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Published: September 26th 2009
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Almaty, 24. August 2009
Ein letztes Mal profitiere ich von den billigen, puenklichen und meist komfortablen chinesischen Zuegen, um mich in die Naehe der Grenze zu Kasachstan zu begeben. Als die Sonne ueber der Steppe aufgeht erreiche ich Jinghe, wo ich auf den Bus umsteige. Die zur Haelfte fertig gestellte Autobahn nach Yining fuert durch eine trockene Berglandschaft in Richtung Suedwesten. Auf der Passhoehe erreichen wir den Sayramsee. Das noerdliche Ufer ist sehr trocken, aber das suedliche ist der alpinen Landschaft der Schweiz sehr aehnlich. Hier hin kommen die halbnomadischen Kasachen aus dem Ili Tal im Sommer, um ihr Vieh weiden zu lassen. Im Grunde tun sie dasselbe wie die Schweizer Bergbauern, mit dem Unterschied, dass unsere Bergbauern in Alphuetten wohnen, die Kasachen aber in Jurten. Drei Naechte verbringe ich in diesen Zelten auf 2000 Meter ueber Meer. Vieles erinnert mich auch an Korea; das Sitzen auf einem erhoehten Boden und der niedrige Tisch, auf dem gegessen wird. Ich vermute, dass die gemeinsamen mongolischen Wurzeln der beiden Voelker diese Gemeinsamkeiten erklaeren. Auf Wanderungen in dieser so gewohnten Landschaft begegne ich Hirten mit Ziegen- und Schafsherden. Wo keine Strasse hinfuehrt bleibt das Pferd das geeignetste Transportmittel. Im Westen hinter den schneebedeckten
Bergen beginnt die kasachische Steppe, die sich bis an den Ural Fluss erstreckt, der die geographische Grenze zwischen Asien und Europa bildet.
Mit Sammeltaxis erreiche ich Khorgos, den Grenzort zu Kasachstan. Die Gesichter der Menschen haben sich veraendert. In Urumqi sah ich zum ersten Mal asiatische Gesichter mit kastanienbraunem Haar und blauen Augen. Nun stehe ich neben Russen, Uiguren, Kasachen und Chinesen in der Warteschlangen und lasse zum letzten Mal die Schikanen der chinesischen Beamten ueber mich ergehen: Schoen gerade in einer Reihe warten, Ruhe bitte, das Gepaeck bitte links neben dem Koerper halten. Die junge chinesische Grenzwaechterin scheint zum ersten Mal einen Schweizer Pass in den Haenden zu halten. Ihre Faszination fuer das rote Buechlein scheint dazu zu fuehren, dass sie mein Gepaeck weniger rigoros kontrolliert als dasjenige der anderen Reisenden. Auf der kasachischen Seite verlaufen die Formalitaeten ohne Probleme. Ein Reisebus mit defekter Klimaanlage und dementsprechend hoher Innenraumtemperatur bringt mich nach Almaty, wo ich erst in der Nacht ankomme. In einer Studentenunterkunft, in der sich seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion weder in der Hoeflichkeit gegenueber Kunden, noch in der Infrastruktur etwas veraendert zu haben scheint, bekomme ich ein billiges Bett. In meinem Zimmer sind ein Taiwanese, der
einem Deutschen seine Liebesgeschichte erklaert. Ich lasse sie reden und begebe mich, trotz der spaeten Stunde in ein Internetkaffee auf der anderen Strassenseite. Ich oeffne meine Mailbox mit all den vielen ungelesenen Email, und geniesse die wiedergewonnene virtuelle Freiheit (im Xinjiang war das gesammte Internet wegen den Unruhen vom 5. Juli blockiert gewesen).
Am naechsten Tag erkunde ich Almaty und habe das Gefuehl schon auf dem europaeischen Kontinent angekommen zu sein. Die Autos fahren im Vergleich zu China geordnet und halbwegs diszipliniert auf den Strassen, zwei Tramlinien haben ueberlebt, man laesst dem Fussgaenger den Vortritt und die Supermaerkte wirken sehr westlich. Almaty wurde von den Russen im 19. Jahrhundert an der Stelle auf den Ruinen einer ehemaligen Siedlung aus der Zeit der Seidenstrasse aufgebaut und war fast 70 Jahre lang die Hauptstadt Kasachastans. Die Stadt, deren Namen uebersetzt etwa “Stadt der Aepfel” heisst liegt am Fuss einer hohen Gebirgskette und hat dank dem Schmelzwasser der Gletschter ein aussergewoehnlich gruenes Stadtbild. Tatsaechlich vermutet man heute, dass der Apfel seinen Ursprung in dieser Region der Welt hat. Die Strassen sind im Schachbrettmuster angeordnet und steigen gegen Sueden an. Darauf fahren noch viele Ladas aus der Sowjetzeit und aeltere koreanische Busse, die
mich an meinen taeglichen Arbeitsweg in Seoul erinnern. Vom lokalen Hausberg Kok-Toebe kann man gen Norden die endlose Weite der Steppe betrachten und gen Sueden das alpine Panorama des Tian-Schan Massivs.
Bald nach meiner Ankunft beginne ich zu ueberlegen, wie es den mit meiner Reise weitergehen soll. Der Weg nach Europa fuehrt am Kaspischen Meer vorbei. Ich kann mich aber nicht entscheiden, ob ich es suedlich oder noerdlich umgehen, oder es gar ueberqueren soll. Je laenger ich die Argumente dafuer und dagegen gegeneinander abwege, desto mehr verliere ich mich in Gedanken und drehe ich mich im Kreis. Ich komme nicht auf einen gruenen Zweig. Schliesslich sind es die korrputen kasachischen Beamten, die mich davon abhalten mein usbekisches Visum auf dem Konsulat abzuholen. Ich beschliesse den direktesten Weg nach Europa zu nehmen und ein Visum durch Russland zu beantragen.
In der Studentenunterkunft stosse ich auf Menschen von allerlei Horizonten. Da ist Claudio, ein Reisender aus Deutschland mit langem Bart. Seit Jahren widmet er seine gesamte Zeit dem Reisen und verdient Geld nur um zu reisen. Er erzaehlt mir von seinen zwei Monaten, die er dieses Jahr in Afghanistan verbracht hat und ist mir mit seinen Russischkenntnissen behilflich. Ich treffe
wieder auf Kyle, ein Taiwanese, und Mark, ein Brite, die ich in Urumqi auf dem Kasachischen Konstulat kennenlernte. Mark ist mit seinem Fahrrad auf dem Weg von Urumqi nach England. Da ist auch Lee King Hin, ein Professor aus Hong Kong, der mit seinen riesig schweren Koffer voller Photomaterial nach Afghanistan will, um die Taliban zu treffen und Bilder und Berichte fuer seine Vorlesungen zu sammeln. Eines Abends trifft ein Franzose ein, dessen Name mir nicht mehr einfaellt. Als er von Marks Reiseplaenen erfaehrt, erzaehlt er uns, er habe in Kairo einen Radfahrer getroffen, der mit seinem Rad von Kairo nach Suedafrika reisen wollte. Am zweiten Tag seiner Reise wurde es ihm gestohlen. Am naechsten Tag wacht Mark auf und merkt, dass auch sein Fahrrad, das er im Treppenhaus abgestellt hatte, gestohlen wurde.
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