¡PURA VIDA!


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Published: May 30th 2009
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So meine Lieben, die letzten Tage hab ich so unglaublich viel erlebt, dass ich gar nicht weiß wie, bzw. ob ich das überhaupt in Worte fassen kann. Ich versuche es einfach wieder von Anfang an (und hoffe, dass ich nicht zu sehr ausschweife...)

Also:
Am Sonntag um halb 8 Uhr morgen geht mein erstes Abenteuer „Turismo Dual“ in der indigenen Gemeinde Sanandita los. Zuerst mit einem Trufi (Kleinbus) 3 Stunden durch die wunderschöne Landschaft des Tieflandes. Dann wechseln wir in ein weiteres Trufi, dass uns scheinbar immer weiter weg von der Zivilisation Richtung Einöde bringt. Seltsamerweise sind unsere ständigen Begleiter riesige Coca Cola und Pepsi Banner.
Nach 1,5 Stunden erreichen wir den nächsten winzigen Ort und wechseln dort in ein Taxi - das heißt, es können beliebig viele Leute zusteigen. Und wie ich schon in Costa Rica erfahren haben: Wie viele Menschen passen in einen Bus oder in ein Taxi? Immer einer meeeeehr!!!!!! Zu Spitzenzeiten sitzen wir zu elft in einem Fünfsitzer 😊
Nach wieder einer Stunde erreichen wir San Gabriel - der Ausgangspunkt für unseren Trip. Dort treffen wir Alan, und unseren „Projektbetreuer“ Juanito. Juanito lebt ebenfalls in der Gemeinde und ist ein bisschen für die Touristen mitverantwortlich. Er hat ein Handy und ist Alans Kontaktperson. Nachdem wir 12 Liter Trinkwasser, Toilettenpapier und Kerzen eingekauft haben geht’s mit Juanito wieder 1,5 Stunden weiter in Richtung Nirgendwo. Egal wie viele Menschen im Taxi sitzen, es brettert mit ca. 80 km/h über eine Straße, deren Zustand wahrscheinlich die Bezeichnung „Wiesenweg“ verdient hätte. Irgendwann steigt Juanito einfach aus dem Taxi aus und ohne eine weitere Erklärung fährt das Taxi weiter - es sitzen nur noch Lizzy (die Volontärin aus North Carolina), eine Bolivianerin, mit der wir in San Gabriel einkaufen waren, uns aber nicht weiter unterhalten haben, der Taxler, mit seinem ca. 2 Jahre alten, schlafenden Sohn am Schoß und ich im Taxi. Lizzy und ich wechseln kurz verunsicherte Blicke.

Wie schon so oft, seit ich hier bin, finde ich mich in Situationen wieder, in denen ich das Gefühl habe, überhaupt keine Kontrolle zu haben. Ich denke, das ist etwas, das ich erst lernen muss. Diese offensichtliche Lockerheit der Bolivianer macht wahrscheinlich ihre Mentalität aus. Wie es eben kommt, so kommt’s. Ich muss erst lernen, mich auf Dinge einzulassen, ohne zu wissen, was mich erwartet, oder eben einen „Masterplan“ zu haben 😊

Plötzlich bleibt das Taxi irgendwo mitten im Nirgendwo stehen und die Bolivianerin neben uns gibt uns zu verstehen, dass wir hier aussteigen sollen. Wir bezahlen den Taxler und das Mädchen geht uns voran einen schmalen Weg bis zum Ufer des Flusses Isiboro. Dort macht sie ganz selbstverständlich ein Einbaumboot für uns klar und transportiert uns samt Gepäck ca. eine halbe Stunde weiter ins Nirgendwo. Doch ich merke, dass ich plötzlich locker werde. Der Großstadtstress fällt von mir ab und ich bin fasziniert vom Fluss, vom Wald, von den Vögeln und Schmetterlingen, die über uns hinweg fliegen und flattern, das Geräusch des Ruders, dass sanft ins Wasser eintaucht hat etwas unglaublich Beruhigendes.
Irgendwann steuert unser Kanu ans Ufer und wir schleppen in der ärgsten Hitze unser Gepäck geschätzte 15 Minuten am Ufer entlang, vorbei an vereinzelten Cabañas. Irgendwann kommen wir an ein gemauertes Gebäude, von dem uns das bolivianische Mädchen erklärt, dass es die Schule ist. Dahinter befindet sich unser Zuhause für die nächsten 4 Tage - die Touristencabaña. Eine einfache Hütte, mit einem Schlaflager im ersten Stock, das eigentlich nur aus 4 Moskitonetzen besteht. Nachdem wir unser Schlaflager vorbereitet haben, gehen wir am Ufer entlang zur nächsten Cabaña.

Jetzt erst stellt sich heraus, dass das bolivianische Mädchen, Valeria, die Freundin/Frau (so genau konnten wir das nicht eruieren) von Juanito ist und dass die beiden für unseren Aufenthalt in Sanandita unsere „Familie“ stellen. Valeria ist sehr lieb, ein bisschen schüchtern und ihr Spanisch ist sehr schwer zu verstehen. Aber sie beginnt sofort zu erzählen und kocht unser Abendessen.
Die nächsten Tage verbringen wir mit Valeria und Juanito. Die beiden lassen uns an ihrem Alltag teilhaben. Wir gehen mit Manschetten und Ruder bewaffnet mit Valeria Palmwedelschneiden um anschließend Matten für die neuen Touristencabañas zu flechten. Zuvor haben wir die Nachbarn besucht und wurden dort um halb 10 Uhr morgens zu einem undefinierbaren Getränk eingeladen. Wie sich herausstellte, handelte es sich dabei um ein Getränk aus Yukka, welches, wenn es nicht mehr ganz so frisch ist, zu gären beginnt. Ich hab zwar nur einen kleinen Becher getrunken, doch als ich aufstehe merke ich erst, wie stark das Getränk war und wanke ein bisschen unsicher auf meinen Beinen zum Einbaumkanu 😊

Wir maschieren mit Juanito, Valeria und ihrem ekelhaften Hund „Preciosa“ durch den Wald, Juanito erklärt uns alle möglichen Blumen, Bäume, Blätter und Beeren. Im Wald treffen wir auf andere Gemeindemitglieder - sie fischen gemeinsam in einem Fluss. Als es anfängt zu Regnen baut uns Valeria binnen weniger Minuten einen kleinen Unterstand und wir sehen den komplett durchnässten Männern beim Fischen zu. Sie haben eine sehr interessante Methode: Irgendwelche moosartigen Pflanzen aus dem Wald, welche die Fische fressen. Danach werden sie anscheinden müde, schwimmen an der Oberfläche herum und sind dann leicht mit den Händen zu fangen. Mit Palmwedeln stecken sie einen gewissen Bereich ab, um zu verhindern, dass die Fische wegschwimmen oder weggeschwemmt werden. Danach schütten sie die moosartigen Pflanzen ins Wasser und warten ca. 1,5 Stunden, bis die Fische schön langsam an die Oberfläche kommen. Wir sehen eine knappe Stunde zu. Als der Regen nachlässt machen wir uns aber wieder auf den Weg zurück. Natürlich mit ein paar Fischen im Gepäck für das Mittagessen 😊
Wir fahren mit Juanito und Valeria im Einbaumboot auf den Fluss um nach Pirañas zu fischen. Die beiden sind ein sehr gut eingespieltes Team. Mit wenigen Worten verständigen sie sich und fischen mit Leichtigkeit einen Fisch nach dem anderen aus dem Wasser. Lizzy und ich sind zu langsam und zu zimperlich, deshalb beißen zwar ein paar Fische an unseren Hacken an, doch herausziehen können wir keinen einzigen, aber so unglücklich bin ich über
einer der schönen Schmetterlingeeiner der schönen Schmetterlingeeiner der schönen Schmetterlinge

die werden leider manchmal genüsslich von den Hühnern verspeist...
dieses Faktum gar nicht 😊

Am meisten beeindruckt hat mich unser Nachtrip mit den beiden. Um ca. 7 Uhr abends geht die Sonne unter und da es hier keinen Strom (und auch kein fließendes Wasser) gibt, ist das normalerweise die Zeit zum Schlafengehen. Wir ziehen aber um 8 Uhr gemeinsam los um Kaimane zu beobachten. Diesmal fahren wir in einem bisschen stabileren Kanu, da es doch ein bisschen gefährlich wäre, in den wackeligen Einbaumbooten, einem ausgewachsenen Kaiman zu begegnen (hier gibt es anscheinend 8-10 Meter lange Kaimane, uahh). Außerdem war Juanito am Nachmittag beim Jagen nicht erfolgreich, deshalb hat er auch noch Pfeil und Bogen mit, um im seichten Gewässer nach schlafenden Fischen zu jagen.
Außerdem dem Zirpen der Grillen und dem leisen Plätschergeräsch des Paddels ist nichts zu hören. Wir wagen es kaum zu flüstern. Ober uns lichten sich die Wolken und wir blicken auf einen unglaublich schönen Sternenhimmel. Durch das Wetterleuchten können wir manchmal für Sekundenbruchteile die Umgebung sehen. Sonst sehen wir immer soweit, wie Juanitos Taschenlampe leuchtet. Als wir uns einer kleinen Insel nähern steht Juanito auf und spannt den Pfeil in seinen Bogen. Ich wage es kaum zu atmen - keine Ahnung, was er da gesichtet hat…
Doch plötzlich lacht Juanito auf und zeigt uns 3 Babykaimane, die im seichten Wasser ihre Köpfe aus dem Wasser strecken. Ihre Augen leuchten, wenn man sie mit der Taschenlampe anleuchtet. Mit einem flinken Griff holt Juanito einen Babykaiman ins Boot und lässt ihn nach kurzem wieder zurück ins Wasser gleiten. Wir machen uns auf die Suche nach der Mutter. Ich schwanke ziemlich zwischen Aufregung, Angst und Neugierde. Juanito leuchtet das Ufer ab und wir erspähen zwei leuchtende Augen - das ist sie. Obwohl Valeria ganz langsam und leise versucht, das Kanu ganz nahe hinzunavigieren, können wir sie nicht mehr finden. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber eigentlich ist es mir lieber so 😊
An diesem Abend ist Juanito leider nicht mehr erfolgreich beim Fischen. Er zieht dafür früh morgens los, sodass wir rechtzeitig zum Frühstück noch Fischsuppe essen können…was für ein Glück…

Zwar war das Essen gewöhnungsbedürftig, aber eigentlich hat mir alles wirklich gut geschmeckt. Ihr werdet es nicht glauben, aber ich esse Bananen!!! Zwar nur gekochte, und auch nicht unsere herkömmlichen Bananen sondern Plantanas, aber mir hat’s wirklich gut geschmeckt! Ansonsten wird eigentlich für jede Mahlzeit gekocht, egal ob Frühstück, Mittagessen oder Abendessen. An den ersten beiden Tagen gibt es Fleisch, das Valeria in San Gabriel gekauft hat. Da es ja keinen Kühlschrank gibt, mussten wir das gleich essen. Sie kocht auf einer einfachen Feuerstelle, entweder Reis, oder Kartoffeln, oder Plantanas, oder Yuka. Yuka schmeckt so ähnlich wie Kartoffeln und zerstoßene, gekochte Bananen mit Zwiebeln schmecken so ähnlich wie Eierspeise. Einzig beim Fischfrühstück hatte ich kurzzeitig so meine Probleme. Da es am Vortag „nur“ Plantanas und ein Spiegelei gegeben hat, kocht Valeria an diesem Morgen, nach dem Fischerfolg von Juanito besonders auf. Es gibt eine Reissuppe, mit Kartoffeln, Zwiebeln und Tomaten - und der Fisch (bzw. 2 pro Portion) wurde als ganzer auch zur Suppe gegeben. Ihr könnt euch vorstellen, wie schwer ich mir um halb 9 Uhr morgens getan habe, als ich das Fischfleisch von den Gräten zuzeln musste. Ich glaube, irgendwann hatte ich auch kurzzeitig ein Fischauge im Mund - bei einer Suppe weiß man das ja nie so genau - das hab ich dann aber doch still und leise zur Seite getan 😊 Das ewige Gräten heraussuchen war mir irgendwann auch zu blöd und wie ziemlich oft während dieses Trips hab ich (diesmal im wahrsten Sinne des Wortes) die Zähne zusammen gebissen und alles runtergeschluckt 😊 Bei der nächsten Fischmahlzeit war ich aber schon besser - hab nämlich herausgefunden, dass diese Grätenfiselei viel einfacher ist, wenn man von vornherein mit den Fingern isst 😊

Juanito und Valeria haben einige Hennen und einen Hahn, die interessanterweise ziemlich wohlgenährt scheinen (im Gegensatz zu den zahlreichen Hunden in der Gemeinde, die ausnahmslos alle bis auf die Knochen abgemagert sind und irgendwelche offenen Wunden haben, in denen sich alles mögliche Getier tummelt…) und überall in ihrer Cabaña herumstolzieren. Nur in ihren Schlafraum dürfen die Hennen eigentlich nicht - außer eine, die dort ihren favorisierten Platz zum Eierlegen hat 😊
Ich finde es beeindruckend, wie Valeria einfach hinter die Cabaña geht um Plantanas zu holen, oder wir mit Juanito einfach ein Stück in den Wald spazieren und ein paar Yukafrüchte ausgraben.

In letzter Zeit habe ich mich ziemlich viel mit diesem Projekt beschäftigt und bin vielleicht auch deshalb immer ein bisschen hin und her gerissen zwischen Faszination und Skepsis. Eigentlich denke ich mir immer wieder - was haben wir hier mitten im Dschungel verloren? Doch dadurch, dass ich nicht das Gefühl habe, dass Valeria und Juanito extra ein Programm für uns veranstalten (außer natürlich das Kaimansuchen, dass sie ohne uns sicher nicht gemacht hätten), sondern uns an ihrem Alltag teilhaben lassen und uns zeitweise als Arbeitskräfte einteilen, fühle ich mich von Tag zu Tag besser. Wir verlieren auch mehr und mehr die Scheu, Spanisch zu sprechen und unterhalten uns mit den Beiden über alles Mögliche.

Auch wir eigentlich nicht wirklich viel gemacht haben, sind wir jeden Abend um spätestens 8 Uhr todmüde und fallen unter unsere Moskitonetze. Das Anstrengende an dem Ganzen ist für uns wahrscheinlich die Hitze, auch wenn es regnet kühlt es eigentlich nicht ab. Da es kein fließendes Wasser gibt, gibt es natürlich auch keine Waschgelegenheit. Einmal gehen wir mit Valeria und ein paar Kids gemeinsam in den Fluss baden (bei der Kanuanlegestelle können wir ins Wasser gehen, weil es dort nicht soo viele Pirañas gibt und wir dort deshalb ziemlich sicher baden können). Das Gefühl, nach 2 Tagen Hitze und Schmutz, ohne jedigliche Möglichkeit sich zu waschen, in den schlammbraunen Fluss zu köpfeln ist so unglaublich, dass mir für kurze Zeit die Luft wegbleibt.

Ich hätte es mir wirklich nicht gedacht, aber nach kurzer Zeit verliert man jede Berührungsangst mit Schmutz, halbtoten, blutenden Fischen oder undefinierbaren Krabbeltieren am Kopfteil der Schlafstelle. (Nach diesem Trip kann niemand mehr ernsthaft behaupten, dass ich eine Tussi bin!) Natürlich musste ich mich einige Male ziemlich überwinden, doch wenn man keine andere Möglichkeit hat, kommt man mit fast jeder Situation zurecht.

Die Idee, die hinter diesem Projekt steht, ist die eines dualen Tourismus. Durch die Organisation und die Umsetzung soll ein beidseitiges Profitieren garantiert werden. Nun, nach meiner ersten Erfahrung kann ich sagen, in eine Richtung funktioniert dieses Projekt auf jeden Fall. Ich denke, dass ich unglaublich profitiert habe und viel gelernt habe, nicht zuletzt über mich selbst.
Ob und wie die Gemeinde Sanandita von diesem Tourismusprojekt profitiert, versuche ich in den nächsten Wochen herauszufinden.

bis dahin, saludos,

Clara


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mit Preciosamit Preciosa
mit Preciosa

ihr könnt euch nicht vorstellen, wie ich mir vor diesem Hund gegraust habe...aber da Preciosa unter keinen Umständen nass werde wollte, musste ich wohl oder übel als Unterstand dienen...
Blick von der Touristencabaña zur Schule...Blick von der Touristencabaña zur Schule...
Blick von der Touristencabaña zur Schule...

...die Schule ist das einzige gemauerte Haus in der Gemeinde


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