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Published: December 30th 2007
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16.12.
der morgen beginnt kurz vor mittag mit einem kurzen internetbesuch zum frühstück. nach tagelangem warten gibt's endlich mal die ersehnte post von der schönsten frau der welt. sie schreibt aus dem norden, in der ersten person plural, das ist neu, ist erbost über respektlos uneingeladene gäste und will ganz bestimmt nicht vorbeikommen. könnte baja california sein, manchmal muß man weit fahren um etwas über seine lieblingsleute herauszufinden. da tobi von der antifa und ich die stadt somit heute für uns haben gehen wir auf safari ins centrum. wir landen irgendwo in der nähe des zocalco, diskutieren über privastisierung in einer stadt, in der 35mio menschen wasser in plastikflaschen von coca-cola und nestle trinken müssen um nicht am durchfall zu verenden (man schaue für gegenteilige ideen florian opitz film "der große ausverkauf") und arbeiten uns zum hauptplatz vor. der ist für die adventszeit zur fußgängerzone mit schlittschuhbahn erklärt worden und auf den dafür gesperrten 8 spuren kreisverkehr führen die azteken ihre stammstänze vor. während ich noch bilder machen will ist schon pause, und eine bezaubernde indianerin namens perla adoptiert uns. sie erklärt uns die tänze, stellt uns die verwandten und kollegen vor, übersetzt den sinn der ansprache des häuptlings an das
publikum in einfaches spanisch und führt uns die kostüme mit den tierverkleidungen und mystischen figuren vor. am verkaufsstand der truppe gibt es neben viel spektakulärem kunsthandwerk sogar ein wörterbuch nuhatl-spanisch, nuhatl ist die sprache, die die 300000 azteken die die stadt vor der spanischen invasion bewohnt haben gesprochen haben. irgendwie fange ich an zu zweifeln ob die spanier das land wirklich erobert haben oder ob die indianer ihnen das nur gesagt haben, damit sie ruhe geben. perla ist aus puebla, und alle tänzer kommen irgendwo aus dem tal um mexico-city und gehören zum selben stamm. wir versprechen für die nächste vorstellung wiederzukommen.
nebenan räuchert ein anderer häuptling die bösen geister der schlangestehenden gläubigen fort und segnet sie für spenden. wir gehen hinüber in die hauptkathedrale und besichtigen die riesigen kirchenschiffe mit ihren malereien und schnitzereien, die im gegensatz zum eingang ungefähr so schräg stehen wie der schiefe turm von pisa. das stadtzentrum steht auf dem boden eines ausgetrockneten sees, der hier im mittelalter die azteken vor invasoren geschützt hat, der seeboden gibt bei monströseren gebäuden gerne mal nach, sieht fastzinierend aus, wo kolonialherren sich doch so gerne monumente setzen. im mittelschiff beginnt gerade ein adventsgottesdienst, musik und gesang begleiten uns
bis zur tür, eindrucksvolles plätzchen, auch wenn ich bei der schräglage hier nicht das nächste erdbeben erleben wöllte. draußen gehen wir zurück zu unseren indianern, perla fügt als sie uns bemerkt dem erntedanktanz einige extrapirouetten hinzu und lächelt begeistert. nach dem auftritt kommt sie wieder zu uns und erklärt was wir gesehen haben, wir sind ganz verzaubert und fangen an den verdacht zu hegen daß das ländle noch viel symphatischer gewesen sein muß bevor die spanier hier ihre goldvorräte auffüllen gekommen sind.
uns unterhaltend zurück vor der kathedrale werden wir von einer angenehmen damenstimme von hinten verblüfft: "mein freund kann nicht so gut mit euch sprechen, aber er würde gerne mit euch spielen" in bestem universitätsdeutsch, wir drehen uns um und lorena und juan stehen in opernkleidung vor uns. beide studieren am konservatorium, lorena hat gerade in der kathedrale gesungen und wird opernsängerin, ihr freund studiert gitarre, und ich habe meine auf dem rücken. wir suchen uns ein ruhigeres eckchen des platzes zu füßen von zwei über die abwechslung erfreuten polizisten, ich eröffne mit den stones, juan gibt einige flamencos, den letzten mit lorena am gesang, spektakulär schön. wir sind so gut daß die polizisten sogar mit aufs beweisfoto kommen,
juan beendet mit brian may und ich mit queen, während lorenas nachgekommene freundinnen sich für tobi an den percussions begeistern. juan zeigt mir noch einige flamencogriffe zum daheim üben und wir einigen uns darauf, daß eine 14auf56er- straßenmusikbesaitung in westernstahlsaiten für flamenco unoptimal ist und höllisch weh tut. beim essen holen werden wir ein weiteres mal als deutschsprachig enttarnt, ein alter ami der nach dem zweiten weltkrieg als besatzer in deutschland war begeistert sich für uns, erzählt uns die strategischen meisterstreiche des großen führers, daß er viel darüber gelesen habe bevor er vor dreißig jahren nach mexico-city gekommen sei um auf der straße zu leben. außerdem erklärt uns der 77jährige das amerikanische geheimnis der gesundheit: keine pillen, kein alk, kein sex und keine kippen, und bloß nie zum doktor. das gesundheitssystem seines heimatlandes macht die einhaltung der diät natürlich auch leicht. wir verkrümmeln uns bevor einer auf die idee kommt seine politischen erörterungen zu übersetzen.
wir laufen wie seit gestern vorgehabt in richtung plaza garibaldi, je näher wir dem mystischen ort kommen desto schräger werden die klamottenläden, kurz vor dem platz gibt es rote cowboystiefel aus dickem leder von einheimischen krokodilen für 60 dollars zum weihnachtspreis, ich kann der versuchung
ausnahmsweise geradeso wiederstehen, da ich nicht immer lange anekdoten erzählen mag wenn mir jemand auf die füße guckt. am platz und an den umliegenden imbissbuden und bushaltestellen wimmelt es von stolzen herren im sonntagstangocowboyoutfit, die mariachis kommen ursprünglich aus einer nördlichen nachbarprovinz und werden zum minnesang gemietet, wahlweise für mitgebrachte damen direkt auf dem platz, oder für 1h30 nachts unter dem balkon der angebeteten, natürlich ohne vorankündigung. stolze familienväter mit gemahlin und töchtern lassen für ihre chicas aufspielen, die herren mit den schwarzen hüten geben alles, das schmalz trieft wundervoll durch die luft, und die fliegenden händler bieten polaroidfotos, schwarze sombreros mit viel lametta, zuckerwatte und tequila feil. in dieser unbeschreiblichen szenerie macht natürlich meine diafilmkamerabatterie schlapp, und mexico zeigt mal wieder sein unglaubliches talent für's unmögliche: eine straße weiter findet sich ein juwelier, der sonntags abends um halb zehn die passenden batterien für japanische neuzeitprodukte verkauft. der film wird also mit mariachis gefüllt, und dann folge ich der einladung eines der bandleader zum mitspielen. da ich offensichtlich neu auf dem platz bin gibt mir einer der rentner der band nachhilfeunterricht in dramatischer anschlagtechnik, schmachtenden akkordfolgen und ergebenem auftreten. ich bin fasziniert. nach soviel tradition ist uns nach punkrock zumute,
die zona rosa entpuppt sich aber als schickimickiviertel mit bauhaushäusern von nach dem letzten erdbeben, und tobis liebligsalternativeschuppen hat sonntags ruhetag. wir fahren also beinahe zurück zur plaza garibaldi abendessen, da fällt uns auf dem metroplan coyoacan ins auge. das ist kurz vor dem univiertel, das eigentlich dazugehört, und ist ein altes indianerdorf von dem das hauptaquädukt in die aztekenstadt ging. die spanier haben die letzten paarhundert jahre genutzt um die baustile etwas zu vermischen, neben einem pflanzenpark gibt es häuser berühmter künstler und exilanten, frida kahlo und leo trotzki haben hier gewohnt, letzterer kam leider bei einem tragischen unfall mit einem kgb-mann und einem eispickel ums leben, in seinem haus residiert neben dem museum eine asylrechtsorganisation. auf dem hauptplatz von coyoacan (dem platz der coyoten, logisch, eigentlich) macht abends um 11 gerade der markt dicht, die kneipen sitzen voll, und das künstlercafe vorne links wirbt damit, daß sie keine american-express-karten nehmen. leider wissen weder die polizisten noch das partyvolk, wie man von hier zu fuß nach copilco kommt, was der 3km entfernte vorort ist, aber städter sind ohne u-bahn halt hilflos. richtung metro finden wir an einem weg gesäumt von schönen alten häusern die hauptstraße und daß wir schon
halb da sind, und entlang eines für 35-millionen-einwohnerstädte unrealistisch beschaulichen bachlaufes gehen wir heimwärts. vor dem walmart gibt's noch salmonellentempel zum mitnehmen, tobi zuehren nehme ich torta schweizer art, mit drei sorten käse, guacamole und salat in leitungswasser gewaschen. dazu gibt's ananaslimo, klasse. auf dem heimweg schaue ich noch mal bei meinen lieblingsstudentinnen vorbei, doch auch heute ist der balkon dunkel, obwohl die tageszeit mal wieder genau perfekt der ortstradition entsprechend zum für die nachbarinnen singen wäre. künstlerisch unerfüllt aber ansonsten vom gastdorf begeistert gehe ich zurück ins hostel, es gibt auch keine post aus baja california, also lege ich mich um tausend eindrücke und eine einladung zu den hausbesetzern am vierwaldstädter see reicher ab.
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