Fes - Drei Tage im "verrückten Labyrinth"


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February 22nd 2024
Published: February 24th 2024
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Nach einem Ryan- Air Flug der uns mal wieder vor Augen geführt hat, dass man, wenn man wenig bezahlt auch quasi nichts außer dem reinen Transfer bekommt - weder Freundlichkeit, Service, Komfort, Sauberkeit oder jegliche Art von logischer Organisation - und in unserem Fall nicht mal englisch sprechende Flugbegleiter, landen wir bei strahlendem Sommerwetter in Fés und sind augenblicklich mit der eher unerfreulichen Anreise versöhnt. Der Flughafen von Fes ist modern, sauber, super organisiert und sogar die sonst oft grummeligen Grenzbeamten sind total nett, schäkern mit den Kindern und plaudern mit uns. Obwohl Fés mit 1,4 Millionen Einwohnern nicht gerade klein ist, ist der Flughafen ziemlich wenig belebt und effizient und nach kaum einer halben Stunde sind die Pässe kontrolliert, das Gepäck geholt, Geld abgehoben und wir sitzen bei dem Fahrer unseres Riads im Auto auf dem Weg in die Stadt. Entgegen unserer Erwartung ist die Landschaft recht grün und sauber und wir genießen die Fahrt und den ersten Vorgeschmack auf Marokko im Schnelldurchlauf: Moscheen, Garküchen, verrückter Verkehr, Schafe auf einer Wiese mitten zwischen Häusern. Durch die Vororte und die moderne Cité Nouvelle geht es irgendwann durch ein wunderschönes lehmfarbenes Stadttor in die Medina, die Altstadt von Fés. Hier werden wir am Rande der Stadtmauer an einem Parkplatz von einem Mitarbeiter unseres Riad abgeholt. Das schön restaurierte traditionelle Gästehaus ist ein kleiner Ruhepool im Trubel der Medina, der autofreien wuseligen Altstadt von Fés die über 1200 Jahre alt ist. Sie gilt als eine der besterhaltensten antiken Medinas der arabischen Welt und zählt zum Unesco-Weltkulturerbe. Hier scheint die Zeit wirklich stehen geblieben zu sein, was nicht nur daran liegt dass moderne Errungenschaften wie Autos und öffentliche Müllentsorgung von den Toren der Stadtmauer ausgeschlossen bleiben. Es liegt auch daran dass hier traditionelle Handwerkskunst noch bewahrt und zelebriert wird und die Medina keinesfalls nur eine touristische Attraktion ist, sondern vielmehr Lebensraum von Tausenden von Einheimischen. Wer es sich leisten kann, ist allerdings schon lange aus der leider oft baufälligen und schmuddeligen Medina in die modernen Außenbezirke mit all ihren Vorzügen gezogen. Was wir für spannend und morbid charmant halten, ist für die Einwohner der Medina natürlich mit einigen Problemen und Beschwerlichkeiten im Alltag verbunden und so gilt es den Bummel durch die Gassen nicht zu einem Zoobesuch werden zu lassen sondern dem Leben hier mit Respekt zu begegnen. Also schlendern wir an unserem ersten Nachmittag ziellos durch die engen und teils müffeligen Gassen und versuchen die eiligen Handkarrenfahrer und mit schweren Säcken beladenen Bauarbeiter, die mit Einkaufstüten den Berg hinauf keuchenden Mütterchen und fussballspielenden Jugendlichen möglichst wenig zu behindern. Alle paar hundert Meter rollt aber ein Ball in unsere Richtung, dem Dennis einfach nicht widerstehen kann. Und immer wenn er einen kleinen Trick mit dem Ball vorführt, kommen wir automatisch mit den Jungs ins Gespräch, die begeistert ihren meist etwas beschränkten Englisch-Wortschatz auspacken und nach unserer Herkunft fragen. Sobald wir antworten, dass wir aus Deutschland kommen, schallt es zurück ,, aah Bayern Munschäähn" , was Dennis natürlich nur ein gequälte Lächeln entlockt. Tatsächlich lassen wir den rummeligen Souk heute erstmal aus und laufen hauptsächlich durch die abgelegenen Gassen in der "Oberstadt" der Medina in der wir fast keinem andren Ausländer begegnen. Trotzdem gibt es für die Kinder an jeder Ecke etwas zu Staunen: streunende Katzen in Massen, die bunt bemalten Mauern einer Schule, eine verlassene Häuserruine in der Hühner herumspazieren, eine winzige Bäckerei aus der es köstlich duftet und viele kleine, zur Gasse hin geöffnete Einraum-Handwerksbetriebe in denen gehämmert, genäht, geschweißt oder an einem nostalgischen riesigen Webrahmen Teppiche und Tücher hergestellt werden. Wir saugen die Atmosphere, inklusive der mamchmal nicht ganz so angenehmen Gerüche, auf, Immer wieder geht es steil bergauf und wieder bergab, um enge Kurven und durch tunnelartige Durchgänge und im Labyrinth der Wege verlieren wir fast augenblicklich die Orientierung. Mats, eigentlich unser "lauffaules" Kind überrascht uns mit einer seltenen Energie und rennt begeistert vor zu jeder Weggabelung. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass ihn der Rummel der Stadt, die ungewohnten Gerüche und der Lärm zu Anfag etwas überfordern, da er sich ja auch zuhause oft aus der Mitte des Geschehens zurückzieht, aber hier ist er voller Intresse und Begeisterung dabei und entdeckt andauernd etwas am Wegesrand, das ihn fasziniert. Es ist eher Marlene, die etwas abgeschreckt davon ist, dass es gelegentlich in den Durchgängen schon sehr penetrant nach Katzenurin stinkt, alle Menschen sie ansprechen und hier und da neben Mülltüten auch eine tote Ratte liegt. Als sie einmal vorläuft, greift ein etwa gleichaltriges Mädchen sie plötzlich, hält sie fest und drückt ihr einen Kuss auf die Wange, was sie völlig irritiert. Uns übrigens auch. Aber es soll leider nicht das einzige Mal bleiben, dass uns das hier passiert. Irgendwie finden wir dann nach einiger Zeit und einem kurzen Besuch im leider schon sehr verfallenen und ungepflegten El Glaoui Palast, auf den wir zufällig stoßen, wieder zurück zu unserem Riad. Allerdings nicht, ohne dass uns an jeder zweiten Ecke irgendjemand den Weg irgendwohin zeigen will, der dann total irritiert davon scheint, dass wir garnicht "irgendwohin" wollen sondern uns wirklich einfach nur Treiben lassen. Das Abendessen nehmen wir auf der Panoramaterrasse eines sehr einfachen Lokals außerhalb der Medina ein. Die Gemüse Tajine, die zischend heiß auf den Tisch kommt und die über Holzkohle gegrillten Hähnchen Spieße schmecken uns vorzüglich. Davor gibt es eine kostenlose Schale mit einer würzigen Tomatensuppe mit Kirchererbseneinlage und frischem Fladenbrot, die Kinder müssen sich noch akklimatisiseren und essen eine Pizza Margharita. Mit frisch gepresstem Saft, Wasser und Tee bezahlen wir für uns vier gerade mal umgerechnet 25 Euro und sind am Ende sehr satt.Für den zweiten Tag, den wir mit einem super leckeren Frühstück im Innenhof unseres Riad starten, haben wir uns dann konkret ein paar "Sehenswürdigkeiten" vorgenommen. Wir starten im Lebensmittelsouk, gleich um die Ecke, in dem sich Oliven - und Dattelberge stapeln und alte Männer ihr frisches Gemüse und riesige Stapel der Minze verkaufen, mit der der traditionell stark gesüßte, köstliche " The a la menthe" zubereitet wird, den man hier gerne trinkt. Zwischendrin kleine Stände mit fragwürdiger Kühlkette, die halbe Tiere, Innereien und Kamelköpfe in der Auslage liegen haben und deren Anblick mich gleichzeitig fasziniert und abstößt. Etliche Schubkarren voll honigsüsser Backwaren, Säcke voller Gewürze, Hülsenfrüchte und getrockneter Teeblätter inklusive der dazugehörigen, sich vermischenden Gerüche säumen den Weg und tragen zu dem Gesamtergebnis bei, das ich so an diesen Märkten liebe. Hier sind am späten Vormittag hauptsächlich Einheimische unterwegs, die ihren Einkauf machen und auch wir erstehen für lächerliche 30 Cent ein halbes Kilo saftige Mandarinen und für weitere 50 Cent (5 Dirham) drei Gurken. Dann schließen sich der Textilienmarkt, der Lederwarenmarkt und andere Gassen voll Gebrauchsgegenstände und Touristenkram an und schließlich begegnen uns auch mehr Reisende. Wir besichtigen alte restaurierte Karawanserailen in denen sich jetzt Handwerksbetriebe niederlassen haben und die wunderschöne verlassene Medersa Attarine, eine alte Koranschule, deren Innenhof über und über mit Kachelmosaiken geschmückt ist. Am schönen Place Seffarine kann man den Kupferschmieden zusehen, die über einer offenen Gasflamme die schönen Muster in Metall klopfen und großen Wannen und kleinen Schüsseln, Krügen und Platten ihre Form geben. Hier sind wir auch ganz nah an den berühmten, farbenfrohen Gerbereien von Fés und obwohl wir es besser wissen, lassen wir uns letztlich von einem ziemlich aufdringlichen Schlepper dorthin lotsen, der danach natürlich sein Trinkgeld dafür fordert. Die Gerbereien, in denen arme Kerle täglich ihre Gesundheit ruinieren, während sie in den mit Taubenkot gefüllten Becken herumwaten, in denen die Tierfelle durch das im Kot enthaltene Ammoniak von den Haaren getrennt werden, kann man sich dann "kostenlos" von der Terrasse einer der großen Lederkooperativen ansehen. Es sind hunderte Becken aus Kalk teils mit dem aufgelösten Kot gefüllt, teils mit Henna oder Baumrindenpasten gefüllt, in denen die Felle dann nach etlichen Verarbeitungsschritten gefärbt werden. Leider überwiegen derzeit die Brauntöne sodass sich kein so farbenfrohes Bild ergibt, wie man es von einigen Bildern kennt. Auf den umliegenden Dächern trocknen dafür hunderte gelb gefärbte Felle, das war wohl die Farbe der vergangenen Woche. Angeblich wird Safran für die Färbung verwendet, was ich anhand der Preise für Safran nicht glauben kann. Ein netter junger Mann beantwortet unsere Fragen und führt uns auf der Dachterrasse herum, auch den obligatorischen Minzzweig gegen den Gestank reicht er uns, wobei wir den kaum benötigen. Ich erinnere mich noch an die Gerbereien in Marrakesch, die ich vor einem knappen Jahrzehnt, allerdings im Hochsommer, besucht habe und deren Gestank trotz Minzzweig und einer berufsbedingt doch sehr abgehärteten Nase, selbst auf der ca 50 m höher gelegenen Dachterrasse der Touristenschlepper kaum zu ertragen war. Nachdem wir erfahren haben, dass die Taubenkot Sammler für ein Kilo der Köstlichkeit, die sie von den umliegenden Dächern zusammenkratzen, nur etwa 300 Dirham (30 Euro) erhalten sind wir uns dann aber doch nicht mehr ganz sicher, wer hier eigentlich den schlimmsten Job hat. Auch allen Beteuerungen unseres Guides zum Trotz, dass hier alle Arbeiter gut entlohnt und behandelt werden und dass alles natürlich und ohne Chemie viel gesünder sei: Nachweislich liegt die Lebenserwartung der Gerber deutlich unter dem marokkanischen Durchschnitt wenn man anderen Quellen glauben darf. Danach werden wir natürlich noch in den riesigen, über mehrere Etagen angelegten Laden geführt, der sich unter der Terrasse befindet, allerdings werden wir hier sehr höflich zum Kauf animiert und nicht bedrängt, was auch tatsächlich erfolgreich ist. Dennis kauft sich nach zähen Preisverhandlungen eine schöne neue Geldbörse, die er auch wirklich nötig hat. In unsrem Riad hatte man uns vorher eingeschärft, dass wir grundsätzlich auf 20-25% des zuerst aufgerufenen Preises bestehen sollten. Hier fehlt uns noch ein kleine wenig Übung und Taktik aber insgesamt haben wir unser Bestes gegeben und Dennis ist zufrieden. Trotzdem bleibt es irgendwie ein zweifelhaftes Vergnügen, die ganzen wirklich schönen und butterweichen Lederwaren zu bestaunen (und zu kaufen) , wenn man sich klarmacht, dass die Arbeiter dafür mit ihrer Gesundheit bezahlen. Man weiß das ja, auch von der Textilienherstellung in Entwicklungsländern, aber hier bekommt man es sogar noch als "Attraktion" präsentiert. Nach einer kurzen Pause im Riad mit Fladenbrot und Joghurtdrink für die Kinder und einer Partie "Phase 10" machen wir uns am späten nachmittag noch auf zu den "tombeaux merinides", einer Gruppe spätmittelalterlicher Mausoleen im Norden der Medina auf einem Hügel gelegen. Die beeindruckenden Ruinen kann man von der Altstadt überall sehen und es soll von hier aus eine tolle Aussicht über die Stadt geben. Weil Marlene auf der Wanderung nach oben besteht und nicht mit dem Taxi fahren will ("nur runter laufen ist keine Wanderung") steigen wir also mit einigen Umwegen wieder kreuz und quer durch die Medina auf und betreten schließlich ausserhalb der Stadtmauer einen der riesigen muslimischen Friedhöfe, die alle Hügel rund um die Medina von Fés bedecken. Vollkommen sich selbst überlassen, mit grasenden Ziegen auf den überwucherten Gräbern, hat dieser Ort eine ganz eigene friedliche Atmosphere. Die Gräber sind allesamt aus weißem Stein und ziehen sich sich soweit das
Futterplatz mit AussichtFutterplatz mit AussichtFutterplatz mit Aussicht

Tombeaux merinides
Auge reicht den Hügel hinauf und um diesen herum. Oben auf dem angrenzenden Felsplateau befinden sich dann die Ruinen der Mausoleen des Berberstammes der Meriniden, die im 14. Jahrhundert entstanden sein sollen, auf einem frei zugänglichen Gelände Neben einer wahnsinnigen Aussicht auf Fés gibt es hier etliche Möglichkeiten für die Kinder auf alten Mauerresten zu klettern und sich zu verstecken, sodass wir eine längere Zeit hier oben verbringen. Es hat milde 23 Grad und ist recht sonnig, also perfekt für eine kleine Pause vom Trubel der Medina. Hier wird Mats dann zum "Opfer"einer ungewollten Kussatacke durch ein etwas älteres Mädchen. Er steckt es aber recht gelassen weg und schenkt ihr nur einen verächtlichen Blick. Dennoch finde ich es ziemlich übergriffig fremde Kinder in den Straßen einfach an sich zu ziehen und zu küssen, zumal es uns auch einmal unterwegs mit Mats passiert, dass ein älterer Mann dies versucht und ich ihn gerade noch wegziehen kann. Recht regelmäßig werden auch beide Kinder unvermittelt unterwegs von Erwachsenen ins Gesicht gefasst, in die Wangen gekniffen oder aufs Haar geküsst und meistens kann man garnicht schnell genug reagieren. Unser dritter Urlaubstag In Fés beginnt mit Regen und so lassen wir es langsam angehen und frühstücken spät und die Kinder spielen noch ein bisschen im Zimmer. Als der Regen nachlässt, fahren wir mit dem Taxi in die Mellah, das ehemalige jüdische Viertel von Fés, das den Königspalast und ein andalusisches Wohnviertel sowie einen jüdischen Friedhof bieten soll. Leider entpuppt sich der Ausflug als völlig unspektakulär. Bis auf einen herausgeputzten Straßenzug mit schönen Holzbalkonen ist das Viertel furchtbar heruntergekommen, schmuddelig und trostlos. Den Königspalast kann man nur von außen besichtigen und der schöne Park , auf den wir uns gefreut hatten, ist wegen der Freitagsgebete geschlossen. Den jüdischen Friedhof sparen wir uns dann und laufen lieber wieder zurück entlang der gigantischen Palastmauern in die Medina und Bummeln dort noch ein bisschen durch die heute angenehm ruhigen Gassen. Auf Grund des Freitagsgebets ist hier ein Großteil der Läden und Betriebe geschlossen und dementsprechend entspannt kann man durch die Gassen schlendern. Leider finden wir daher aber auch nicht die von Marlene so heiss ersehnten vegetarischen Teigtaschen zum Mittagessen. Die meisten Garküchen sind zu oder haben nur welche mit Fleisch. Dafür finden wir nach einiger Suche den gefühlt einzigen geöffneten Friseur und Mats bekommt seinen lange überfälligen Haarschnitt, den er unbedingt bis in den Urlaub aufschieben wollte. Jetzt ist es ihm aber doch nicht ganz geheuer als er in dem winzigen Verschlag sitzt, und ein älterer Friseur locker eine halbe Stunde mit allerhand altmodischen Rasiermessern und -Maschinen, Scheren, Pinseln, Sprühflaschen und Föhns in einem Affenzahn um ihm herumflitzt und an ihm herumschnippelt. Immer wieder guckt er skeptisch in einen der vielen Spiegel und wir müssen ihm versichern dass alles okay ist und er sehr cool aussehen wird (tut er dann auch wirklich). Aber auch der Friseur will ihm dafür wieder ein Küsschen auf die Wange zum Abschied geben...."warum wollen die immer küssen?". Gute Frage mein Kind....Unsere Kinder essen an einem Straßenstand noch Schawarma zu Abend und Dennis und ich haben für 19 Uhr ein traditionelles marokkanisches 3-Gang-Menü in unserem Riad gebucht. Die Kinder spielen und malen so lange tatsächlich ruhig im Innenhof und wir genießen entspannt eine würzige Suppe, Gemüsecouscous mit Rosinen und eine köstliche Hühnchen Tajine mit geschmortem Kürbis, Möhren und Zwiebeln. Danach gibt es noch einen riesigen Obstteller, den wir kaum noch schaffen. Ein wunderbarer Abschluss für diesen doch eher etwas unspektakulären Tag. Morgen holen wir unser Mietauto und es geht weiter durchs Land.


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