In der Stadt des Friedens und der dicken Pfannkuchen


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March 25th 2015
Published: March 25th 2015
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"Mögen alle Seelen hier in Frieden ruhen, denn wir werden die Katastrophe nie mehr zulassen" steht auf dem Steinsarkophag eingraviert, der in Hiroshimas Peace Memorial Parc stellvertretend für alle die, deren leibliche Überreste niemals beerdigt werden konnten, aufgebahrt steht.

Als ich von meinem Hotel, direkt gegenüber des Peace Memorial Parc, bei strahlendem Sonnenschein über den Fluss spaziere, sehe ich erst nur eine riesige wunderschöne Parkanlage aber je näher ich dem Mahnmal komme, umso beklemmender wird die Atmosphäre. Und als ich schließlich vor dem - zugegebenermaßen nicht wirklich hübschen - Betonbogen stehe, unter dem der Steinsarkophag steht und durch den man in einer Sichtachse die "Flamme des Friedens" (die erst gelöscht werden soll wenn die letzte Atomwaffe der Welt vernichtet ist) und den "A-Bomb-Dome" sehen kann, habe ich wirklich einen Kloß im Hals. Links weht die japanische Fahne und in den Boden ist auf mehreren Steinplatten ein Text eingraviert, auf denen unter anderem die deutsche Übersetzung der Inschrift auf dem Sarg zu lesen ist. Hier ist es also gewesen, der Ort an dem am 6.8.1945 der erste Atombombenangriff der Weltgeschichte stattfand und innerhalb von Sekunden in einem Radius von 2000 m fast alle Gebäude ausradierte, hundertausende Menschen verwundete, entstellte und tötete und eine klaffende Wunde in eine Stadt riss, deren Name bis heute weltweit mit diesem Grauen verknüpft wird. Im Park verteilt gibt es etliche Mahnmale: für die Kinder der beiden nahe des Epizentrums der Bombe gelegenen Schulen, für die getöteten koreanischen Zwangsarbeiter im zweiten Weltkrieg, für die Schüler, die zu Arbeiten im Namen des Krieges mobilisiert wurden, für alle Opfer, deren Leichnam nie gefunden wurde und deren Schicksal für immer unklar bleibt. Keines davon ist aus meiner Sicht ästhetisch gelungen aber dennoch ergreift mich dieser Ort und so wandere ich ein wenig herum. Als ich eine Japanerin bitte, ein Bild zu machen sagt sie "one two three, smile" vermutlich weil es die einzigen Worte sind, die sie auf englisch kennt, aber es könnte gerade keinen unpassenderen Ort geben um zu Lächeln.

Das A-Bomb-Dome, eines der wenigen Gebäude, das nahe des Epizentrums in Ruinen stehen blieb und heute das berühmteste Gebäude der Stadt ist, ist derzeit leider auf Grund einer Untersuchung zu seiner Stabilität eingerüstet.

Dennoch ist und bleibt es ein eindrucksvolles Zeitzeugnis und drum herum sind viele Informationstafeln ausgestellt. Ich besuche auch die Halle des Friedens und der Erinnerung, ein Gang führt hier in eine unterirdische Halle, in
Papierkraniche am Children's MemorialPapierkraniche am Children's MemorialPapierkraniche am Children's Memorial

Der Kranich steht für Langlebigkeit und Lebensglück. Ein. Mädchen dass in Folge des Atomangriffs an Leukämie erkrankte, träumte davon, dass sie gesund werden würde wenn sie 1000 Kraniche falten würde. Sie starb dennoch. Seitdem werden hier Papierkraniche aus aller Welt gespendet in Erinnerung an sie und all die anderen...
der gedämpftes Licht herrscht, ein Brunnen plätschert und 145.000 Steinkacheln ein Mosaik der alten Stadtansicht von Hiroshima bilden, so viele wie Opfer des Atomangriffs bis zum Jahresende 1945 bekannt wurden. Außerdem gibt es eine Wand mit den Namen, Bildern und einigen Informationen zu mehr als 20.000 registrierten Opfern des Angriffes, auch solcher, die erst Jahre danach an den Spätfolgen starben. In einem weiteren Raum läuft ein Film, bei dem Passagen aus dem Buch "die Kinder von Hiroshima" vorgelesen werden. Es ist eine Sammlung von Essays, die Schulkinder über ihre Erfahrungen am Tag des Atomangriffs geschrieben haben und sehr ergreifend. Und zu guter Letzt gehe ich noch ins Peace Memorial Museum (alles heisst hier irgendwie mit " Frieden"- , als ob man den erlangen könnte wenn man das Wort nur oft genug benutzt). Was es dort zu sehen gibt sind Zeugnisse eines unfassbaren Grauens: Bilder von verstümmelten und verbrannten Opfern, denen die Haut in Fetzen herunter hängt, blutgetränkte und zerrissene Schuluniformen, deformierte Glasflaschen, Dachziegel, Stahlträger und immer wieder viele Geschichten hinter den Gegenständen und Bildern, die die dazu gehörenden Einzelschicksale in Texten, Videos oder Bilderfolgen beschreiben. Zum Beispiel die Geschichte eines Babys, das 5 Monate nach dem Angriff geboren wurde und
A-Bomb-DomeA-Bomb-DomeA-Bomb-Dome

Alle 3 jahre wird eine Untersuchung bzgl. der Bausubstanz gemacht, daher das Gerüst
durch die Strahlung im Mutterleib enorme Behinderungen davon getragen hat. Aber auch die Geschichten von Helden, wie einem Arzt, der die medizinische Erst-Versorgung sichergestellt und koordiniert hat und Hilfsgüter und Medikamente zu tausenden herbeigeschafft hat. Dazu gibt es viele wissenschaftliche Hintergrundinformationen zur Entstehung und Wirkungsweise von Atomwaffen und den Folgen, die radioaktive Strahlung auf die menschliche Entwicklung hat. Es ist sicherlich kein Ort, für jemanden mit schwachem Magen und durch einen Großteil des Museums laufe ich mit einem riesigen Kloß im Hals. Es ist einer dieser Orte, den man nicht mehr als der Mensch verlässt, als der man hergekommen ist - wie das Tuol Sleng-Gefängnis in Kambodscha oder das Holocaust Museum in Jerusalem - und jeder Staatschef, dessen Land derzeit Atomwaffen vorhält, sollte hier herkommen und sich mit eigenen Augen anschauen, was dieses Zeug für eine entsetzliche Wirkung entfaltet.

Ich bin froh, dass ich hier gewesen bin aber der Nachmittag fällt mit Sicherheit nicht unter die Kategorie "Happy Sightseeing".

Für den Abend nehme ich mir vor, die lokale Spezialität "okonomiyaki" zu probieren, eine Art salziger Pfannkuchen den es mit verschiedenen Füllungen zu bestellen gibt.

Ich folge einem Tipp aus dem Lonely Planet zu einem dreistöckigen Haus im Ausgehviertel, in dem sich in jedem Stockwerk mehrere Okonomiyaki-Küchen befinden. Es riecht schon verführerisch und da ich seit meinem kleinen Frühstück heute früh im Bus nichts mehr gegessen habe, nehme ich schnell Platz im erstbesten Lokal. Es ist im Endeffekt ein riesiger hufeisenförmiger Tresen, der aus einer heißen Kochplatte besteht und an dem die Gäste auf der Außenseite Platz nehmen, während die Küche sich innerhalb befindet. Hier bekommt man dann vor seinen Augen den dick belegten Pfannkuchen zubereitet und dann hingeschoben und bedient sich direkt von der Platte. Ich zeige auf etwas, was die Jungs neben mir essen und was aussieht als wäre es Seafood. Und jetzt kann ich zusehen, wie mein Okonomiyaki zubereitet wird. Ich habe versucht mir alle Schritte zu merken, aber es war schwierig. Zuerst wird der Pfannkuchenteig gemacht. Darauf kommt dann eine dicke Schicht Kohl, dann Sprossen, Frühlingszwiebeln und gehackte Erdnüsse. Dann wird ein Nest aus dicken Nudeln angebraten, mit einem Ei versetzt, es kommt Rettich oben drauf und eine dicke braune Soße darüber. Die Nudeln kommen auf den Pfannkuchen, das ganze wird nochmal umgedreht und von der andereen. Seite gebraten und darauf kommt dann das Topping deiner Wahl, in meinem Fall 5 riesige angebratene Miesmuscheln...oder
Floating ToriiFloating ToriiFloating Torii

Miyajima Island
es könnten sogar Austern sein, für die ist die Region hier nämlich auch bekannt. Andere Varianten beinhalten Käse und Bacon, Rindfleisch oder Tintenfisch. In Viertel geschnitten wird mir das Ganze vorgesetzt und ich versuche vergeblich, es elegant mit den Stäbchen in den Mund zu bekommen obwohl man sogar eine Art Schieber dazu bekommt. Zum Glück geht es allen anderen auch so und ich mache mir ausnahmsweise wenig Sorgen, gegen irgendwelche Essens-Regeln zu verstoßen indem ich auch mal die Finger zur Hilfe nehme.

Am nächsten Morgen frühstücke ich im 14. Stock meines Hotels mit herrlichem Blick auf den Peace Memorial Park und mache mich dann auf die 1,5-stündige Fahrt nach Miyajima Island, einer kleinen vorgelagerten Insel, die eines der meistfotografiertesten Objekte Japans beherbergt: das "Floating Torii", ein riesiges im Meer stehendes Tor, das zu einem Tempelkomplex am Ufer der Insel gehört.

In der Straßenbahn lerne ich Maurice aus der Schweiz kennen und wir verbringen ein paar Stunden damit, über die Insel zu streunen, bevor die Touristenmassen eintrudeln. Hauptattraktion neben dem wirklich sehr fotogenen Torii sind die zahmen Rehe, die überall auf der Insel rumlaufen, rumliegen und alles anknabbern, was ihnen zu Nahe kommt. Natürlich soll man sie nicht füttern
Buddha- PfadBuddha- PfadBuddha- Pfad

Miyajima Island
und natürlich hält sich niemand daran. Es gibt außerdem ein paar hübsche kleine Straßen und einen Tempel in einer wunderschönen Gartenanlage, in der hunderte kleine Buddha-Figuren, die alle anders aussehen, den Wegesrand säumen. Gerade so bekomme ich dann gegen 14 Uhr meinen Zug nach Onomichi, einem kleinen Ort an der Küstenlinie zwischen Hiroshima und Okayama, wo mich meine Freundin Miyuki abholt. Sie arbeitet hier in einem super schicken Ressort-Hotel als Restaurantleiterin und da sie praktischerweise den Manager des Ressorts datet, hat sie mir dort eine kostenlose Nacht organisiert. Wir gehen aber erst noch ein bisschen Onomichi erkunden, eine alte verschlafene Hafenstadt mit vielen kleinen Cafés und Läden. Wir fahren mit einer Seilbahn auf einen der vielen Hügel, auf denen die Stadt verteilt ist und die das gesamte Hinterland und auch die vorgelagerten Inseln säumen. Oben hat man eine tolle Sicht und es gibt mal wieder einen Tempel und es gäbe- wenn ich nicht etwas zu früh für die Kirschblüte wäre- auch einen riesigen Kirschbaumgarten. Ein paar wenige frühe Bäume blühen schon aber ich kann mir vorstellen, wie toll es hier aussieht, wenn alles blüht. Wir trinken noch einen Tee und fahren dann gegen 18 Uhr etwa eine halbe Stunde aus der Stadt raus, wo das Bella Vista Ressort auf einem Hügel an der Küstenlinie thront. Draussen wurde extra für mich neben der japanischen eine deutsche Flagge gehisst und als wir reinkommen erwartet Miyuki's Freund Kiju uns schon für eine Hausführung. Der Blick auf das Meer und die vorgelagerten Inseln mit der gerade untergehenden Sonne ist wirklich eine Bella Vista und die ganze Anlage höchst geschmackvoll und luxuriös. Es gibt einen riesigen Loungebereich mit bodentiefen Fenstern zur Bucht hinaus, eine traumhafte Holzdielenterrasse mit kleinen Sitzecken und Couches, die um brennende Feuerschalen stehen, ein schickes Spa mit Innen- und Außenbereich und ein japanisches Restaurant mit Blick auf einen kleinen Garten. Mein Zimmer ist eine Wucht, ich habe ein riesiges Bad mit bodentiefer Dusche und einer Badewanne in die 3 Personen passen würden, einen kleinen Balkon mit Meerblick und eine Fensterfront, durch die man vom Bett den Sonnenuntergang sehen könnte. Dazu jede Menge elektronischen Schnickschnack, eine super durchgestylte Designeinrichtung und richtig viel Platz. Ich bin echt sprachlos, Miyuki hatte zwar erwähnt, dass ihr Hotel "quite nice" ist, aber das ist wirklich die schlimmste Untertreibung, die ich je gehört habe. Bevor Kiju uns zum Essen nach Fukuyama ausführt, habe ich noch eine Stunde und springe schnell ins Onsen, das ich um diese Uhrzeit ganz für mich alleine habe.

Dann fahren wir in die Stadt und essen typisch japanisch zu Abend. Ich hatte mir Meeresfrüchte gewünscht und so serviert man uns den ganzen Abend aus allerlei kleinen Schüsselchen und Töpfen alles was das Meer zu bieten hat. Dazu noch Omelett und einen Hotpot mit Gemüse und Pilzen und hausgemachtes, cremiges Tofu, das man mit Frühlingszwiebeln und irgendetwas fischigem salzigen bestreut und lauwarm löffelt. Dazu bestellt Kiju einen deutschen Riesling aus Grünstadt und es wird ein ziemlich langer und guter Abend, der damit endet, dass ich trotz aller Proteste auch noch zum Essen eingeladen werde und Kiju mir die Taxifahrt ins Hotel zurück bezahlt, da er und Miyuki in Fukuyama bleiben, wo beide wohnen. Ich bin so erledigt dass ich auf der halbstündigen Fahrt im Taxi einschlafe und auch am nächsten morgen erstmal ausschlafe. Beim Frühstück werde ich wieder wie eine Königin behandelt und gehe dann nochmal ein wenig ins Spa, genieße bei einem frischen Orangensaft den Blick von der Lounge auf die Bucht und werde gegen Mittag von Miyuki wieder abgeholt, die heute frei hat und noch ziemlich verkatert ist. Es war ein Luxus-Aufenthalt, wie ich ihn glaube ich noch nie erlebt habe und ich weiß garnicht, wie ich den beiden danken soll. Miyuki und ich gehen noch ein bisschen in einem schönen Zen-Garten spazieren und essen eine Suppe, die ich wenigstens bezahlen darf, bevor ich um Punkt 14.59 Uhr den Shinkansen nach Tokio besteige, der mich in 3,5 Stunden einmal durchs halbe Land befördern wird.

Für die letzte Station meiner Reise habe ich ein so genanntes Kapselhotel gefunden und werde nach dieser Suite-Übernachtung beim Besteigen meines für die nächsten 7 Nächte gebuchten "Schlafsarges " ( = Zimmers) wohl einen mittleren Schock bekommen.



Was mir in Japan sonst noch alles auffällt:

Wenn man ein Taxi bucht, weil man zu viel getrunken hat, kann man hier auch gleich für einen geringen Aufpreis (obwohl ich nicht genau weiß, was in Kiju's Maßstäben "gering" bedeutet) noch einen Fahrer hinzubuchen, der dann das eigene Auto, dem Taxi folgend, nach Hause bringt. Sehr praktisch und durchaus üblich wie mir Miyuki versichert.

Verkehrte Welt beim Rauchen: während es sich im Rest der Welt mehr und mehr durchzusetzen scheint, dass man in öffentlichen Gebäuden, in Hotels, Zügen und Restaurants nicht mehr rauchen darf, ist das in Japan noch erlaubt. In. Zügen gibt es sogar eigene Raucherabteile, wo man fast keine Zigarette mehr braucht um sich seine Nikotin-Dosis zu holen, weil man vor lauter Qualm nichts mehr sehen kann. Dafür ist das Rauchen auf der Straße in Parks etc., also unter freiem Himmel, an vielen Orten verboten!! Manche Japaner haben deshalb kleine "Taschenaschenbecher" mit einer Klappe, in die sie dann heimlich aschen und ihre Kippe entsorgen und den sie dann wieder einstecken.

Alles ist irgendwie kleiner hier. Die Japanerinnen haben niedliche kleine Füße um die ich sie echt beneide; die Autos sind so klein wie möglich, damit man in den Städten durch die engen Gassen kommt und quasi auf seiner Veranda parken kann. Auch die Hotel- und Hostelzimmer (mit Ausnahme des letzten) sind sehr "platzsparend". Die beiden Letzteren kann man ja noch mit dem überall herrschenden Platzmangel in diesem Land erklären. Aber wirklich irritierend finde ich die klitzekleinen Handtücher, die nur etwa eine Unterarmlänge breit und vielleicht 60 cm lang (und so dick wie ein Stofftaschentuch) sind. Mit denen gehen die Japaner tatsächlich duschen. Wie trocknen die sich mit diesen dünnen Mini-Lumpen ab? Aber da es die Dinger überall zu kaufen gibt und auch in den Hostels reihenweise solche Teile über den Trockenständern hingen, scheint es einen Markt dafür zu geben. Gehen die mit sowas auch in die Sauna?

Update: habe den ersten dicken Japaner und den ersten Blinden gesehen! Es gibt sie also doch.


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A-Bomb-DomeA-Bomb-Dome
A-Bomb-Dome

Hiroshima
Peace Memorial HiroshimaPeace Memorial Hiroshima
Peace Memorial Hiroshima

Hier mit Blick auf die Flamme des Friedens und das A-Bomb-Dome
Peace Memorial MuseumPeace Memorial Museum
Peace Memorial Museum

Konstruierte Sicht aus dem zerstörten A-Dome am 06.08.1945
Miyajima IslandMiyajima Island
Miyajima Island

Das gechillteste Reh auf der. Insel
Zen-Garten Zen-Garten
Zen-Garten

Onomichi/Fukuyama


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