Flucht


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Malaysia's flag
Asia » Malaysia » Kuala Lumpur
October 15th 2010
Published: October 15th 2010
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Seit Dienstag morgen bin ich wieder in meinem geliebten Malaysia. Indien und ich sind einfach nicht miteinander warm geworden. Viele Dinge, die mich störten, gab es auch in anderen Ländern: Menschenmassen und neugierige Blicke in China, Armut und Schmutz in Kambodscha, Verkehrslärm und geldgierige Schlepper in Vietnam. Aber in Indien empfand ich das alles nochmals als eine Stufe härter. Der Lärm, der Schmutz, die vielen Leute, die versuchen, dich um dein Geld zu bringen waren einfach zu viel. Es geht mir dabei nicht um das Geld, das wirklich nicht viel ist, sondern vielmehr um diese Einstellung. Ja,viele Leute sind arm, aber das trifft auf andere Länder auch zu. Beispiele? Mit Taxi- und Rikscha-Fahrern muss man jedes Mal hart um seinen Fahrpreis verhandeln. Im Falle von Ausländern versuchen die immer, einen zu übervorteilen. Diesbezügliche Aussagen stammen nicht nur von mir, sondern auch von Indern! Als ich mir in einem Restaurant in Agra ein Mittagessen und etwas zu trinken bestellte, brachte mir ein Junge meine Pepsi, öffnete die Flasche und polierte den Flaschenrand. Daraufhin wollte er 5 Rupien von mir. Die Leute wollen wirklich für jeden Pups Geld! Nein, das ist nicht viel, aber man kann kaum in normalen Kontakt mit den Menschen kommen, weil man jedesmal, wenn einer einen anspricht, damit rechnen muss, dass man lediglich als Laufender Geldautomat gesehen wird.

Viele Leute, gerade auch im Servicebereich, waren sehr unfreundlich. Fahrkarten wurden einem nicht gereicht, sondern vom Verkäufer mit missmutigem Blick entgegen geschmissen und auf Fragen bekam man oft keine klare Antwort, meist nur das berühmt-berüchtigte indische Kopfwackeln, das mehrere Bedeutungen haben kann: Ja, nein, vielleicht, ich weiß es nicht, hallo, auf Wiedersehen...

Natürlich sind oben beschriebene Erfahrungen subjektiv, aber in dem Moment waren sie mir einfach zu viel und in Kombination mit den Erfahrungen meiner Erkrankung, wollte ich dieses Land auf dem schnellsten Wege verlassen und ich buchte einen Flug nach Kuala Lumpur, sobald ich das Gefühl hatte, diesen überstehen zu können.

Ich will nicht verschweigen, dass ich auch freundliche Inder getroffen habe. Tatsächlich sind Inder, wenn sie freundlich sind, dies oft im Übermaß. Rupak und seine Verwandten in Kolkata, die uns zum Essen eingeladen, nur nachdem sie von uns am Telefon erfahren haben, sind ein gute Beispiel hierfür. Aber auch in Agra habe ich über Couchsurfing mehrere nette Leute kennen gelernt. An meinem letzten Abend trafen sich einige Couchsurfer, einheimische und Traveler zunächst in einem Cafe, später gingen wir zusammen in eine Hotelbar, eines von diesen edlen Hotels, die ich normalerweise nie von Innen sehe. Mir ging es noch zu schlecht um Alkohol zu trinken, aber selbst der Preis für ein Soda war fast so teuer wie sonst eine reguläre Mahlzeit (nicht, dass das in Indien besonders teuer ist). Abends brachte mich eine der Teilnehmerinnen mit dem Auto zurück in mein Gästehaus. Es war gerade mal kurz nach 22 Uhr und ich erfuhr, dass sie wohl Ärger von ihren Eltern bekommen würde, weil sie so spät nach Hause käme. Sie war 27 Jahre alt! In Indien ist das Frauenbild noch sehr konservativ.

Am nächsten Morgen stand ich früh auf. Ich musste mit dem Zug nach Neu Delhi, von wo aus mein Flug nach Malaysia ging. In Delhi fanden zur Zeit die Commonwealth Games statt und ich befürchtete, dass es lange dauern würde, um vom Bahnhof zum Flughafen zu kommen. Ich wollte ursprünglich mir rechtzeitig vorher ein Zugticket mit Reservierung für eine der höheren Klassen holen, aber im Gästehaus sagte man mir, ich solle einfach an dem Tag zum Bahnhof und mir ein Ticket für den nächsten Zug kaufen. Leider hörte sich das einfacher an, als es war. Ich ging geradewegs in das Hauptgebäude des Bahnhofs hinein und suchte nach dem Verkaufsschalter. Die Touristeninfo hatte leider geschlossen. Es befand sich lediglich ein Schalter dort mit der Aufschrift "Enquiries".Ich fragte den Mann dort, wo ich ein Ticket für den nächsten Zug nach Delhi kaufen könne. "Gleis 3", meinte er nur. Ich schleppte also mein Gepäck zu Gleis 3 und musste dort natürlich feststellen, dass das einzige, was man dort kaufen konnte, Zeitschriften und Snacks für die Reise waren. Also ging ich wieder aus dem Bahnhofsgebäude heraus, wo mich sofort ein Taxifahrer abpassste. Ich erklärte ihm, dass ich nicht in die Stadt fahren, sondern nur ein Ticket für den nächsten Zug nach Neu Delhi kaufen wolle. Kein Problem, meinte er, die Schalter seien gleich um die Ecke und tatsächlich, in dem Seitengebäude des Bahnhofs befanden sich mehrere Reservierungsschalter.

In Indien muss man für reservierte Plätze (alle Klassen außer der einfachsten) erst ein Formular ausfüllen, in dem man unter anderem den Zugnamen eintragen muss. Ich wollte nur ein Ticket für den nächstmöglichen Zug und hatte keine Ahnung wie der hieß. Aber ich hoffte, es würde ausreichen, wenn ich meinen Namen eintragen würde. Ich reihte mich daraufhin in die Warteschlange ein, die sich, wie ich nch einiger Zeit bemerkte, nicht von der Stelle rührte. Kein Wunder, hinter dem Schalter saß ja auch niemand. Ich fragte meinen Hintermann, ob dies die einzige Stelle sei, wo man Karten kaufen könne, was er bejahte. Ein anderer Mann deutete mir nach einer Weile an, mich an dem Schalter nebenan anzustellen, wo ein Schild Ausländer, Senioren und Kriegsveteranen stand, aber auch da saß niemand hinter dem Schalter. Immerhin gab es dort keine Schlange und ich war als erster an der Reihe, jedenfalls so lange bi mir ein Senior andeutete, dass ich mich hinter ihm anstellen solle. Anscheinend gab es in der Reihenfolge der Begünstigten eine Hierarchie.

Nach einer weiteren Viertelstunde konnte ich endlich einem Bahnangestellten mein Anliegen vorlegen. Er schüttelte nur mit dem Kopf und meinte, hier könne man nur Reservierungen bis zu zwei Tagen im Vorraus kaufen. Ich war also so weit wie vorher, nur dass mittlerweile eine Stunde vergangen war. Natürlich hielt der Mann es nicht für nötig, mir zu sagen, wie ich dennoch in den nächsten Zug kommen könnte. Immerhin deutete er mir auf weiteres Nachfragen hin an, dass sich ein Verkaufsschalter für Fahrkarten ohne Reservierung in einem gegenüberliegendem Gebäudeflügel befand, vermutlich die zweite einzige Stelle, an der Karten gekauft werden konnten. In der Tat war es dann dort auch ganz einfach, ein Ticket für den nächsten Zug zu bekommen. Nur gab es wiederum zwei Probleme: Erstens gab es diese Tickets nur für die 2. Klasse und zweitens musste ich wieder mal raten, wann und wo der Zug fuhr. Ich fragte wieder am Enquiry-Schalter nach, der mir diesmal Bahnsteig 2 nannte. Ich begab mich dorthin und wartete.

Nach einer dreiviertel Stunde waren zwei Züge vorbeigekommen, von denen keiner nach New Delhi fuhr. Ich wurde langsam ungeduldig und begab mich zur Touristinfo, die mittlerweile offen hatte. Dort verwies man mich an einen infoschalter fr die Commonwealth Games. Die beiden Mitarbeiter dort hatten irgendetwas miteinander zu bereden und ignorierten mich so gut sie konnten. Ich ging daraufhin wieder zum Gleis 2, wo der nächste Zug eingetroffen war, der ebenfalls nicht nach Neu Delhi fuhr. Beim nächsten Versuch am Commonwealth Schalter sprach ich einfach los, ohne zu warten, ob die Leute bereit waren und siehe da, endlich erhielt ich Auskunft: Der Zug, der gerade auf Gleis 3 ein fuhr, fuhr nach Neu Delhi.

Wie erwähnt besaß ich nur ein Ticket für die 2. Klasse. Dazu muss man wissen, dass die erste klasse in Indien im Prinzip aus 3 bis 5 Klassen besteht. Es gibt drei Schlafwagenklassen mit Klimaanlage: 1AC, 2AC, 3AC, die sich hauptsächlich in der Anordnung der Betten unterscheiden und teilweise eigene, teilweise offene Abteile besitzen. Bettzeug wird dort gestellt. Tagsüber nehmen die Passagiere auf dem unteren Bett Platz. Dann gibt es Sleeper, eine Schlafwagenklasse ohne Klimaanlage, wo man sein eigenes Bettzeug mitbringen muss. Die Betten sind nicht in Abteilen angeordnet. Außerdem gibt es noch den Chair Car, ein Großraumwagen mit festen Sitzen, der am ehesten unserer 2. Klasse entspricht. All diese Klassen sind reservierungspflichtig und man hat seinen Platz sicher.

Die 2. Klasse hingegen ist sozusagen die Holzklasse. Eine Fahrt hiermit ist extrem günstig, die Fahrkarte nach Neu Delhi kostete lediglich 65 Rupien, etwas mehr als 1 € für eine dreistündige Fahrt. In der 2. Klasse gibt es keine Reservierungen und es quetscht sich jeder hinein, der irgendwie Platz findet. Anfangs wird sehr gedrängelt, aber wenn erst einmal alle drin sind, funktioniert es erstaunlich gut. Die Inder haben ein großes Talent, selbst kleinste Räume auszunutzen. Im Eingangsbereich blieben die Türen offen und jeweils zwei Passagiere setzten sich auf beiden Seiten hin und ließen die Füße baumeln. Bei jedem Stopp, auch mitten auf der Strecke, standen sie kurz auf und vertraten sich die Beine. Der Zug fuhr jedes Mal so langsam an, dass es kein Problem war, während der Fahrt aufzuspringen.

Ich legte meinen großen Rucksack mit der Vorderseite auf den Boden im Eingangsbereich und setzte mich darauf. Mindestens ein Dutzend Inder Augenpaare richteten sich neugierig auf mich. Ich gebot einem Jugendlichen, neben mir auf dem Rucksack Platz zu nehmen und daraufhin traute er sich, mich anzusprechen. Er gehörte zu einer Gruppe von College-Schülern, die einen Schulausflug nach Agra unternommen hatten. Er sprach das Schulenglisch der Inder, die nicht so sehr mit Ausländern zu tun hatte, ein etwas hochgestochen wirkendes Englisch, was sich beispielsweise an der Redewendung: "What is your good name?" äußert, also ungefähr "Wie ist ihr werter Name?" Er und seine Mitschüler waren sehr erstaunt darüber, dass ein Ausländer in der 2. klasse mitfährt. immerhin sei es hier ja sehr schmutzig und überfüllt. Es war aber in der Tat eine interessante Erfahrung und die Leute, die im Zug waren, waren alle sehr freundlich und neugierig. Natürlich war es etwas unbequem, aber für einen Tageszug war das erträglich.

In Neu Delhi war der Zug mittlerweile so voll, dass ich nicht mehr sitzen konnte. Als der Zug endlich ankam quetschte ich mich durch die Menge auf den Bahnsteig. New Delhi Station ist recht groß und unübersichtlich, die Touristinfo nur schwer zu finden, was durch Schlepper noch erschwert wird, die behaupten, die Touristinfo sei geschlossen und sich sogar einem in den Weg stellen, wenn man dennoch versucht, diese zu erreichen. Ich erhoffte mir, ein Taxi-Coupon zu kaufen. Dies ist an vielen großen Bahnhöfen und Flughäfen in Indien möglich und verhindert Abzocke durch Taxifahrer. Leider gab es nur Coupons für Autorikschas, was mir für eine längere Strecke mit Gepäck zu unbequem und unsicher war. Also stimmte ich zu, bei einem Taxi mitzufahren, dessen Fahrer mir versprochen hatte, das Taxameter zu verwenden. Der endgültige Preis entsprach dann auch weitestgehend dem, was in meinem Reiseführer stand.

Die Straßen in Delhi waren auch deutlich leerer als gedacht, so dass ich wesentlich früher am Flughafen war, als notwendig. Beinahe wäre ich nicht einmal ins Gebäude hineingekommen, da davor Sicherheitsleute sitzen, die nur Passagiere hereinlassen, was diese mit ihrem Pass und dem Flugticket nachweisen müssen. Dummerweise war mein Ticket nach KL ein E-Ticket und ich hatte es mangels Drucker nicht ausgedruckt. Glücklicherweise akzeptierte er dann das Photo, das ich vom Bildschirm mit dem Ticket gemacht hatte, auch wenn er etwas die Augenbrauen zusammen kniff, als er feststellte, dass der Flug erst in 5 Stunden ging.

Das Innere des Flughafengebäudes war so ziemlich der sauberste Ort in ganz Indien, was vermutlich mit den Commonwealt Games zusammenhing. (Als ich dort war, waren gerade einige Mitglieder der Südafrikanischen Mannschaft anwesend.) Ich vertrieb mir die Zeit bis zum Einchecken mit Lesen, Essen und Geldwechsel (der Mnn in der Wechselstube wieß mich darauf hin, dass ich knapp den Betrag von 10.000 Rupien unterschritten hatte, der nachweispflichtig sei). Schließlich konnte ich einchecken und durfte dabei feststellen, dass Indien meiner Erfahrung nach das erste Land ist, dass sogar für die Departure-Card den Eintrag einer Adresse in Indien verlangt. Bei der Einreise ist so was allgemein üblich, aber so kleinich war bei der Ausreise nicht einmal Singapur! Nach dem Durchleuchten des Handgepäcks bekam man einen Stempel auf einen Gepäckanhänger, den man vor dem eigentlichen Boarding nochmals vorzeigen musste, damit man auch ja sein eigene Gepäck dabei hatte. Das geschah, nachdem man dem Bodenpersonal bereits seinen Bording-Pass gezeigt hatte. Nachdem das alles erledigt war, durften wir endlich an Bord des Air-Asia-Fluges nach Kuala Lumpur. Aufgrund der Zeitverschiebung war die Nacht nur kurz und die landung erfolgte kurz vor 5 Uhr morgens. Nach dem Transfer ins Zentrum von KL genehmigte ich mir dann erst mal ein indisches Frühstück: Paratha oder wie es in Malaysia heißt: Roti Canai.

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15th October 2010

Was für eine komplizierte Reise, nur um nach Neu Delhi zu kommen. Da ist die deutsche Bahn ja nichts gegen :D

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