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Published: July 27th 2009
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Peking, Mittwoch 15. Juli 2009
Nach vier schoenen Monaten in Korea verlasse ich Seoul anfangs Juli. Schwer bepackt besteige ich ein letztes Mal die U-Bahn, die mich von der Station Sinchon ueber Sindorim an den Hafen in Incheon bringt. Auf der Faehre angekommen ist die Stimmung schon ziemlich chinesisch gepraegt. In allen Raeumen wird geraucht und gegessen. Kein Wunder, denn die Haelfte der Gaeste und der Besatzung sind Chinesen.
Auf dem Deck mache ich mit einem koreanischen Geschaeftsmann Bekanntschaft, der mit seinem "Junior" nach China auf Geschaeftsreise geht. Wir unterhalten uns ueber Korea, China und die Schweiz. Sie laden mich zum Abendessen ein. Danach trinken wir gemeinsam eine Flasche Schweizer Weisswein, die ich von der Schweizer Botschaft in Seoul als Abschiedsgeschenkt bekommen habe. Waehrenddessen zeigt das Fernsehen Roger Federer im Viertelfinal von Wimbeldon. Die Reise hat gut begonnen.
Am chinesischen Zoll im Hafen von Dandong (Liaoning Provinz) stehen die Leute in einer Schlange. Einige werden durchgewinkt, andere muessen warten. Erst nach einer Weile begreife ich, dass der Mann in Uniform mit seinem Geraet nach Schweinegrippepatienten Ausschau haelt. Mir wird dreimal der Durchgang verweigert, bevor sie mich in ein kleines Kaemmerchen winken, eine Maske um den Mund binden und
einen Thermometer unter die Achsel stecken. 36,5 Grad Celsius. "Okay", meint der Mann im weissen Kittel und laesst mich laufen.
Dandong ist eine kleine chinesische Stadt am Ufer des Yalu Flusses, der einen Grossteil der Grenze zwischen der Volksrepublik China und Nordkorea bildet. Beidseits des Flusses regiert eine kommunistische Partei. Gemeinsam haben die beiden Staaten 1953 die Amerikaner auf der koreanischen Halbinsel bekaempft. Wenn der Besucher aber heute am Ufer des Yalu steht, sieht er, dass sie nun verschiedene Wege gehen. Die eine Seite boomt mit Hochhaeusern, Hotels, Restaurants, Luxusautos und zahlreichen Touristen. Auf der anderen Flussseite, in der nordkoreanischen Grenzstadt Sinuiju, regt sich kaum etwas. An dessen Ufer stehen einige wenige zweistoeckige Bauten, weiter entfernt sind Schornsteine zu erkennen, die aber keinen Rauch ausstossen. Durch das Fernrohr erblickt man entlang des anderen Ufer Fischer bei der Arbeit. In der Nacht ist der Kontrast noch krasser. Die eine Seite ist total schwarz, waehrend auf der anderen die Lichter hell laeuchten und die Touristen den Sommerabend geniessen.
Dennoch ist der Bund der beiden ideologisch gleichgesinnten Laender in Form der grossen eisernen Bruecke ueber den Yalu klar ersichtlich. Dies ist die wichtigste Landverbindung Nordkoreas zur Aussenwelt. Von meinem Hotelzimmer kann
ich die Zollstation Dandongs beobachten. Jeden Morgen passieren dutzende von Lastwagen diese Stelle in Richtung Nordkorea. Ob Kim Jong Ils Cogniac und Mercedes hier durch nach Pjongjang gelangen?
Mit dem Zug reise ich weiter nach Shenyang und Shanhaiguan, wo ich je einen Ruhetag einlege und die Sehenswuerdigkeiten besichtige. Ich reise in der 2. Klasse. Die Chinesen sind Anfangs relativ zurueckhaltend. Mit der Zeit koennen Sie es aber nicht lassen, Fragen zu stellen, oder meine chinesische Karte auf Deutsch zu studieren. Man bietet mir Getraenke und Snacks an. Das gekochte Ei nehme ich nach etwas zoegern dankend an. Es schmeckt besser als es aussieht. Die Huehnerfuesse, die der Mann neben mir genuesslich verzerrt, moegen aber meinen Appetit beim besten Willen nicht anregen.
Wie in Korea, verbringen auch in China viele Jugendliche ihre Freizeit in sogenannten "Wangbas". In Korea heissen sie "PC Bang", was soviel wie PC Raum heisst. Dies sind eigentlich Internet Cafes. Sie werden aber in erster Linie fuer Computerspiele ueber das Computernetzwerk benutzt. Die Luft ist meistens mit Zigarettenrauch gefuellt, die Tastatur klebt nicht selten an den Fingern und die Geraeusche erinnern an einen Kriegsfilm. Eines Abends erfahre ich in so einem Lokal von den Unruhen im
Westen Chinas. Diese Region liegt auf meiner Reiseroute. Facebook steht ploetzlich nicht mehr zur Verfuegung und bleibt bis heute blockiert. Wikipedia ist nicht leicht zu erreichen. Hingegen bleiben die englische Version der BBC und die NZZ mit kleinen Unterbruechen zugaenglich, was mich etwas erstaunt. Irritiert ueberlege ich mir alternative Reiserouten ueber die Mongolei und Russland. In meiner Unentschlossenheit entscheide ich vorerst einfach mal weiter Richtung Westen zu reisen.
Nach einer Woche erreiche ich die Hauptstadt Peking. Sie ueberascht mich mit ihrer Sauberkeit und Ordentlichkeit. Dies ist wohl den Olympischen Spielen vom letzten Jahr zu verdanken. Ich quartiere mich in einer der vielen Jugendherbergen ein und besichtige den Kaiserpalast, den Tianmenplatz, die Grosse Mauer im Norden der Stadt und die vielen Hutongs. Eines der genialsten Dinge in dieser Stadt sind die Fahrradstreifen, die so breit sind wie bei uns Busspuren. Und sie werden von den Bewohnern der Stadt rege benutzt. Ein wahres Vergnuegen fuer Fahrradliebhaber. Ansonsten ist der Verkehr weniger chaotisch als in anderen chinesischen Staedten und weniger agressiv als in Seoul.
Im “Silk market” im Osten des Zentrums decke ich mich mit Utensilien fuer meine Weiterreise ein. Ich lerne, hart die Preise zu verhandeln, etwas was ich bisher
schlecht beherrschte. Trotzdem habe ich am Ende das Gefuehl, dass ein Chinese sicherlich einen tieferen Preis bezahlt haette. Wo es viele Touristen gibt, schrecken die Haendler nicht zurueck einfach mal das Zehnfache des normalen Preis zu verlangen. Dabei profitieren sie von der Unwissenheit des Fremden. Das schlimme daran ist, dass es nicht selten funktioniert. Die wahren Preise bekommt man dort, wo nie ein Tourist hingeht.
Ich verlasse Peking nach sieben Tagen in Richtung der Inneren Mongolei. Am Abend vor der Abfahrt habe ich das Gefuehl nichts von der Stadt gesehen zu haben. Beim Einbruch der Dunkelheit gehe ich die Lichtspiele im Olympischen Park im Norden der Stadt anschauen. Am naechsten Tag betrete ich den Bahnsteig am riesigen Westbahnhofs Pekings. Ich stehe vor einem gruenen Bahnwagon der aelteren Generation, vollgestopft mit Menschen und ohne Klimaanlage bei vermutlich ungefaehr 30 Grad Celsius Lufttemperatur. Mir kommen Zweifel auf, ob ich die zehnstuendige Fahrt nach Hohhot eine angenehme Angelegenheit wird. Ich steige dennoch ein mit dem Wissen, jederzeit den Wagen am naechsten Bahnhof verlassen zu koennen.
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