sie meinen Fall und die offen Fragen rund um die Verwendung der Gelder nochmals mit dem Hauptsitz aufnimmt, will sie sich um bessere Zustaende an der Snowland School und bei der Unterbringung der Volontaere kuemmern. Zusaetzlich ging sie auf meine Forderung ein, heute alle Volontaere kostenlos auf TB testen lassen. Na wenn das nicht ein erster Erfolg ist - ich bleibe auf jeden Fall dran!
Die Grippe ist durch und morgen ist mein letzter Tag in Nepal. Obwohl ich froh bin, diesem Dreck und der stetig zunehmenden Kaelte in Richtung Thailand entfliehen zu koennen, werden mir v.a. die kids und meine Mit-Volontaere fehlen. Ich bin dankbar fuer die vielen spannenden Begegnungen und Erfahrungen, welche ich hier erleben durfte... Auf zu neuen Abenteuern!
Der rasende Reporter
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René
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You're my hero
Ich hatte Tränen in den Augen als ich deinen Blog gelesen habe, nicht nur weil ich die erzählten Situationen selber an Haut und Seele erlebt habe , auch weil du dich so öffnest und deine Sinne erleben lässt. Man kann sich all dem nicht entziehen und alle diese Eindrücke basieren auf Tiefenerfahrung, da kommt das Hirn nicht mehr mit , das geht tiefer und wer weiss was noch alles kommt mit Daniel-Chef-San. Ich wollte ich wäre jetzt dort und könnte mit dir teilen, sei ganz ganz fest gegrüsst , dein René