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August 24th 2010
Published: August 25th 2010
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klein aber ohoklein aber ohoklein aber oho

das ERH im Morgenlicht
Wir befinden uns bereits in der letzten Woche unseres Praktikums auf der Notfallstation im ERH. Höchste Zeit also, ein wenig über unsere Arbeit in diesem kleinen Spital zu erzählen. Als kleine Randbemerkung möchte ich vorausschicken, dass ich darauf verzichtet habe, alle medizinischen Ausdrücke auszuführen...

Wie ich bereits in einem der letzten Blogeinträge erzählt habe, können Barbara und ich hier in kurzer Zeit sehr viel profitieren und lernen. Dies ist einerseits bedingt durch das gute Teaching und die Tatsache, dass wir hier als Studenten Vieles selbständig tun dürfen, andererseits aber auch durch die Vielzahl an Krankheiten, welche in der Schweiz entweder selten bis gar nie anzutreffen sind oder dann schon in einem viel früheren Stadium behandelt werden.
Im Triageraum werden die Patienten zuerst durch das Pflegepersonal in vier Gruppen eingeteilt: je nach Akuität in grün, gelb, orange oder rot. Die Krankenakte („folder“) mit einer Kurzanamnese sowie den wichtigsten (Vital-)Parametern werden dann auf einem Blatt vermerkt und in Boxen abgelegt, von wo sie dann von den Studenten oder Ärzten genommen werden. Die Arbeit von uns Studenten besteht dann darin, dass wir eine umfassende Anamnese und Untersuchung eines Patienten durchführen und ihn dann mit einem Vorschlag für weitere diagnostische Massnahmen (Labor, Ultraschall, Röntgen,
Women's DayWomen's DayWomen's Day

Ein Tag, an dem Frauen mit Massage, Knabbereien, Modeberatungen, etc. verwoehnt werden...
etc.) und ev. einem Therapievorschlag einem Arzt vorstellen. Nach dem Prinzip „see one - do one - teach one“ darf ein Student fast alles machen, was er sich zutraut und da Pleurapunktionen, Lumbalpunktionen, Reanimationen, Wundnähte, etc. hier keine Seltenheit sind, bietet sich auch genügend oft die Gelegenheit, Neues zu lernen.

Die Patienten im ERH sind zum allergrössten Teil dunkelhäutig und stammen aus der südafrikanischen Mittelschicht. Oft sind sie sehr geduldig und warten stundenlang, bis sie von einem Arzt oder Studenten gesehen werden. Wenn letzteres der Fall ist, warten sie sogar noch etwas länger, da die Arbeit von uns Studenten natürlich noch von einem Arzt abgesegnet werden muss. Auch was die Schmerzgrenze der Patienten betrifft, ist man hier gar nicht zimperlich mit sich, denn viele Patienten kommen erst, wenn die Krankheit sie schon stark in ihren alltäglichen Aktivitäten einschränkt. Vom Alterspektrum her sehen wir vom Säugling bis zum Greis alles, allerdings fällt auf, dass der Altersdurchschnitt deutlich geringer ist als in der Schweiz. Bedingt durch die hohe HIV-Rate liegt die Lebenserwartung in der Bevölkerung Südafrikas nämlich bei erschreckenden 36 Jahren! Die Sprache ist glücklicherweise keine allzu grosse Barriere, da die meisten Leute hier neben Afrikaans oder Xhosa auch Englisch sprechen.
HIV Quick-TestHIV Quick-TestHIV Quick-Test

einer der am haeufigsten verwendeten Tests... leider!

Die Krankheitsbilder sind vielfältig, sehr oft aber geprägt durch das HIV, von welchem gut ein Drittel aller Südafrikaner befallen sind. Am häufigsten vergesellschaftet mit HIV/AIDS ist die Tuberkulose, die wir täglich sehen und die sogar häufiger anzutreffen ist als eine Pneumonie (Lungenentzündung). Die Durchseuchung ist derart hoch, dass bei jedem Patienten nach seinem HIV-Status gefragt wird und der HIV-Quicktest standardmässig bei jedem fünften Patienten durchgeführt wird. Auch bei einem Husten mit Fieber steht nicht eine Pneumonie an erster Stelle auf der Liste möglicher Differentialdiagnosen, sondern eben eine Tbc. Ganz besonders gefürchtet ist hier die MDR-Tbc (MDR für „multiple drug resistance“), die für den Patienten meist das Todesurteil bedeutet, da es keine Antibiotika gibt, welche die Krankheit erfolgreich bekämpfen. Neben diesen zwei Krankheiten, von denen die HIV-Infektion oft nur eine Nebendiagnose ist, sind Asthmaanfälle (oft als Status asthmaticus), diabetische Ketoazidosen, epileptische Anfälle, Menigitiden, Psychosen und Überdosen („ODs“ wie sie hier genannt werden) auch keine Seltenheit. Allerdings konnten wir bisher auch Raritäten wie beispielsweise ein Waterhouse-Friedrichsen -Syndrom sehen, was auch hier selten anzutreffen ist und möglicherweise das erste und letzte Mal gewesen sein wird, dass wir so etwas überhaupt sehen.

Wie bereits erwähnt sind die Patienten hier alles andere als wehleidig.
WundnahtWundnahtWundnaht

zwei Medizinstudenten am Werk
Allerdings dürfen sie das auch nicht sein, denn oft geht man hier ziemlich grob mit ihnen um. Als psychosomatisch geübte Schweizer Medizinstudenten, aber auch als Menschen mit einem anderen Verständnis von Empathie und Umgang mit kranken Menschen, ist es so oft nicht ganz einfach mitanzusehen, dass man Menschen leiden lässt, obwohl man mit einer guten Schmerztherapie oder einer besser ausgebauten Palliativmedizin viel Leiden vermindern könnte.
Auch gegenüber dem Tod hat man hier eine andere Einstellung und nimmt diesen „gelassener“, in unseren Augen kaltherzig entgegen. So haben wir in den vergangenen drei Wochen mehrere Menschen erlebt (meist AIDS im Endstadium), die man allein und ohne Begleitung hat sterben lassen, vom nächsten Patienten lediglich durch einen Vorhang getrennt. Nach einigen Stunden wird der Leichnahm dann in Plastik oder ein paar Tücher eingehüllt und abtransportiert. Auch ein Neugeborenes, welches von seiner HIV-positiven Mutter tot auf dem Notfall zur Welt kam, wollte man einfach in den Ausguss legen, bis es von dort abgeholt wurde... Leider gäbe es noch mehr solcher traurigen Beispiele...
Verhütung ist für viele Menschen noch immer ein Fremdwort, was sich nicht nur in der extrem hohen HIV-Prävalenz, sondern auch in den vielen ungeplanten Schwangerschafen bei oft noch sehr jungen Frauen äussert.
White BoardWhite BoardWhite Board

ändert sich in "busy" Zeiten alle paar Minuten
Obwohl auf der Strasse mit kleinen Inseraten für billige Abtreibungen geworben wird, ist dies für viele Frauen keine Option. Viele von Ihnen fügen sich ihrem Schicksal und tragen ihre Kinder aus, obwohl oft kein Vater mehr in Sicht ist. Unterstützung erhalten sie daher meist von ihren eigenen Müttern. Solche Frauen sorgen zwar für ihre Kinder, zeigen aber oft auch einen für uns befremdenden emotionalen Abstand, wenn ihr Kind schwer krank ist oder einen schmerzhaften Eingriff wie eine Blutentnahme über sich ergehen lassen muss.

Dies als Kurzfassung unserer Erfahrungen im Eerster Rivier Hospital. Beim nächsten Blogeintrag werden Barbara und ich schon auf der Garden Route unterwegs sein.


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Resuscitation RoomResuscitation Room
Resuscitation Room

Hier werden Patienten mit lebensgefaehrlichen Verletzungen oder Erkrankungen behandelt sowie kleinere operative Eingriffe durchgefuehrt.
LaborLabor
Labor

wird hier von Aerzten und Studenten selbst erledigt
Notfall KojenNotfall Kojen
Notfall Kojen

Hier werden die Patienten untersucht und behandelt.
Casualty CrewCasualty Crew
Casualty Crew

ein lehrreicher Monat geht zu Ende...


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