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Published: August 25th 2012
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Der kolumbianische Ryanair-Ableger VivaColombia bringt mich von der Karibikflughafenbruchbude Cartagenas in irgendeine Satellitenstadt, 30 km vor Medellin. Ich habe einen nationalen Flug, daher lande ich natürlich auf dem internationalen Flughafen (Der nationale Flughafen von Medellin befindet sich in perfekter Lage im Stadtzentrum). Gut, dass es zu spät für den Bus ist, so kutschiert ein Taxi mich Luxusbackpacker durch die Hügel, in denen Pablo Escobars Familie heute Touris seine Hacienda(s) zeigt. Im ruhigen Hostel finde ich eine Chinesin, die mir tags darauf den Reiseführer gibt, zwei große Schäferhunde und wieder mal einen Franzosen, der das ganze betreibt.
Medellin sieht sich stolz als eigentliche Hauptstadt Kolumbiens. Schließlich ist es die einzige Stadt mit einer Metro und gleich zwei CableCars – skilift-ähnliche Gondeln auf zwei der drei Berge, um welche die Stadt mäandert. Auch kulturell ist man als Geburtstadt Fernando Boteros natürlich weit vorne – und stellt daher gerne seine Skulpturen zur Schau. Jedes neu gebaute Bürogebäude in Medellin muss laut Vorschrift moderne Kunstwerke ausstellen. In einer Nebenstraße werden an etwa zwanzig Ständen Porno-DVDs jeder Couleur verkauft. Ob das auch Vorschrift ist? Auf der Hauptstraße schlafen derweil Crack-Junkies wie eine groteske anorektische Karikatur der Skulpturen mitten auf den Bürgersteigen: Es gibt einen Grund,
warum das eigentliche Zentrum Medellins schon längst nach El Poplado verlegt wurde.
Mit dem CableCar überschwebt man ein eher slum-artiges Viertel bis zum Gipfel des ersten Berges. Eine futuristisch anmutende Bibliothek einer der vielen Unis hat man dort zwischen die wellblechgedeckten Hütten gestellt – ein Weg der Integration. Studieren ist ohnehin das Wichtigste in Kolumbien, auch wenn man danach wieder im kleinen Laden des Vaters auf der Ecke arbeitet. Immerhin versucht man es – und Kolumbien scheint auch im sozialen Bereich nicht völlig auf dem falschen Pfad zu sein. Die Pfadfindergruppe auf dem Berg singt uns jedenfalls fröhlich ihr Lied vor (Siempre trabajar y nunca descansar) und ist völlig hin- und weg vom Anblick blauer Augen.
Im Partybereich ist die Vormachtstellung natürlich klar und wird eindrucksvoll des nachts auf der Calle 70 bewiesen: Über 2 Kilometer reiht sich eine Salsa/Reggaeton (sprich: „Crossover“)- Bar an die nächste.
Auch die Sportförderung stimmt – zumindest in Medellin. Eine riesige Anlage mit top ausgestatteten separaten Turn-, Basketball-, Volleyball- und Mehrzweckhallen zeugt von den Anstrengungen, die zu neun olympischen Medaillen geführt haben. Auch die Schwimmanlage ist von der Metro, die als Skytrain einen guten Überblick verschafft nur zu bewundern: 5 (!) 50-m-Bahn-Becken
mit einem riesigen Schwimmstadion mittendrin. Während man diese Anlagen alle ohne Probleme betreten kann, ist bei den Unis natürlich wieder am Eingang Schluss: Schwer bewacht und mit Natodraht abgeriegelt – nicht, dass sich hier eine Revolte bildet. Freie und offene Bildung sieht anders aus.
Da mir also der Zutritt verwehrt wird, setze ich mich vor das „Innovationscenter“ Medellins, welches einen angenehmen Abstand zu zwei Hauptstraßen hat, und schreibe ein wenig (Parks zum rumsitzen/liegen gibt’s einfach nicht, das tut der gemeine Kolumbianer eben vorm Fernseher). Sofort kommt ein Sicherheitsbeamter mit erhobener, silbrig glänzender Feuerwaffe und Kampfhund um mich darauf hinzuweisen, dass ich hier besonders auf meinen Laptop aufpassen müsse. Bekannte Worte, die nicht mehr besonders beeindrucken: In Bogota erzählt man, Cartagena sei sehr gefährlich, dort wird vor Medellin gewarnt und in Medellin sind es wiederum große Teile von Bogota, in denen mucho cuidado vonnöten ist. Man könnte sagen: Kolumbien ist sicher, schließlich stehen überall lächerlich schwer bewaffnete Polizisten, Militär und private Sicherheitsleute. Es stellt sich allerdings natürlich die Frage der Notwendigkeit solch massiver Präsenz. Wenngleich die meisten Polizisten wie 16 aussehen und scheinbar in manchen Belangen doch noch recht korrupt und willkürlich agieren. Als Tourist ist man jedoch weitestgehend davon
ausgenommen: Der goldene-Kuh-Status zieht wieder. Im Prinzip ist es wie überall: Die Vorteile einer Reise in ein weniger industrialisiertes/entwickeltes Land (höhere Kaufkraft etc.) gehen eben mit einem leicht höheren Risiko einher. Die von den Reiseführern ständig skizzierten Horrorszenarien liegen jedoch fernab der Realität.
So viel Overconfidence muss natürlich bestraft werden: Zurück im Hostel bemerke ich, dass die zwei allzu süßen Kolumbianerinnen, die heute abgereist sind, mich um 40 Dollar erleichtert haben. Ein bekanntes Bild: Backpacker klauen einfach wie die Raben. Da stehe ich mit dem Verlust meiner FlipFlops und eben diesen 40 Dollar noch recht gut dar.
Zwei lustige Belgier (Francois und, nun ja, Francois) begleiten uns dann abends nach El Poplado – das fancy Ausgehviertel Medellins. Doch es ist ein Montagabend nach einem langen Wochenende, und da kann selbst Felipe, der kolumbianische Freund der beiden auf unserer Rundfahrt durch die Stadt nichts finden. Nach einer kurzen Visite im größten Hostel Kolumbiens (mit Jacuzzi, Swimming Pool, Irish Pub und Basketball-Court), in welchem allerdings nur verwirrte Gestalten herumlaufen, geht’s wieder zurück in unser beschauliches Wohnviertel. Felipe lädt uns natürlich für den nächsten Tag zum Essen ein – und die beiden Hausangestellten seiner Eltern kochen selbst mir trotz meiner völlig
exotischen Vorlieben ein leckeres Essen. Danach gibt’s Kaffee von der Firma, in der er – guess what – arbeitet und die scheinbar in Kolumbien einen größeren Marktanteil als Nestle hat. Geschmacklich lässt sich dies allerdings nicht erklären.
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