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Published: March 14th 2005
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sie ist klein, und sie ist gruen. sie hat magische anziehungskraft - das behaupten zumindest die palauaner, in eintraechtigem unisono mit den meisten anderen insulanern des westlichen pazifik, und verstauen sie liebevoll in eigens dafuer geflochtene basttaeschchen. die rede ist von der betelnuss, des palauaners lieblingsdroge.
pazifischer alltag ist nicht denkbar ohne diese wundergabe der natur, die auch an anderen orten dieser welt treue anhaenger hat (betelnuss ist ja neben allerlei gewuerzen und zuckerzeug die hauptingredient des indischen pan). hier in palau wird die nuss der betelnusspalme halbiert und mit ein wenig pulverisiertem lime stone und gegebenfalls ein wenig tabak in ein “pepper leaf“ eingewickelt; waehrend dieser fast schon rituell anmutenden vorbereitung des naechsten “chew“ findet der aufmerksame beobachter auch schon die ersten anzeichen fortschreitender seligkeit auf dem gesicht des betelianers, der diese kombination fuer ungefaher 20 minuten zu kauen gedenkt. nebenwirkungen? betelnuss bewirkt, sagen wir: vermehrten speichelfluss. selbiger ist tiefrot, und wird alle paar minuten irgendwohin hingero*z* (man sagt, die direktion des flughafen von yap habe angeordnet, alle boeden in eben diesem tiefen rot zu gestalten, damit die flecken nicht mehr so auffallen - betelnussflecken lassen sich naemlich nicht mehr entfernen. ob es stimmt, weiss ich nicht, aber die
boeden des flughafen von yap sind in der tat betelnussrot.). dieser rote speichel faerbt natuerlich auch die zaehne rot, und bei regelmaessigem genuss hilft da auch die neueste entwicklung von dr. best nichts mehr: betelnusskauer erkennt man sofort an dieser spezifisch roten faerbung im mundbereich, und am ruinenartigen zustand ihrer zaehne. bevor letztere naemlich aufgeben und ausfallend werden, werden sie immer schmaler (eine substanz der betelnuss scheint das zahnmaterial regelrecht abzutragen) und mangrovenartiger. kurz und gut, betelnusskauen wirkte auf mich irgendwie... wenig anziehend. das ganze wuerde in westeuropa auch vermutlich unter das drogengesetz fallen, nebenbei bemerkt, verleiht es dem delinquenten doch eine angenehme zufriedenheit mit sich und der welt, wie sie ist, eine tiefere einsicht in die aesthetik der inaktivitaet und eine geringfuegige sensibilisierung des tast- und hoersinns. (uebrigens: die “don’t drink and drive“-kampagne der regierung wirkt ein wenig humoristisch in anbetracht der tatsache, dass jede tankstelle betelnuesse verkauft... ) woher ich das weiss?
ueber wochen und monate hatte ich mich mal mehr, mal weniger galant gedrueckt; ich finde weniger den anblick eines betelnusskauenden menschen als vielmehr den betelnussgeruch schlicht gesagt abstossend. aber wenn ein palauaner dir etwas gutes tun will, dann hat er begrenzte auswahlmoeglichkeiten, und dir eine
betelnuss anzubieten ist definitv die erste wahl. abzulehnen ist so aehnlich wie deiner grossmutter zu sagen, dass du ihren gedeckten apfelkuchen, von dem sie immer dachte, es sei dein unangefochtenes leibgericht, immer nur ihr zuliebe heruntergewuergt hast. und als ich heute am marktplatz vorbeiging und unausweichlich haengenblieb, dort, wo alle frauen inclusive josepha staendig sitzen und parlieren, habe ich genau das nicht uebers herz gebracht, -- und meinem schicksal ins auge blicken muessen. (josepha hat mir mit engelsgeduld und ohne, dass sie nennenswerte englischkenntnisse haette, zahllose lieder zum aufnehmen vorgesungen.) spaetestens als sie ueber der komposition ‚meiner’ betelnuss halb frug, halb bemerkte, dass ich doch sicherlich heute schon etwas gegessen haette, haetten bei mir alle alarmglocken losgehen muessen (hatte ich natuerlich nicht, aber das wollte ich ihr, besorgt um jenes rosa dorfschwein, das als naechstes dem schlachter vorgefuehrt werden sollte, nicht unbedingt auf die nase binden. ich war auch viel zu beschaeftigt damit, mir einzureden, dass der grossvater der ethnologie, malinowski, genau dies mit der von ihm postulierten „teilnehmenden beobachtung“ meinte, und dass ich bestimmt das richtige taete; fuer die wissenschaft wollen schliesslich opfer gebracht werden, oder nicht...?) alldieweil ich also noch mit malinowski haderte, war josepha schon fertig mit
ihren vorbereitungen, und mit einem glaenzen in den augen ueberreichte sie mir ihr werk.
ich tat, was ich tun musste.
ich erinnere mich: mir war schon einmal so schlecht. damals war ich dreizehn, und hatte noch nie in meinem kurzen leben wodka lemon getrunken (seitdem uebrigens auch nicht mehr). aber dem betelnussgott sei’s gedankt, das ging vorbei, auch wenn ich nicht mal die haelfte dieser hoellenfrucht geschafft habe. (josepha fuehrte mein unbehagen uebrigens ausschliesslich auf meine inakzeptablen fruehstuecksgewohnheiten zurueck.)
in der sich anschliessenden stunde habe ich viele einsichten in die natur des palauanischen humors gewonnen, und vielleicht sogar annaehernd die mechanismen begriffen, mit denen betelnusskauende ‚uebersetzer’ bei interviews informationen kanalisieren und buendeln. hat malinowski also letzten endes doch wieder recht behalten? eines ist sicher, apfelkuchen hin oder her - fuer das naechste mal gilt: gebt den palauanern, was der palauaner ist, und den bleichgesichtern, was der bleichgesichter ist...
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