Cali


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South America » Colombia » Cali
September 15th 2008
Published: September 15th 2008
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 Video Playlist:

1: Verkerh in Cali 32 secs
Teil 2 - Cali


Die folgenden Tage verbringe ich mit Antons Mutter, einer resoluten älteren Dame, die in einem schmucken Reihenhäuschen in einem der zahlreichen condiminios, einer eingezäunten Wohnanlage, residiert. Sie ist bereits im Ruhestand (was ihr eine Vollzeitbetreuung hinsichtlich meiner Person ermöglicht) und kümmert sich rührend um mich. Allerdings hat sie ein äußert hohes Angstpotential - hinsichtlich ihrer Heimatstadt, den Menschen dort und natürlich hinsichtlich der Tatsache, dass mir etwas zustößt. Eine ihrer eisernen Regeln, die nur in absoluten Ausnahmesituationen gebrochen werden, lautet: „Verlasse niemals das Haus nach 6:30 Uhr abends.“ Bis auf ein paar wenige Ausnahmen verläuft die erste Woche genau nach diesem Schema.

Zunächst einmal steht allerdings Einkaufen auf dem Arbeitsplan. Sie fragt mich, was ich denn gerne so esse. Ich möchte keine Umstände machen und entgegne: „So ziemlich alles.“
Darauf fahren wir in einen eingezäunten Hochsicherheits-Supermarkt und kaufen 5 Kilo Fleisch, 2 Säcke Reis, und 4 Packen Tiefkühl-Fisch. An der Früchteauslage werde ich systematisch abgefragt, welche Frucht ich aus Deutschland kenne und welche nicht. Alle diejenigen, die mir unbekannt sind, landen dann im Einkaufskorb. Ich muss gestehen, dass die Artenvielfalt der Früchte in Kolumbien wirklich enorm ist und ich vielleicht 20 Prozent der Früchte, wenn überhaupt, kannte. Meine absolute Lieblingsfrucht bis jetzt (und das nicht nur wegen dem einfach zu merkenden Namen) ist eindeutig die „Lulu“ (geschrieben „Lulo“)

„Lulu“ - genau! Wie in „Lu!Lu!Lu! - Lukas Podolski!“
Die Lulo schmeckt ein bisschen wie Maracuja, wird in der Regel ausgepresst und als „hugo naturale“ - als frisch-gepresster Fruchtsaft mit etwas Eis serviert, oder noch viel schmackhafter mit Milch und Eis gemixt als Shake.

Aber auch die „Mangostino“ ist ein äußerst deliziöses Früchtchen. Sie ist etwas kleiner als ein Tennisball und hat eine holzige Schale. Man öffnet sie, isst flugs das Fruchtfleisch mit einem Löffel heraus und wirft dann ca. 70% der Frucht in die Mülltonne.
Am nächsten Tag fahre ich mit Antons Mutter in das Club-Restaurant. Sie möchte unbedingt, dass ich „Frijoles und Chicharrón“ probiere. Frijoles kenne ich noch aus Mexiko. Das sind rote Bohnen, entweder als Mouse oder in Form von Bohnensuppe. Chicharrón habe ich aber noch nicht gehört. Kurz gegoogelt stellt sich dann heraus, dass es sich hierbei um „knusprig gebratene Schweineschwarten“ handelt. Yammie!

Na ja, ich hatte ja immer betont, dass mich die einheimische Küche interessieren würde und ich alles probieren werde, was auf den Tisch kommt. Wie erwartet besteht das Fleisch, bzw. das Fett (denn wirkliches Fleisch ist nicht aufzufinden an diesem Gericht) nur aus einer knorpeligen Masse. Eine Stunde später liege ich mit meinem Chicharrón im Bauch auf dem Bett und warte bis das Völlegefühl verschwunden ist. Abends habe ich nicht wirklich Hunger, möchte deswegen nur ein paar der leckeren Früchte essen. Als ich wahllos in den Fruchtkorb greife, höre ich ein bestimmendes „Deeeeni - Nooooo!“ aus dem Hintergrund. So spät am Abend könne man nur eine Frucht essen und zwar eine „Zapote“, belehrt mich Antons Mutter. Der Grund hierfür: die Fruchtsäure der anderen Früchte. Diese sei unglaublich schlecht für den Magen. Ich muss ein wenig schmunzeln angesichts des kapitalen Bollen Schweinefetts, den ich ein paar Stunden zuvor verdrückt habe und der seither meinen Magen auf Trapp gehalten hat. Na ja, wie dem auch sei, ich mache mich über die holzige Zapote her. Leider hat mich Antons Mutter nicht darüber aufgeklärt, dass sich der Mangel an Fruchtsäure proportional zum Mangel an Geschmack verhält.

Aber mein Aufenthalt ist nicht nur geprägt von kulinarischen Besonderheiten. Wirklich lohnenswert ist das „Museo del Oro“ - das Goldmuseum Calis. Es befindet sich schwer bewacht von Sicherheitspersonal mit kugelsicheren Westen und Pump-Guns in der Banco de la República. Es ist schon beeindrucken wenn man sieht mit welcher Präzision die Indianer der präkolumbischen Zeit Gold geschmolzen und völlig unwissend bzw. unbeeindruckt vom eigentlichen Wert des Edelmetalls zu Alltagsgegenständen wie Speersitzen, Ziegelsteinen, etc. verarbeitet haben. Besonders interessant ist die Illustration eines antiken Werkzeugs, mit Hilfe dessen der Kopf eines Neugeborenen in die von den Eltern gewünschte Form gepresst werden kann (siehe Bild).

Der Heimweg erfolgt, wie könnte es anders sein, mit dem Auto. Wahrscheinlich liegt es an der Tatsache, dass jeder Kolumbianer am liebsten jede Strecke per Auto zurückliegen will, dass wir für eine Strecke von vielleicht 15 km ca. 1,5 Stunden benötigen. Das ist die andere Seite von Cali. Die Stadt ist ein riesiger, vom Smog verpessteter Moloch. Feinstaubregelung - Fehlanzeige. Die Theodor-Heuß-Strasse zur Rush Hour in Stuttgart wirkt dagegen wie ein Luftkurort. Es gibt öffentliche Busse, aber die stecken genauso wie die anderen Fahrzeuge im Verkehr fest. Sie sind bis zum Anschlag vollgestopft mit Fahrgästen. Antons Mutter erklärt mir, dass die Busfahrer nach der Anzahl der beförderten Fahrgäste bezahlt werden. Auf der Spur rechts von uns fährt ein mit Menschen übersättigter Bus, aus dessen geöffneter Einstiegstür drei halbwüchsige Kolumbianer heraushängen. Da macht einer richtig Kohle!

Darüber hinaus sind die Strassen voller Schlaglöcher, und zwar nicht der normalen Art, die das Auto eben ein bisschen wackeln lassen, sondern Löcher, die bis 30-40 cm tief sind. Das ganze führt dann dazu, dass sich vor den Schlaglöchern regelrechte Staus und Blockaden wegen der ausweichenden Fahrzeuge bilden. Zwischendurch flitzen die Motorradfahrer an den wartenden und hupenden Autos vorbei.

Die Straßenränder sind voll von kleinen Buden, die Essen, frisch gepressten Saft, Früchte, raubkopierte DVDs, etc. verkaufen. Auf den Strassen regieren die Naturgesetze Darwins, insbesondere „Only the fittest survive“. Wer bremst verliert, wer hupt hat Vorfahrt und wer das nächste Schlagloch übersieht wird aus der rauen Lebensbedingngen der Strasse ausselektiert und kann sich ein neues Auto zulegen. Fast an jeder Straßenkreuzung sieht man Polizeipatrouillen oder Militär - das Ergebnis der „Seguridad Democrática“ des Hardlinerpräsidenten Uribe. Die Stadt erscheint dadurch sicherer, aber die Armut und die krassen sozialen Gegensätze lassen sich eben nicht wegpatrouillieren. Man begegnet ihnen, wenn man vor den roten Ampeln steht und die 6-jährigen afrokolumbianischen Kinder in den Abgasen der endlosen Autoschlangen Zigaretten und Süßigkeiten verkaufen oder einfach nur betteln. Hier gibt es kein soziales Netz und wer einmal unten ist, kommt so schnell nicht nach oben.

Im Gegensatz dazu gleichen die Einrichtungen der Mittel- und Oberschicht Hochsicherheitstrakts. Jeder Supermarkt und jede Shopping Mal hat ihr eigenes Sicherheitspersonal, den eigenen eingezäunten Parkplatz. A la Afghanistan werden die Fahrzeuge teilweise mit Spiegeln zur Kontrolle des Unterbodens (Bomben, etc.) untersucht. Beim Einfahren bekommt man vom Pförtner ein Ticket, auf dem die Angaben des Nummernschilds notiert sind. Dieses muss man beim Ausfahren wieder vorzeigen, bzw. abgeben. Die Maßnahme soll Autodiebstähle verhindern. Für mich ist es trotzdem schwer vorstellbar, dass auf einem belebten Parkplatz eines Supermarkts jemand tagsüber ein Auto aufknackt. Alles scheint mir en wenig uebertrieben. Aber ich kenn dieses Land ja auch erst seit ein paar Tagen.

Abends gehe ich dann mit Antons Freundin Nanda und einigen ihrer Freunde zum essen in ein Restaurant. Zunächst fahren wir zur Wohnung eines befreundeten Pärchens. Das Apartment liegt in einem Hochhaus mit Hanglage, ist nigelnagelneu und würde in Deutschland schätzungsweise eine halbe Million Euro kosten. Hier residiert die kolumbianische Oberschicht. Modernste Einbauküche, ein Wohnzimmer so groß wie unsere WG in Tübingen, zwei Bäder ein Arbeitszimmer, ein Gästezimmer, ein opulentes Schlafzimmer und ein Monsterbalkon mit Blick auf dir funkelnde Stadt gehören zur Grundausstattung. Ein kinoleinwandgroßer Flat-TV, ein Umkleidezimmer inklusive Bedienstetentoilette fuer die „Empleada“, die Putzfrau, sowie eine Perserkatze komplettieren das Inventar. Sofort wird mir ein Bier angeboten und ich greife gierig zu. Bei Antons Mutter lebe ich schließlich in Abstinenz. Dieses nehme ich einfach mit ins Auto. Schließlich hab ich ja bei diesen Verkehrsverhältnissen genügend Zeit für die 200 Meter Autofahrt um es auszutrinken.

Im Restaurant angekommen, stellt mich Nanda ihren anderen Freunden vor. Wir bestellen Bier und unterhalten uns. Ich muss schon sagen, dass wirklich alle Personen, die ich bisher in Kolumbien kennengelernt habe, von einer Freundlichkeit und Herzlichkeit sind, die mir bisher unbekannt ist. Ich unterhalt mich mit Victor über meine Abschlussarbeit und den Grund meiner Reise. Sofort lädt er mich nach Cartagena ein (obwohl ich da eigentlich gar nicht hinmuss), gibt mir Tipps für die weiteren Städte, die ich besuchen muss und nennt mir ein Notizbuch voller Kontakte, bei denen ich schlafen, feiern oder beides machen kann.

Das Restaurant ist exzellent. Gutes Essen und faire Preise. Abends gehen bzw. fahren wir in eine Bar und feiern fleißig. Um drei Uhr komme ich nach Hause (kurz vor der Ankunft am Haus sehe ich wie das Licht im Schlafzimmer von Antons Mutter ausgeht) und ziemlich genau um 3 Uhr mittags am nächsten Tag wache ich auf. Mit den Worten: „Das hier macht einen neuen Menschen aus dir und ist genau das richtige für deinen guayabo (Kater)“ serviert sie mir eine Fischsuppe, die traditionell aus
Fischköpfen gekocht wird. Ist das die Strafe für das späte Aufstehen und die durchzechte Nacht? Ihre Schwester und eine weitere Freundin sitzen mit am Tisch und mustern mich amüsiert. Ich stochere in der Suppe herum und esse einen Anstandsanteil, aber mehr geht wirklich nicht…

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