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Published: July 22nd 2018
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Von gezuckerten Tomaten, über Massengymnastik bis hin zum Hundefleisch oder: Wie ich 10 Tage ohne Internet überlebt habe Ja, ich habe es tatsächlich getan. Ich bin nach Nordkorea gereist. Aufgrund all der negativen Berichte, die es in unseren Medien gibt, wollte ich mich selbst von diesem Land überzeugen, ob es wirklich so „schlecht und böse“ ist.
Man kann Nordkorea derzeit nur in Form einer organisierten Reise besuchen. Also habe ich meine Reise auch über eine deutsche Reiseagentur gebucht und 10 Tage im Land verbracht. Alles wurde organisiert, und die größte Umstellung für mich war, dass man keine Minute aus den Augen gelassen wurde (außer auf Toilette gehen und abends bis morgens allein im Hotelzimmer… das war erlaubt). Ich wurde also direkt am Flughafen von meinen 2 (!) Reiseleitern abgeholt, die mich von da an ständig begleiteten. Und die wichtigsten Anweisungen gab es gleich zuerst:
- Führerstatuen immer im gesamten Format fotografieren
- Immer fragen, bevor man etwas fotografieren möchte
- Nicht allein unterwegs sein
Diese letzte Einschränkung machte mir schwer zu schaffen, da man dadurch auch keinen Kontakt zu den Einheimischen hatte und ich mich häufig isoliert gefühlt habe. Diese Isolation wurde durch die nicht
vorhandene Online-Kommunikation noch verstärkt. So habe ich auch erst 4 Tage später erfahren, wer eigentlich Fußballweltmeister wurde ;-) Ja, es gibt kein Internet in Nordkorea. Nicht nur dass man nicht online-gehen kann, es existiert kein Netz. Für Nordkoreaner gibt es ein eigenes landesweites Intranet, das allerdings nur auf koreanisch und für Touristen auch nicht zugänglich ist. Lediglich im Hotel in der Hauptstadt konnte ich ab und zu eine E-Mail vom Hotel-Account aus verschicken, wozu man eine Anmeldung benötigt und 3 Dollar zahlen muss. Auch zum Lesen der eingehenden Antwortmail musste ich unterschreiben. Es wird schon alles sehr genau dokumentiert ;-)
Trotzdem besitzen fast alle Nordkoreaner Smartphones einer eigenen nordkoreanischen Marke, gibt es mehrere verschiedene einheimische Tablet-Marken und auch eine eigene koreanische Automarke. Bedenkt man die ganzen Sanktionen, die dem Land auferlegt sind, fand ich es schon erstaunlich, wie fortschrittlich es dann doch ist. Auch wenn mich vieles an die DDR erinnert hat…
Was war besonders beeindruckend oder speziell? In meinem Reiseprogramm war auch die Besichtigung einer Düngemittel- und einer Ginsengfabrik vorgesehen. Wer will schon nur Museen oder buddhistische Tempel sehen ;-) Tatsächlich hatte ich immer eine Werksführung mit einem Fachspezialisten und einem Parteifunktionär erhalten (mit meinen 2
Guides waren wir also schon zu fünft ;-) und wurde nebenbei immer ganz stolz darauf hingewiesen, wie oft Kim Il-Sung schon hier gewesen ist, mit welchem Fahrstuhl er gefahren ist, auf welchem Stuhl er gesessen hat usw. Man setzt also hier ganz spezielle Prioritäten.
Besonders beeindruckend fand ich den „Großen Studienpalast des Volkes“, ein riesiges, schönes Gebäude in einer Artel Tempel-Stil gebaut, mitten in Pjöngjang vor dem riesigen Kling-Il Sung Platz. Es ist eine große Bibliothek, in der es sogar auch deutsche Bücher gibt, Fachbücher aus der DDR, über Harry Potter bis hin zur aktuellen Energiewende in Deutschland.
Da auch verschiedene Sprachkurse, unter anderem in Deutsch dort angeboten werden, wurde ich gleich eingeladen, einen Teil einer Vorlesung vor jungen Ärzten über Deutschland zu halten, die erst seit wenigen Tagen Deutsch lernen. Das war sehr beeindruckend!
Weiterhin hat mich der Kinderpalast (wer die DDR kennt, wird sich an den Pionierpalast erinnern) beeindruckt, in dem Kinder, ausschließlich in Pionierkleidung, am Nachmittag ihren Hobbys nachgehen. Zu den verschiedenen Angeboten zählten Singen, Tanzen, Tusche-Zeichnen, Physik-Kurse oder Programmieren.
Es gab viele weitere solcher Highlights, wie der Besuch des Nationalzirkus (ohne Tiere nur Artisten auf höchstem Niveau), der Besuch des Mausoleums (dort
erscheint man im Kostüm und Anzug, also musste ich mir extra Strumpfhosen besorgen ;-), der Besuch der Grenzanlage zu Südkorea (ja, man will hier die Wiedervereinigung und zeigt das ganz stolz) oder das Baden im 18Grad kalten/warmen Meer mit anschließendem Muscheln grillen, die mir das Land in seiner Vielfältigkeit gezeigt haben.
Ich habe auch keine Armut in Form von bettelnden Kindern o.ä. gesehen, sondern ich nenne es mal „sozialistische Armut", in der vieles einfach, provisorisch oder sehr veraltet ist.
Wie war das Essen? Neben dem klassischen koreanischen Kimchi und jeder Menge Reis, gab es häufig panierten Fisch, Schnitzel, Gurken(-salat) oder anderes eigelegtes Gemüse. Überrascht haben mich Tomatenscheiben, die plötzlich gezuckert waren :-/ und ich gebe zu, ich habe Hundefleisch probiert… Ein kleines Stück in einer Suppe… es schmeckt wie zartes Rindfleisch und es ist eine bestimmte Rasse, die zum Verzehr gezüchtet wird. Also bitte nicht an Schäferhunde, Pudel oder andere Haustier-Hunde denken.
Und hier noch einige Fakten, zu denen ihr mich gern fragen könnt, wenn ihr etwas spezielles dazu wissen wollt:
- 6 Tage Arbeits- und Schulwoche
- Massengymnastik: über 1000 Menschen studieren eine Choreographie für ein Festival ein… mit beeindruckender Disziplin
-
Politessen regeln trotz Ampeln an fast jeder Kreuzung den kaum vorhandenen Verkehr
- Auf der Autobahn fährt man zwecks Schlaglöchern max. 60-80km/h
- Es gibt mehr Menschen und Fahrräder als Autos auf der Autobahn
- Autobahntunnel, die bis zu 4km lang sein können, sind komplett ohne Licht und Notausgang
- Bin aufgrund eines kurzen Stromausfalls für 5s im stockdunklen Fahrstuhl stecken geblieben
- Strumpfhosen gab es z.B. für 40 Dollar im Devisenladen zu kaufen (hab ich nicht gekauft)
- Psychedelische Musik weckt früh um 5 Uhr über große Lautsprecher alle Werktätigen, um sie zum Arbeiten gehen zu motivieren
- Testbild im Fernsehen, Fernsehprogramm erst ab 9 Uhr
- Nachts gibt es keine Straßenbeleuchtung, man erfährt die fast totale Finsternis
- Fahrt mit der U-Bahn-Wagen als Reiseprogrammpunkt (Wagen sind noch aus Ost-Berlin)
- Mercedes dient als Staatswagen
- Ochsenkarren sind häufig auf den Landstraßen zu sehen
- MacBook Pro ist das Laptop des Führers Kim Jong-Il gewesen
- In einem kleinen Gemischtwarenladen gab es 2 Klaviere, Fahrrandschläuche, Autozubehör, Kindersachen und Medikamente gleichzeitig zu kaufen
- Und, und, und…
Schließlich bin ich mit dem Nachtzug nach Peking
zurück gefahren, wobei jeweils Ein- und Ausreise sehr problemlos verliefen, da hört man sonst von vielen Horrorstories. Kurz nach der Grenze zu China erwischte mich fast ein kleiner Kulturschock… so viele Auto, so viel Werbung, so viel Licht...
Und mittlerweile ist Nordkorea für mich mehr als ein Land mit Diktator und Atomwaffenprogramm…
Diese Videos zeigen nochmal viele Aspekte, die ich auch ganz ähnlich erlebt habe:
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Franzi
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Nordkorea
Ich wusste ja gar nicht, dass du auch nach Nordkorea wolltest... Deine Beschreibungen klingen total spannend. Ich bin aber froh, dass du inzwischen wieder weitergereist bist. :-) Umarmung aus Berlin!