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Lass mich dir anstelle eines öden Blogeintrags eine meiner neuen Kurzgeschichten erzählen:
Max blickte der mit dem Tanklastzug beladenen Flussfähre hinterher, die träge auf das andere Ufer zu glitt. Wegen der Explosionsgefahr wollten die Fährleute keine anderen Fahrzeuge an Bord lassen, so das ihm nichts anderes übrig blieb als zu warten. Außer ihm hatte es nur zwei andere Fahrer so weit nördlich verschlagen. Kein Wunder, denn jenseits des Flusses erstreckte sich eine weitgehend menschenleere und ungezähmte Wildnis aus uralten Regenwäldern und zerklüfteten Bergen, die erst tausend Kilometer entfernt an Australiens nördlichsten Punkt, Cape York, endete. Max senkte den Blick auf den schlammig-trüben, durch die Regenfälle angeschwollenen, Fluss. Da und dort glaubte er die Umrisse jener riesigen Panzerechsen auszumachen, die von den Einheimischen lakonisch “Salties” genannt werden. Gemeint sind Leistenkrokodile, mit bis zu sieben Metern Körperlänge die größten Kroks der Erde, die in dieser Gegend besonders häufig vorkommen und jedes Gewässer, egal ob Süß- oder Salzwasser, lebensgefährlich machen. Für ihn machte das den besonderen Reiz dieses Landes aus - alles hier war gefährlich genug dem Alltag eine Prise Nervenkitzel zu verleihen. Aus Vorfreude auf die vor ihm liegenden Herausforderungen lächelte er still vor sich hin. Unwillkürlich strich er mit den Fingerspitzen
über die alte Narbe auf seiner Brust. Inzwischen war die Fähre ans diesseitige Ufer zurückgekehrt. “Es wird Zeit meinen Obolus zu bezahlen” dachte er, bevor er an Bord fuhr und übersetzte. Sobald er wieder festen Asphalt unter den Reifen hatte, trat er das Gaspedal durch und ließ den Motor vor lauter Vorfreude aufheulen. Zu beiden Seiten der engen und kurvigen Straße ragte wie eine Wand dichter Dschungel auf, dessen Blätterdach sich über ihr schloss, so das der Eindruck entstand durch einen dunklen, tiefgrünen Tunnel zu fahren. Der Regen nahm nun ebenso schnell zu wie die Sichtweite abnahm. Immer wieder flossen wahre Sturzbäche über die Fahrbahn, bei deren Durchquerung meterhohe Fontänen zu beiden Seiten des Fahrzeugs aufstiegen. “Gut, daß die heutige Etappe fast geschafft ist” dachte er, als plötzlich vor ihm ein auf der Straße geparkter Campervan aus der Regenwand auftauchte. Fluchend bremste er und kam gerade noch zum Stehen und musterte die auf den alten VW aufgemalten Blumen und Friedenssymbole. Neben dem Bus stand ein großer Mann mit grauen, schulterlangen, von einem schmalen Stirnband gebändigten Haaren. Bekleidet war er lediglich mit einer offenen bunten Weste, zerrissenen Jeans und Sandalen. “Nur ein Hippie kann so dämlich parken” dachte er zornig, als
der Mann ihn anlächelte, auf die andere Straßenseite zeigte und “You might wanna see this, mate” sagte. Als Max in die bezeichnete Richtung blickte, verschlug es ihm plötzlich den Atem. Zum Greifen nah stand dort das fremdartigste Lebewesen, das ihm je untergekommen war. Ein mannsgroßer Laufvogel mit aufgeplusterten schwarzen Federkleid, tiefblauer Haut und einem helmartigen Hornfortsatz auf dem Kopf. Leise griff er zur Schnappschußwaffe und glitt auf der dem Wesen abgewandten Seite aus dem Wagen. Er schlich auf leisen Sohlen zur Rückseite des Fahrzeuges und spähte dahinter hervor. Der Vogel musterte die Menschen ebenfalls aus kleinen, wachen Augen, nur um im nächsten Moment ungerührt weiter Futter aus dem Boden zu picken. Mit langsamen Bewegungen legte Max an und stellte scharf. Er wusste, daß er ein Wildtier dieser Größe nicht erschrecken durfte. Entweder es würde sofort fliehen oder angreifen - in beiden Fällen wäre die Gelegenheit vertan. Als der Vogel das nächste Mal den Kopf hob, drückte er ab - ein perfektes Foto! Vom strömenden Regen ungerührt beobachtete er den Vogel bis dieser zehn Minuten später langsam in den Wald verschwand. Der Althippie kam breit grinsend auf ihn zu und stellte sich als Mick vor. “What the hell was this?” Max
asked. “This is pure magic, mate! A Cassowary! This is like meeting a fucking dinosaur!” Mick hob seine flache Hand, Max verstand und schlug ebenfalls breit grinsend ein. High five! Neben dem alten VW entdeckte er eine junge Frau, vielleicht halb so alt wie Mick. Sie trug eine knallbuntes, indisch angehauchtes Gewand, das im wesentlichen aus einer Art Sarong und einem bauchfreien Top bestand. Hier im triefend nassen Dschungel wirkte sie darin gleichermaßen völlig fehl am Platz und als wäre sie hier zuhause. Mick bemerkte meinen Blick. “My daughter Luna” sagte er stolz. “Catch you later, mate. You have a good one!” Da es kurz vor Einbruch der Dunkelheit war setzten wir unsere Fahrzeuge in Bewegung. Elend langsam kamen wir Richtung Norden voran, bis wir an einem überfluteten Straßenstück ankamen. Es sah so aus, als wäre das Wasser hier mindestens einen halben Meter tief. “Keine Chance da mit unseren Fahrzeugen durchzukommen” dachte Max resignierend. Mick trat an seine Seite “End of the road for today”. “No worries, I know a place”. Sie fuhren die Straße eine halbe Stunde zurück und zweigten auf einen engen Weg ab. Ein kurzes Stück weiter sah Max, was Mick damit gemeint hatte. Mitten im Dschungel
stand hier ein verlassenes, leicht baufälliges Haus. Anstelle von Fenstern und Türen gähnten nur Löcher in den Wänden, aber das Dach war großteils erhalten. “Das wird reichen” dachte er während sie hastig alles notwendige ins Haus trugen.
Später am Abend, sie hatten inzwischen gegessen und ein Feuer in Gang gebracht, lag Max zufrieden am Rande desselben. Der Regen trommelte aufs Dach und aus dem Dunkel der Nacht tönten fremdartige Geräusche herein. Doch hier, in ihrer Oase aus Licht, war es trocken und angenehm warm. Mick nahm ein paar Züge seiner Selbstgedrehten und reichte sie dann Max weiter. Während dieser gedanken verloren rauchte, holte Mick ein Didgeridoo hervor und begann darauf zu spielen. Luna wippte im Rhythmus der Musik mit, stand auf und begann langsam ums Feuer zu tanzen. Max lächelte. “This is awesome!” dachte er, während er ihr zusah und der Musik lauschte.
Hiermit endet meine kleine Abenteuergeschichte. Sie schildert einen Teil meiner Erlebnisse an meinem ersten Tag auf Australiens Straßen und fand am 15. April 2016 auf der Strecke zwischen Daintree River Ferry und Cape Retribulation statt. Das einzig fiktive daran ist das Pseudonym Max, das ich als Übersetzung meines Namens ins australische Englisch verwendet habe 😉
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