Advertisement
Published: March 21st 2018
Edit Blog Post
Tag vier an diesem beschaulichen Ort bricht an und ich muss sagen: Ich fühle mich wohl und geborgen. Der Abstand zum Großstadttrubel, die wenigen Touristen, Erdpisten, die Einfachheit der Menschen und der Gegebenheiten... back to the roots. Allerdings war das nicht von Anfang an klar: Taganga eilt nämlich ein schlechter Ruf voraus. Das ehemals kleine Fischerörtchen hätte vor ein paar Jahren zu viele Touristen an sich gezogen und damit eine schlechte Kultur entwickelt. Parties, Alkohol, Drogen, Raubüberfälle, Prostitution - all das soll man hier finden oder einmal gefunden haben. Ein paar Menschen in Cartagena und Bogotá hatten Taganga nur mit "
wildes Pflaster" kommentiert, andere eher in die Richtung "
trauriges Abfallprodukt des Tourismus", wieder andere als simplen, wenig spektakulären Vorort Santa Martas. Warum genau willst du da hin? Das war die allgegenwärtige Frage. Und nachdem ich so einiges über Taganga gehört und gelesen hatte, fragte ich mich dann auch irgendwann nach dem Warum. Für mich klingt der Ort spannend, als wäre es der perfekte Ausgangspunkt für viele Tages- und Mehrtagestouren, abseits vom Massentourismus, etwas abgelegen und doch gut angebunden. Ich wusste über den schlechten Ruf Bescheid, wusste aber auch, dass sich die Lage anscheinend in den letzten Jahren gravierend verbessert hat und
sich der Ort schön langsam erholt. Touristisches Domizil wäre der Fischerort trotzdem nicht, aber das kommt mir ja gerade recht.
Im Bus hatte ich fünf Stunden Zeit mich auf die neue Situation einzustimmen: Vier Wochen alleine im Apartment, auf einem Hügel, in einem kleinen Fischerort. Ganz schön mutig eigentlich. Und dennoch war mir nicht mulmig zumute, ich freute mich eher auf diesen neuen Abschnitt. Allen Meinungen zum Trotz an diesen Ort zu kommen, der laut meiner Recherche und meinem Gefühl viel zu sehr abgewertet wird, klingt nach einem guten Abenteuer. Es gibt ja schließlich immer die Option wieder umzudrehen.
Und so startete meine Reise nach Taganga mit gemischten Gefühlen, aber in einem gut klimatisierten Bus und mit tollem Ausblick: Es präsentierte sich eine Umgebung, die den Vororten Nicaraguas sehr ähnlich kommt. Staubige Straßen, einfache kleine Häuser, etwas heruntergekommen, bunte Farben. Und doch ist der Anblick faszinierend, beruhigend, fast schon meditativ. Die Zeit scheint hier stillzustehen. Die Menschen leben in jeder Sekunde. Genau in dem Moment wo sie gerade sind, oft auf der Straße oder an der Türschwelle sitzend, mit einem offenen Blick für ihre Umgebung. Jetzt wo ich so viele Menschen treffe - bewusst antreffe, weil unsere Augen
sich begegnen, daraus ein Lächeln und ein Gruß entsteht - wird mir erst klar, wie sehr wir diese Art der Begegnungen in Europa verlernt haben. Wir haben die Augen verschlossen für unsere Umgebung. Haben Schallklappen um uns aufgebaut um dem Stress der Großstädte zu entfliehen. Haben gelernt Menschen zu ignorieren, die nicht in irgendeiner Form relevant für unser Leben sein könnten. Wie schade, dass so viel Menschlichkeit irgendwo in unserer Entwicklung verloren gegangen ist.
Und wieder einmal musste ich feststellen, dass die Menschen hier nicht arm sind. Sie haben bestimmt ganz andere Herausforderungen zu meistern, jeden Tag aufs neue, aber sie leben mit offenen Augen, offenen Armen und offenen Herzen. Und wer bereit ist so eine Begegnung zuzulassen, die Augen zu öffnen und den offenen Blick zu erwidern, der wird mit viel Interesse belohnt.
Angekommen in Taganga - nach meinem kleinen Exkurs möchte ich doch noch ein bisschen etwas zu meinem Erleben dieses Ortes schildern - hat mich Ursula, meine Gastgeberin, bei einem Hostel am Hügel, einige Meter vor dem steilsten Anstieg empfangen. Die letzten Hundert Meter muss man zum Apartment zu Fuß gehen, auf der steilen Erdpiste fahren die Taxis nicht mehr. Neben dem tollen Ausblick von
der Terrasse, punktet das Apartment auf jeden Fall mit einer top ausgestatteten Küche und genügend Platz um sich wohlzufühlen. Es ist angenehm luftig, alles ist offen und die frische Brise macht die täglichen 30 Grad erträglich. Ursula ist an Gastfreundschaft kaum zu übertreffen und hat mir gleich jede Menge Informationen zu dem Ort, naheliegenden Buchten, Orten und Wanderungen gegeben.
Was zudem eine angenehme Überraschung war: Mein Nachbar, mit dem ich die große Terrasse mit Meerblick teile, arbeitet auf die selbe Art und Weise mit eigenem Business in Prag. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und viele (Reise-)Geschichten ausgetauscht. Und somit hab ich mich auch hier wieder sofort wie zuhause gefühlt. An einem Ort nur für mich, und trotzdem sofort in guter Gesellschaft - wenn auch nur für die ersten drei Tage. Und für alle, die es noch nicht so richtig glauben können: Taganga ist ein netter, beschaulicher Ort. Für viele Touristen bestimmt zu klein, zu einfach, zu urig, zu rau. Allerdings für mich genau richtig.
Advertisement
Tot: 0.075s; Tpl: 0.011s; cc: 11; qc: 29; dbt: 0.0379s; 1; m:domysql w:travelblog (10.17.0.13); sld: 1;
; mem: 1mb