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Published: September 15th 2010
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Das Gasthaus in Dschabagli "Ruslan" war ein Ort an dem wir uns sehr wohl fühlten. Grundsätzlich wurde das Haus von Natalja und ihrer Tochter Elmira geführt. Der Mann von Elmira - Lammert ist gebürtiger Holländer - seine Handschrift war unübersehbar und daher war das Gasthaus mit allem notwendigen gut ausgestattet und sogar ein wenig europäisch. Aus Diskussionen zwischen Lammert und Andreas folgen nun einige Anektoten und Geschichtchen.
Lada Anektote
Lammert kaufte vor einigen Jahren einen neuen Lada. Heute wird dieses Auto ja nicht mehr hergestellt, da das Werk von Chevrolet übernommen worden ist.
Lammert kaufte synthetische Öl von Shell. Einige im Dorf lachten ihn aus, das sei ja reine Geldverschwendung, in ein sowjetisches Auto gehöre sowjetisches öl.
Normalerweise muss ein Lada bereits nach 30 - 40'000 km in den ersten check. Lammert brachte seinen nach 100'000 km in den regulären Service.
Die Mechaniker waren erstaunt, der Motor sah noch aus wie neu.
Zement Anektote
Normalerweise verkaufen Kasachen den halben Zement lieber zum halben Preis an die Nachbarn. Der Hausinnenhof, sieht nach 7 Jahren klassisch sowjetisch aus, halb zerfallene Bodenplatten.
Lammert beaufsichtigt seine Arbeiten genau, denn er will allen Zement im Bauwerk, statt bei die Hälfte
bei den Nachbarn.
Im Weiteren kaufte Lammert beim Hausumbau einen Betonvibrator. Im Westen wird vibrieren seit vielleicht 100 Jahren verwendet. Hier in Kasachstan, machten einige der Familie einen Aufstand.
Also so etwas hätte es noch nie gebraucht und sei auch in der gesamten Sowjetunion nicht verwendet worden.
Einige Zeit darauf hätten alle gemeinsam einen Dokumentarfilm aus der Sowjet-Zeit geschaut, vielleicht aus den 40ern oder den 50ern. Der Film war über den Bau einer Stromleitung quer durch Sibirien.
Und siehe da, mit im Film war auch ein Vibrator - ein kleiner Triumpf für Lammert.
Sein Guest-House Schild am Dorfeingang ist nun 3 Jahre alt. Zum Erstaunen einiger im Dorf, sieht es immer noch so aus wie damals, als es fertig gestellt wurde.
Hühnerprodukte-Fabrik
Neben Dschabagli steht ein grosses Areal auf dem eine Hühnerfabrik liegt.
Einige der Häuser von Dschabagli wurden in der Sowjetzeit als Arbeiterhäuser erstellt. Seit der Wende ist die Fabrik zweimal Konkurs gegangen, nun soll sie wiedereröffnet werden, mit neuer Ausrüstung aus Westeuropa.
Zuletzt hatte die Produktion pro Tag rund 25'000 Hühner zur Verfügung. Nur waren offiziell nur 13'000 verwendbar. Inoffiziell landeten die restlichen wohl bei der Belegschaft zu Hause auf dem Teller.
die anderen 13'000 Hühner
wurden von 1450 Mitarbeitern verarbeitet. Das macht dann 9 Hühner pro Mitarbeiter. Worauf damals Lammert wohl blöde Fragen zu stellen begann.... Das eine Fabrik mit einer derartigen Arbeitsweise Konkurs geht ist nicht weiter verwunderlich.
Dschabagli
Dschabagli ist eines der wohl best ausgerüsteten Dörfer von Kasachstan (im Bezug auf seine Grösse von 2'000 Einwohnern). Wohlausgerüstet meint primär nicht nur Strom, sondern auch fliessend Wasser im Haus, Abwasserkanäle und im Haus gute Sanitäranlagen wie auch Duschen.
Dschabagli war eine der wenigen Siedlungen von Wolga-Deutschen (Von Stalin deportierte deutschsprachige Siedler die seit dem 18. Jahrhundert an der Wolga lebten).
Daneben profitierte Dschabagli durch die Hühnerprodukte-Fabrik und auch durch den Zuzug von russischen Wissenschaftlern, die im Nationalpark oder bei der Ornithologischen Beobachtungsstation arbeiteten.
Seit einigen Jahrzehnten zogen viele der gut ausgebildeten weg, und seit der Wende fehlt auch das Geld für die Forschungsstation.
Kasachen, die vorher in Jurten lebten, begannen die Häuser zu übernehmen. Als erstes begannen diese die Toilette zu schliessen und hinter dem Haus ein Plumpsklo einzurichten. Ebenso ging es der Dusche die schnell durch eine Banja - ein Saunahaus - ersetzt wurde.
Grundsätzlich brauchte man (nicht frau) ja nicht fliessend Wasser, sobald der Wasseranschluss nicht mehr tat, wurde er
Besch Parmak
Heisst soviel wie "5 Finger" und ist das kasachische Nationalgericht, das von Hand gegessen werden sollte. stillgelegt.
Trozt meiner Romantik für ursprüngliche Lebensweise und Nomadentum, tue ich mich etwas schwer damit.
Nun folgen noch einige Gedanken meinerseits (Andreas)
Gedanken zum Reiten
Es fällt auf, dass Reiten in Kasachstan primär Männersache ist. In der Schweiz - so schien mir, war Reiten "Mädchensache". Etwas darüber nachsinnend stellte ich fest, dass Reiten in Mittelasien primär ein Fortbewegungsmittel ist. Geritten wird hier mit einfachsten Mitteln.
Einige holen das Pferd auf der Wiese ab und brauchen zum Reiten eine Decke (ohne Gurt), andere haben immerhin noch einen Gurt. Der Normalfall hingegen ist ein Sattel aus Filz, Metallgestell und Holz auf dem ein Sitzkissen liegt. Diese Sättel sind grundsätzlich sehr bequem und wohl auch auf langes Reiten ausgelegt.
Darauf sitzt man übrigens wie man will - zum Teil auch gerne lässig schräg um das Hinterteil bei langen Reittouren etwas zu entlasten. Die Zügel werden auch irgendwie gehalten wenn nicht gar einfach dem Pferd auf den Hals gelegt, wenn man z.B. ein SMS schreiben will oder das Musikstück auf dem Handy wechseln will.
Um die Haltung des Reiters kümmert sich dann auch gar keiner. Trense und Zaumzeug sind lockerer, bei Pausen werden die Pferde so immer am Zaumzeug angebunden. Wohl
jedem Pferdespezialisten aus Europa stehen dabei die Haare zu Berge. Der Punkt dabei ist - so scheint mir - man kann grundsätzlich machen was man will, hauptsache man bleibt auf dem Pferd.
In Europa kann man oder auch frau primär viele Sachen falsch machen, wie mir der "Crash-Kurs" gezeigt hat. Obwohl ich sehr dankbar bin, dass ich dank diesem Kurs das Gleichgewicht auf dem Pferderücken recht gut habe, so liegt mir das Reiten in Kasachstan nicht schlecht.
Ich möchte Reiten kurz mit Kochen vergleichen. Man kann entweder streng nach Rezepten kochen, und schafft so Gerichte wie vorgesehen. Viele Frauen machen es zu Hause gerne so. Alles ist klar, es gibt richtig und falsch. Im Gegensatz dazu kann man auch gut kochen und dabei neues kreieren. Vorweg sich frei fühlen und ist am Schluss selbst erstaunt, was man gekocht hat. Es gibt keine Regeln ausser, das das Essen am Schluss essbar sein muss.
Meine schlaue interpretation ist nun diese. Wäre Reiten in Europa weniger mit richtig und falsch belastet, könnte man statt Dressur-Reiten auch Kühe zusammen treiben oder Schaf-Fell spiele zu Pferd spielen, würden in Europa auch mehr Männer reiten.
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