Frohe Ostern (auch als Minderheit)


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April 12th 2009
Published: April 12th 2009
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So, erstmal allen frohe Ostern! Ich war heute in der Kirche, wie sich das gehört ;-) Allerdings hat sich das Ganze gar nicht so einfach gestaltet, wie man vielleicht annehmen möchte.

Die Suche begann am Freitag. Auf der Seite über die Stadt Belgrad gibt es einen extra Unterpunkt "Religion". Sehr schön. Es folgt eine Auflistung von orthodoxen Kirchen, katholischen Kirchen, die Adresse von Moschee und Synagoge. Evangelisches, Protestantisches oder derartiges ist nicht vorgesehen.
Etwas verwundert hab ich dann erstmal geguckt, wieviele Protestanten es in Belgrad überhaupt so gibt.
Die absolute Zahl weiß ich immer noch nicht, nur sovie: es sind exakt 0,23 % der Belgrader Bevölkerung. Und ich dachte, in Oberschwaben wären wenig evangelische :D

Naja, das kanns ja aber nicht gewesen sein. Über den Auslandsdienst der EKD haben wir dann also tatsächlich die evangelische Deutschsprachige Gemeinde von Belgrad ausfindig gemacht. Naja, so halb zumindest. IMmerhin war eine Adresse angegeben, und dass jeden ersten Sonntag im Monat Gottesdienst in der ehemaligen evangelischen Kirche in Zemun wäre.

Das war ja schonmal was. Nu weiß man davon aber noch lange nicht, ob und wann an Ostern Kirche ist. Wir haben die angegebene Telefonnummer angerufen, aber da hats nur gepiept. Dachten, das wäre ein Fax, und haben aufgelegt.

Später wär fast was daneben gegangen, weil der Pfarrer zurückgerufen hat, und aber außer mir keiner wusste, dass ich da angerufen hatte. So kamen sich zunächst 2 Seiten erstmal relativ verarscht vor, bis sich alles aufgeklärt hatte, und wir erfahren haben, dass der Ostergottesdienst um 11 Uhr stattfinden sollte.

Also nahm ich mir vor, da hin zu gehen. Gestern dann das Beste überhaupt. Das Hostel wurde von einer Gruppe deutscher Studenten geentert, die mitm Bulli aus Istanbul kamen. Zwei davon waren Theologiestudenten aus Tübingen, so dass sich bald rausstellte, dass der Besuch des Gottesdienstes zu siebt stattfinden würde.

So haben wir uns dann also heute früh um 10 mit dem Bulli aufgemacht Richtung Kirche. Ich war wegen meiner "Ortskenntnis" (lacht net. Dafür, dass mich als Fußgänger keine Einbahnstraßen zu kümmern brauchen, kann ich auch nix) zum Navigator gemacht worden. Naja, wir kamen an. Und im Belgrader Verkehr hatten zwischenzeitlich auch die 2, die einfach nur mitkamen, weil se net wussten was sonst machen, definitiv das Beten gelernt :D

Wir haben uns dann ein klein wenig in der STraße vertan, aber mit 2 mal fragen kamen wir dann in die richtige Richtung. Wir kamen an ein Gebäude, das eine Kirche sein könnte. Standen im Eingang, und wussten net so recht, was machen. Drinnen war schon so was, was irgendwie wie ein Altar aussah. Aber gibt ja noch mehr Religionsgemeinschaften, die sowas haben, ne? Unser Zögern wurde auch noch dadurch begründet, dass die Leute etwas seltsam saßen. Da waren nämlich rund um diesen Altar so Sitzgruppen, wo man sich gegenüber saß, wie in einer Kneipe. Später sollte sich rausstellen, dass der Vergleich nicht hinkt.

Naja, wie auch immer. Uns kam ein älterer Herr entgegen, guckte uns an, und fragte: "Izvolite?" Daraufhin ich: "Izvinite, trazimo protestantski crkvu."

In dem Moment, ging das Gesicht von dem Mann in ein einziges Strahlen auf: "Herzlich willkommen, kommen sie herein. Entschuldigen Sie, wir haben gar keine Gesangbücher mehr, nie hätten wir heute mit so vielen Leuten gerechnet."

Na das ist doch mal ein Anfang 😊 Wir haben uns dann an einen Tisch gesetzt, wo noch 3 Leute saßen. Dann ging der Gottesdienst los. Und ich kann sagen, das war nun wirklich ein Erlebnis. Wie der Pfarrer nach dem Glaubensbekenntnis gesagt hat: Das war jetzt eher wie Pfingsten als wie Ostern, aber es macht die Sache nicht weniger schön.

Der Gottesdienst war 3-Sprachig. Zu den großen Festen schließen sich nämlich die deutschsprachig-evangelische und die slowakisch-serbisch-sprachige Gemeinde zusammen.

Der deutsche Pfarrer war beim katholischen Fernsehgottesdienst, um etwas Lobbyarbeit zu leisten, so dass der slowakische Pfarrer den Gottesdienst geleitet hat. Wie gesagt, in drei Sprachen. Alles immer wiederholt. Deshalb hat auch alles ein wenig gedauert, weil es immer erst auf deutsch, dann auf serbisch und slowakisch gesagt wurde. Glaubensbekenntnis, Vater unser und die Lieder hat jeder jeweils in seiner Sprache gleichzeitig gesagt/gesungen.

Naja, wir manchmal auch nicht, weil ich ausgerechnet das slowakische Liedblatt gegriffen hatte. Wer konnte auch sowas ahnen? :D

Naja, war jedenfalls alles sehr schön, an der Grenze zum Bewegenden...

Nach der Kirche war dann auch der deutsche Pfarrer wieder da. Hat uns die Kirche gezeigt, und wir haben uns lang über die Situation der evangelischen Gemeinde in Serbien, und in Belgrad im speziellen, unterhalten.

Zu der Kirche kann man folgendes sagen: Liegt sehr schön, und hat eine relativ außergewöhnliche Architektur. Was heute ein Glücksfall ist, weil dem Gebäude keiner mehr was kann, weil es dank dieser Architektur unter Staatsschutz steht. Allerdings muss man sagen: Viel kann man dem Gebäude auch nicht mehr antun.

1945 enteignet, wurde es zunächst ein Parteizentrum, später sogar ein Nachtclub. Damals wurden in der Kuppel auch noch 2 Stockwerke eingezogen. Momentan laufen die Verhandlungen, ob das GEbäude an die evangelische Gemeinde zurückgegeben wird. Zieht sich aber ganz schön hin, der Pfarrer hat nachher gemeint, von seinem anfänglichen Enthusiasmus sei viel im serbischen System verloren gegangen.

Naja, zu den Kneipentischen: Das Gebäude dient derzeit als Vereinsheim für eine Folkloretanzgruppe. So ist die Sakristei auch gleichzeitig eine Bar. Das gute an dieser Nutzung sei aber, dass sie Sonntags nie tanzen, und man sich so nicht zu streiten bräuchte.

Nachdem wir die anderen (mussten zum Flughafen) verabschiedet haben, hat mich der Pfarrer noch im Auto bis heim gefahren. Und dabei von den Gemeinden in NOrdserbien erzählt. Wo er wann immer er kann, kleine Dörfer besucht, und einigen noch immer dort lebenden Deutschen (bzw. Deutschstämmigen) den ersten deutschsprachigen Gottesdienst seit 60 Jahren hält, was jedesmal sehr bewegend sein muss.

Naja, das war mal ganz was anderes, und auf seine Art wahrscheinlich mein bisher interessantestes Ostern...

Also nochmal: Frohe Ostern 😊


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13th April 2009

:-)
Na das klingt ja wirklich sehr spannend! Da warst du echt mal besser als ich. Ich kann nur sagen Ostern ohne Gottesdienst ist kein Ostern! Du hast alles richtig gemacht! :-) Lg Bärbel

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