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Published: October 14th 2012
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Als ich im März meine Freunde in den Golan-Höhen besuchte, war die Spitze des Hermon, des höchsten Berges, in Schnee getunkt. Das Wasser im Jordan war eisig. Die Strömung teilweise gefährlich. Die Hügel saftig grün, mit bunten Blumen betupft. "Wenn du wieder kommst, wird das anders sein", hat mich Tamar damals gewarnt. "Dann ist alles gelb." Für mich war das schwer vorstellbar und somit war ich umso überraschter, fast entsetzt sogar, als ich meinen geliebten grünen Norden an Liors Jungesellinnenabschied erstmals nach Wasser lechzen sah. Das grüne Gras ward zu vertrocknetem Gestrüpp, dass gerne Beine piekst. Der Hermon schien nackt, ohne sein weißes Kleid. Als ich aber nach einiger Zeit im Zentrum zurückkam, war ich aufs neue verliebt. In Gold.
Eines der schönsten Dinge in der Region, losgelöst von der Färbung der Hügellandschaft, sind die Vögel. Das Naturreservat
Agmon Ha Hula ist einer der Hauptzwischenstopps für allerlei Federvieh auf dem Zug zwischen Europa, Afrika und Asien. Geschätzte 500 Millionen Zugvögel machen jährlich hier Halt. Die beste Zeit für ein Tete-a-tete von Mund zu Schnabel sind die Wintermonate. Doch schon jetzt kann man große Schwärme zum See fliegen sehen, wenn man den Kopf einmal in den Nacken legt. Auf 8 Kilometern
lassen sich die Gewässer bequem umradeln oder auch ablaufen. Da meine rotbeschopfte Freundin Roni dort Touren an Touristen verkauft, bekomme ich praktischerweise ein Zweirad umsonst gestellt. Reiher, riesige Kraniche, Habichte und Eisvögel in allen Variationen picken und schwimmen und fliegen und stelzen. Schön!
Da im Norden sehr viele Studenten wohnen, von denen nicht jeder ein eigenes Auto hat, ist es eine Gegebenheit zwischen den einzelnen Kibbuzim zu trampen. Der Erfahrung nach nimmt einen jeder dritte oder vierte Vorbeifahrende mit. Über längere Strecken, auf den Highways sieht man die ausgestreckten Hände eher selten. Klappen tut es gut. Als Frau wohl besser. Und fördert die Fantasie, wenn man jedem Mitnehmermännlein von einer neuen fiktiven Beziehung vorschwärmt. Nur zur Sicherheit. Der alte Handwerker und Hausbesitzer Sammi war wohl der prägnanteste Fahrer auf dem Weg zu den Arbel-Klippen. Die ganze Zeit am grinsen und "Jofi, jofi" ("fein, fein") schmunzeln palaverte er über dies und das und klärte mich mit kindlicher Begeisterung über jeden einzelnen Kibbuz, jeden Stein auf dem Weg auf - auf Hebräisch wohlbemerkt. Ich bin mir nicht 100%-ig sicher, dass wir beide die gleiche Konversation geführt haben, aber er schien mit meinen Antworten zumindest zufrieden zu sein. Hocherfreut über den neuen
deutschen Fahrgast hat er sich kurzerhand dazu entschlossen die Arbeit ein Stündchen ruhen zu lassen und mir eine Tour rings um die Kinneret, den See Genezareth, zu geben. "Ich will aber eigentlich nur nach Tiberias?" - "Jofi!" - "Nein, nein Sammi. Ich will ein bisschen wandern und nicht zu spät dort ankommen." - "Jofi, jofi, jofi. In 45 Minuten spätestens, bist du dort!" Nagut. So drehten wir unsere Runde. Ich freute mich über die schöne Sicht, Sammi erfreute sich an meiner Freude und auf die Minute genau stand ich am Eingang des
Arbel National Parks. Sammi war zwar etwas enttäuscht, dass ich seine 60-Plus-Knochen nicht mit auf die Klippen nehmen wollte, verabschiedet sich dann aber sittsam mit Winkehand und Strahlelächeln.
Hatte ich mir im Frühling das Gamla Nature Reserve als Highlight erkoren, so wird die Krone nun definitiv an Arbel weitergereicht. Eine Klippe, wie vom Blitz in zwei gespalten mit atemberaubender Sicht auf die Kinneret darunter und wunderschönen Wanderpfaden. Die meisten Wanderungen sind auf 1,5 bis 2 Stunden ausgelegt, lassen sich aber leicht zu einer größeren Runde kombinieren. Gesagt, getan. Ich dippe Brot in Hüttenkäse auf meinem eigenen Felsbalkon, scheuche Dutzende Murmeltiere vor mir durchs Flussbett, kratz mir am
Dornbusch die Wade und lasse mir laute "Jiiiiihaaaaas" aus dem Mund und den Wind durchs Haar blasen. Nach 4,5 Stunden bin ich zurück auf der Straße und werde von einem netten Geschäftsmann sogar fast bis vor die Haustür gefahren.
Im März versäumt, war es nun auch an der Zeit das Hügelstädtchen
Tsfat zu besuchen. Diesmal zu Bus, schlängle ich mich erneut auf Asphalt über der Kinneret. Mit 900 Metern über Normal Null ist Tsfat die höchst gelegene Stadt des Nordens und nicht nur wegs des milden Klimas überaus angenehm. Kunst und Judentum sind die zwei Schlagwörter, die mir aus dem Mund fallen, wenn ich an sie denke. Kippas, Bärte, gekringelte Schläfenlöckchen in Kunstgalerien, Glasbläserwerkstätten, engen, alten Steingässchen. Und im Gegenzug zu Jerusalem, wo die Ultra-Orthodoxen, genannt Dosim, mir stets ein beklemmendes Gefühl auf die Brust zwängen, ist die Stimmung droben auf dem Berg entspannt und gelassen. Selten habe ich so viele nette und unverfängliche Gespräche in so kurzer Zeit geführt. Nair, ein Bärtiger Amerikaner, der zum Thora-Studium in die Stadt kam, erzählt mir von einem Vergleich, der in der jüdischen Gemeinschaft gerne gestellt wird. Demzufolge ist Jerusalem Feuer, Tsfat aber wie Luft. Ich nippe an frischer Zitronenlimonade und nicke
eifrig meine Zustimmung. Die Leichtigkeit, die diesen Ort zu durchströmen scheint, habe ich bereits in meinen ersten 10 Minuten in der Stadt gespürt, als ich einen kleinen Hügel zu einem Monument über ein paar Kreuzritter-Ruinen empor gestiegen bin. Ein noch recht junges Löckchen in altbekannter Tracht (schwarze Hosen, weißes Hemd, darunter baumeln Quasten, auf dem Kopf die Kippa) kommt mir entgegen und fängt doch glatt an mit mir zu reden (mein zweites Hebräisches Triumph-Gespräch). Er möchte mir gerne eine Höhle zeigen. Nach kurzem Zögern, stehen Yosef und ich am Eingang einer alten Ruine. Etwa zwei Minuten tasten wir uns durch Zappenduster an glitschigen Steinwänden entlang, dann stehen wir in einer großen unterirdischen Zisterne. Durch das kleine Loch in der Decke scheint ein Sonnenstrahl. Fast eine dreiviertel Stunde tappen wir Kreise in den Boden unseres Untergrundlochs. Yosef erzählt mir, dass er in der Ukraine arbeitet (oder gearbeitet hat), irgendwas mit Touristen. Ich erzähle ihm, dass ich in China Englisch unterrichten werde. Wir reden über die Herzlichkeit der Menschen in Deutschland, Israel, Ukraine und China. Wir stampfen die Füße auf den Boden und es hallt. Wir pfeifen und summen und singen aaaah-aaaAAAh-aaAAAAAAHS in den Raum. Dann tasten wir uns zurück ins Draußen
und verabschieden uns wieder. Die ganze Zeit kein Wort über Religion oder Gott. Nur die Welt. Yosef fragt ob er jetzt auch zu meinen Freunden hier in Israel zähle. Da muss ich grinsen. Betach! - Na klar!
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Annemarie Zapf
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Grüße
Hallo, Carolin, Ich beneide dich um deine Erlebnisse. Wunderschöne Aufnahmen mit traumhaften Land- schaften. Schau dir nur alles an, was dir ermöglicht wird. Paß auf dich auf, bleib gesund und grüß all deine Freunde. Oma Bridge