Warten kann ich gut

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Endlich, nach läppischen 3 Monaten Streik, hat nun auch die Polícia Federal ihre Arbeit wieder aufgenommen. Das heißt ich konnte mich heute auch endlich ganz offiziell anmelden, obwohl meine 30 Tage Frist ja schon längst abgelaufen sind und meine Gastfamilie bereits Scherze gemacht hat von wegen sie machen sich ja strafbar ne illegale Einwanderin bei sich zu verstecken 😊

Ja, nun war ich extra schon kurz nach 7 bei der PF, also eine Stunde vor den offiziellen Sprechzeiten, um nicht so viele Leute vor mir zu haben und das Ganze schnell hinter mich zu bringen. Ist ja nicht so, dass ich seit fast 3 Monaten darauf warte, das zu erledigen. Aber als ich ankam war der Wartebereich schon voll. Anscheinend sind aber viele zu zweit gekommen und es sah nur deshalb so voll aus, immerhin habe ich die Nummer 8 bekommen. Ist ja alles halb so schlimm dachte ich mir. Kurz vor 8 wurden wir dann in einen anderen Warteraum geschickt, der sich dank Klimaanlage wie ein Kühlschrank anfühlte, aber von dem aus man immerhin direkt aufgerufen wurde. Denkste. Eine weitere Stunde später - halb tiefgefroren und mit Steißschmerzen (ja, mein kleiner Unfall in Natal ist immer noch spürbar, wenn auch schon nicht mehr ganz so schlimm) - waren gerade mal 2!! Leute durch.... Ich hab echt gedacht, das kann nicht der Ernst sein. Die nächsten Leute wurden dann jedoch wider Erwarten relativ schnell abgefertigt, sodass ich auch bald dran war. Habe dem Typen alle meine gesammelten Dokumente inkl. Pass übergeben, mit denen er mit dem Kommentar "Nur einen Moment!" im Hinterzimmer verschwand. Dass man brasilianische Zeitangaben nicht wörtlich nehmen und stattdessen lieber großzügig bemessen sollte, habe ich ja schon gelernt. Aber dieser "Moment" auf dem Amt hat dann doch über eine Stunde gedauert. Eine Stunde, in der ich einsam auf dem Stuhl vor einem Beamtenschreibtisch saß, ohne Pass, ohne zu wissen was passieren wird, ohne zu wissen ob und wann ich dort wieder rauskomme.

Als der nette Herr dann doch endlich zurückkam, drückte er mir einen Zettel in die Hand, mit dem er mich wiederum in ein anderes Büro schickte, wo mir die Fingerabdrücke abgenommen wurden. Erst alle zusammen, dann noch mal jeden Finger einzeln... Hab mich gefühlt wie ein Verbrecher. Und zum Schluss noch ein Daumenabdruck auf das Formular was ich mitbringen musste. Echt wie im Krimi :D Mit dem Fingerabdruckformular musste ich wieder zu meinem netten Sachbearbeiter zurück, der aber scheinbar gerade Kaffeepause machte oder so, jedenfall war er wieder im Hinterzimmer verschollen und obwohl er wusste, dass ich auf ihn warte, hat er sich nicht herausbemüht. Irgendwann kam er dann doch, hat mir meinen vorläufigen Ausweis und meinen um einige Stempel reicheren Pass übergeben und gesagt, der richtige Ausweis sei in 2-3 Monaten fertig und ich soll doch einfach herkommen um danach zu fragen. Ich glaube ja, ich rufe lieber an, bevor ich den einstündigen Weg zur PF umsonst auf mich nehme, denn an die 2-3 Monate glaube ich bei dem Arbeitstempo hier ehrlich gesagt nicht.

Abgesehen davon muss ich im Januar schon wieder zur Polizei um mein Visum zu verlängern, da ich ja nun dank der ganzen Streiks länger als geplant in Brasilien bleiben werde. Vielleicht kann ich da ja im gleichen Atemzug meinen Ausweis abholen :D

Also wie man sieht, übe ich mich im Warten. Warten auf das nächste Streikende. Warten auf den Semesterbeginn. Warten auf Informationen aus der Uni. Warten auf Brasilianer mit denen man verabredet ist. Warten auf einen Stempel usw. Mitllerweile bin ich glaube ich ganz gut darin, immerhin bin ich dauerhaft darauf eingestellt und mittlerweile habe ich mir meine Beschäftigungen gesucht: Ich trage meist ein Buch oder was zum Schreiben bei mir. Oder wenn ich zu Hause warte habe ich neuerdings wieder was um gleich meine Sucht zu befriedigen: Strickzeug!! Habe sogar trotz der Unangemessenheit von Wolle bei dieser Hitze ein sinnvolles Projekt. Ich stricke einen Schal für Paulo, weil er doch Ende November für 7 Wochen nach Deutschland fährt und das völlig blauäugig was den deutschen Winter betrifft. Und wenn er schon nicht auf meine diesbezüglichen Ratschläge und Warnungen hören will bekommt er wenigstens was Warmes um den Hals. So!

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Comments

[johannes]

das kenne ich
solche einstüdigen momente kenne ich. man gewöhnt sich daran und mit der zeit regt man sich nicht mehr drüber auf. gut, das ich in dieser hinsicht schon mal vorbereitet bin... vielleicht erhälst du den ausweis zu weihnachten 2013 in bremen per post? gruß johannes