Im Ferganatal


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Asia » Uzbekistan » Fergana
September 17th 2010
Published: October 9th 2010
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Um die Mittagszeit herum wurden wir von einem Taxi zur Haltestelle ... gebracht, dem offiziellen Abfahrtsort ins Ferganatal.
Auf der Autobahn ins Ferganatal sind eigenartigerweise keine Busse zugelassen, das heisst, man muss sich zwingend einem Sammeltaxi anschliessen.
Natürlich waren wir sofort umringt von vielen Taxifahrern, die zum Teil unsere Koffer schon in der Hand hatten. Nach einiger Diskussion setzten wir uns in ein Auto.
Die meisten Autos fahren nur voll ins Ferganatal - eine Autofahrt von mindestens 4-5 Stunden. Nach einem kurzen Stopp an einer Tankstelle, luden wir an einem ausgemachten Ort einen weiteren Fahrgast auf.
Nach vielleicht einer Stunde Fahrzeit machten wir in einer riesigen Raststätte halt. Offensichtlicherweise waren wir die einzigen Touristen, es machte sich niemand etwas draus. In einer riesigen Halle, die auf dem Foto nicht recht zur Geltung kommt, war es schwer einen Tisch zu finden.
Viele Leute machten nur kurz Mittagspause, brachen schnell wieder auf, die Geschwindigkeit in der serviert wurde, sowie die gesamte Menge an Menues und Essen die herumgetragen wurde, war beeindruckend. Nach einem Teller Mantis (gefüllte Teigtaschen) und einer Tasse Tee brachen wir wieder auf.
Zu unserem Erstaunen, gabs kurz darauf wieder einen Halt. Wir wurden aufgefordert, bei einem Unterstand zu warten - man müsse tanken. Tanken - der vor dem Essen waren wir doch an der Tankstelle? Diesmal war der Gastank dran. Viele Autos hier können scheinbar mit Gas und Benzin fahren.
Benzin scheint mit rund ca. 70 Rp. pro Liter für uns nicht schlecht, aber Gas ist billiger, und Tankstellen gibt es scheinbar nur wenige. Denn die Warteschlaufe war lang, sehr lang. Die Disziplin sich korrekt anzustellen wie immer in Usbekistan katastrophal.
So harrten wir beinahe eine Stunde bei dem Unterstand aus, bei kaltem regnerischen Wetter bis Chalmat, unser Fahrer wieder auftauchte. Nun konnte es losgehen. Auf einer Autobahn mit recht akzeptablem Belag (wir sind uns ja schon einiges gewohnt) gings also Richtung Berge. Berge? Fergana ist doch ein Tal - und der Scherfan Fluss fliesst weiter nach Samarkand, alles Usbekistan?
Dank Josef Stalin, der damals unter Lenin für die geografische Aufteilung von Turkestan verantwortlich war, wurden die Grenzen in einem vorher grenzenlosen Nomaden und Oasengebiet à Volonté gezogen. Der grosse Talkessel von Fergana wurde an Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan aufgeteilt.
Um wohl eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ethnien zu erreichen, teilten die Sowjets das Tal recht bescheuert auf - heute eine ausgezeichnete Grundlage für Unruhen wie kürzlich in Kirgisien. Es gäbe sogar eine Zugverbindung von Taschkent oder Samarkand nach Fergana. Aus einem Streit um ein Dammprojekt hat Tadschikistan den Durchgang jedoch geschlossen.
Ein Blick auf die Bevölkerung zeigt, dass die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse sehr verschieden sind. Usbekistan hat knapp weniger als dreimal soviel Einwohner wie Tadschikistan und Kirgisien zusammen, obwohl knapp 10% des Bodens nutzbares Ackerland ist. Und etwas weniger als doppelt soviele wie Kasachstan.
Das fruchtbare Ferganatal macht Usbekistan zum drittgrössten Baumwollproduzenten der Welt (und den Aralsee zur Wüste, da die Flüsse nicht mehr ankommen).
Wie auch immer, dank Stalins Grenzziehung, muss man also über einen steilen Pass fahren um ins Ferganatal zu kommen. Der Verkehr von der Hauptstadt in eine der wichtigsten Wirtschaftsregionen des Landes ist entsprechend dicht, besonders wenn sich alles durch ein kleines Tal schlängeln muss.
Zurück zu unserer Taxifahrt. Vor dem Pass bildete sich Stau an einem Kontrollposten der Polizei (von denen es in Usbekistan einige gibt). Selbstverständlich müssen da auch alle Ausländer halten und sich "registrieren" lassen. Angeführt von unserem Fahrer irrten wir durch eine kleine Wohncontainer-Siedlung um schliesslich auf einen kleinen Schalter zu stossen.
Vor dem Schalter waren einige am rumdrängeln, ein anderer lieferte sich mit einem Polizisten eine Schrei-Diskussion. Auf dem Tisch hinter der Glasscheibe lagen einige eingezogene Fahrausweise verstreut.
Ein überforderter Beamter nahm unsere Pässe entgegen, blätterte länger darin und notierte sich schliesslich mit ernster Mine folgendes in sein Heft:
"Schweiz Suisse Svizzera 30.11.1976 F12..." Die Passnummer am Schluss hatte er so gedrängt schreiben müssen, dass er diese sicher nie mehr entziffern kann.
Erstaunt erhielt ich die Pässe wieder und wir konnten gehen. Als wir die Pässe wieder studierten, bemerkten wir, dass oben in der ersten Zeile neben dem Passfoto eben Schweiz Suisse Svizzera steht, statt wie wohl anderswo der Name. Wie auch immer, "Schweiz Suisse Svizzera" konnte also ins Ferganatal einreisen.
Der gute neue Belag wechselte sich mit Schlaglochpiste ab. Zu unserem Leidwesen war im Kofferraum ein voller Benzinkanister, der nicht ganz dicht war. Nach jedem Holpern des Autos schwebte eine Wolke Benzin durch den Fahrraum nach vorne. Wir fragten uns bereits, ob auch Benzinschnüffeln süchtig machen könnte.
Nach zwei Tunnel waren wir über den Pass. Unser sichtlich gut gelaunter Fahrer begann Schulliedchen auf Englisch zu singen und beeindruckte Nasirdschan, unseren Mitpassagier, wie er geschickt auf englisch auf 20 zählen kann. Chalmat unser Fahrer ist, wie er selbst meint, eben inoffizieller Taxifahrer (Andischan - Taschkent) und führt nebst Passagieren auch Waren mit. Diesmal war neben einem Kanister Benzin auch ein kleiner Zementsack dabei.
Nasirdschan, sprach sehr schlecht russisch. Er sagte jedoch, dass er im Schnitt 8 Monate im Jahr in Russland als Saisonnier arbeite und nun eben mal zuhause in Andischan sei.
Im flachen Tal angekommen, machten wir bei einer Raststätte halt. Unser Fahrer Chalmat sowie unser Mitpassagier Nasirdschan kauften ein und führten uns dabei an den Ständen vorbei. Es gab Melone und Kurd eine Käsespezialität zum probieren. Als es bereits am eindunkeln war erreichten wir Kokand, immer wieder nach der Strasse fragend bewegten wir uns so Richtung Fergana.
Und im tiefsten Schwarz der Nacht begann schliesslich unsere Suche nach einem Hotel in Fergana. Unsere beiden Begleiter fragten sich zuerst nach den beiden Hotels im Reiseführer durch: Hotel Asia - ausgebucht. Hotel 777 - ein unmotivierter Receptionist gab uns einen Preis pro Person von 80 USDollar bekannt. Unser Fahrer schaute uns mitleidig an und sagte "los gehen wir".
Hotel Fergana schliesslich war ein zerfallendes Hotel aus der Sowjetzeit. Die in ihrem Kabäuschen essenden Receptionisten meldeten uns, dass auch Fergana ausgebucht sei. Nach einigem weiteren Suche landeten wir im Hotel Ziyorat - alle waren erleichtert. Der Fahrer hatte uns bereits angeboten uns bis Andischan zu sich nach Hause mitzunehmen, aus Mitleid heraus wir würden hier nichts finden.

Wie wir am nächsten Morgen entdeckten, war das Hotel ideal gelegen, gleich neben Basar und Busbahnhof.
Das Hotel hatte offensichtlicherweise seine besten Zeiten hinter sich. Das Zimmer war allerdings sehr grosszügig und es funktionierte alles (Dusche, Warmwasser, guter Wasserdruck, ein weisses Badetuch für jeden ohne Kellergeruch u.a.). Das Hotel wie auch der Park rundherum ist typisch sowjetisch, selbst die Telefonkabinen im Hotel stehen noch, mit Münzeinwurf für Kopeken (Dezimalstellen des Rubels) die ja bekanntlich das Land vor 20 Jahren verliessen.
Auch das Restaurant war bereits wieder romantisch, so zerfallend das protzige Sowjetinterieur schien.
Mit einem Taxi machten wir uns auf den Weg nach Margilan, um eine Seidenfabrik anzusehen. Auf einer sehr eindrücklichen Führung lernten wir mehr über die Seidenproduktion und -verarbeitung. Im Fabrikladen erstanden sich Moni ein Foular und Andreas ein kleiner Teppich (wirklich klein, 30x50cm). Das Geld in Dollar musste allerdings erst per Western Union beschafft werden, der Verkäufer kam dann am Abend im Hotel vorbei und brachte den Teppich.
Wir mutmassten, dass der Verkäufer ein Kubaner sein könnte, der nach der Allianz von Kuba und der UdSSR im Ferganatal hängen geblieben war.
Nach dem Fabrikbesuch durften wir noch zwei Bäckereien besichtigen (nach der ersten wurden wir bei der zweiten Bäckerei nebenan förmlich in die Bäckerstube gezerrt.
Zurück in Fergana besuchten wir den Markt. Auf die kurze Frage, ob man fotografieren dürfe folgen meist kurze Gespräche: Von wo seid ihr, ah ihr sprecht russisch, was macht ihr hier, gefällt es euch in Usbekistan, seid ihr bereits in Samarkand gewesen, und so weiter.
Das Resultat vom Marktbesuch liess sich sehen: Diverse Fotos und daneben zwei Äpfel, vier Eier, ein Löffel Käse, ein Löffel Honig, zwei Schluck Kumis (fermentierte Stutenmilch) und zwei Schnitz Granatapfel.
Der Markt ist weniger "orientalisch" wie man sich dies vielleicht so vorstellt, sondern vielmehr ein "normaler" russischer Markt, wie sie von hier bis Riga zu finden sind.

In Rischton, einem anderen Städtchen im Ferganatal war eine "Keramik-Produktionsstätte" empfohlen. So begaben wir uns mit Bus und Taxi auf den Weg dahin. Jedoch stelle sich heraus, dass bereits in den Bus zu kommen eine Herausforderung für sich war. Am Perron im Busbahnhof stand bereits ein voller Bus, wir warteten also auf den nächsten. Doch als dieser anfuhr, war das Gedränge einer Schlägerei nahe und innert Sekunden waren die Sitzplätze im Bus vergeben. Mit Glück konnten wir uns zwei Plätze auf einem Bänkchen hinter dem Fahrersitz ergattern und dort die Abfahrt erwarten.
Die "Kermik-Produktionstätte" entpuppte sich einfache Töpferei heraus. Es war allerdings interessant zu sehen, wie sie die Teller und Töpfe in einem aus Erde gebauten Ofen brannten. Nicht nur waren die Formen sehr verschieden und interessant, sondern auch die Fertigkeiten beim Bemalen bemerkenswert, die Muster wunderschön.
Die Töpfer legten Wert auf die Verwendung von natürlichen und traditionellen Farben wie auch auf die Verwendung von Glasur wie sie seit wohl einigen hundert Jahren verwendet wird.
Nach der Töpferei begaben wir uns zu Fuss Richtung Busbahnhof. Auf dem Weg dahin machten wir halt in einem Restaurant, das scheinbar unglaublich gut lief, auf jedenfall hatte der Mann am Grill Mühe, mit Schaschlikspiessen nachzukommen, was von den Kellnern abtransportiert wurde.
Rischton war eine ruhige statt, in der wir viele Velofahrer beobachteten. Viele der Trottoirs waren mit Reben überdeckt und die Erscheinung von diesem Dorf schien uns sehr sympatisch. Wir glauben, dass es sich ganz gut leben lässt, in Städtchen wie Rischton, im Ferganatal. Und es scheint wirklich alles zu wachsen. Und was wächst, ob Früchte oder Gemüse ist sehr gut und auch besser als in der Schweiz :-)

Tags darauf verlegten wir unseren "Schlafplatz" nach Kokand, der alten Hauptstadt vom letzten Khanat (muslimischen Herrschaftsgebiet) bevor die Russen kamen. Der Einfluss von Kokand reichte über das Ferganatal hinaus und so bis Taschkent.
Bereits im Bus waren die Leute nicht nur interessiert, mit uns zu sprechen, sondern zum Beispiel Dildora wollte uns zu sich einladen, und Farchad schliesslich, half uns in Kokand ein Hotel zu suchen und bezahlte unser Taxi das uns zum Hotel brachte.
Auch hier war es erst im dritten Anlauf möglich, ein freies Hotelzimmer zu ergattern. Die ersten beiden Adressen waren geschlossen und wurden umgebaut. Überhaupt schien sich ganz Kokand im Bau zu befinden. Ganze Strassenzüge waren offen, ganze Häuserzeilen wurden neugbaut, und alle historischen Gebäude wurden restauriert. Die meisten Leute erklärten, der Präsident sei hier gewesen und hätte gesehen, dass alles in Kokand am Zerfallen sei und so befohlen, man solle Kokand schön herrichten.
Erst der Taxifahrer Maksud konnte uns erklären, dass in zwei Jahren ein grosses Jubiläum anstehe, und die stadt bis dahin in neuem Glanz erstrahlen solle. Er rettete uns vor dem Hungertod, als er uns zu einem offenen Restaurant brachte. Es war Sonntag und scheinbar hatten alle Restaurants geschlossen. Da wir nicht Lust auf risikoreiche Hotdogs vom Strassenstand hatten, wählten wir den langsamen Hungertod bis Maksud kam.
In einem guten Restaurant am Stadtrand wurden wir verpflegt. Maksud zeigte uns darauf die Stadt und am Abend lud er uns zu sich nach Hause ein. Zuerst zum Studieren von Geschichtsbüchern bei seinem Onkel und schliesslich zu einer Schüssel Plov bei sich zu Hause.



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5th December 2010
Andreas wird Millionaer

600.000 Sum oder 250 USD
;o) naja eine Million ist es zwar nicht (nur 600.000 sum) aber immerhin. Hoffe ihr habt das Geld auf einem Bazar am Schwarzmarkt (Чёрный рынок) getauscht. Kurs ist dort um einiges besser (30%). Besteht dann allerdings auch die Gefahr beschissen zu werden. Mit ein bisschen Erfahrung kennt man aber die meisten Tricks ohnehin.

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