Endlich Wochenende


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October 10th 2005
Published: October 10th 2005
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Also gut, kurzer Ueberblick ueber das Wochenende.

Samstag hatte ich ein kurzes Treffen mit dem Direktor von dem Sprachzentrum in Tscheljabinsk.

Da diese Stadt so lange verschlossen war, auch fuer Russen, sind die Leute hier nicht unbedingt daran gewoehnt Kontakt zu Auslaendern zu haben. Somit kam es auch schon zu verschiedenen Vorfaellen (postitiv und negative) im Bezug auf meine Herkunft. Sobald jemand bemerkt das man fremd ist, fangen sie an zu fragen (auch auf Russisch) und versuchen mit dem Fremden zu kommunizieren. Also, sobald ich mich mit jemand auf Englisch unterhalte, bildet sich in nullkommanichts eine Traube um mich wie wenn ich irgendein Heilsverkuender bin. Das passiert meist an Bushaltestellen bis dann irgendwann mein Bus kommt bin ich dann in ein Gespraech verwickelt, welches bilingual gefuehrt wird. Sie reden alle durcheinander auf russisch und ich rede auf englisch. Die Gespraechsthemen von mir und denen haben meist nicht allzu viel miteinander zu tun. Ich sage das ich nichts verstehe und dennoch reden alle weiter ohne auch nur im Ansatz zu reagieren. Aber immer sehr freundlich und trotz der Kommunkikationsschwierigkeiten immer interessiert. Das witzigste ist das, wann immer Leute nicht verstanden werden sagen sie den gleichen Satz erneut nur lauter. Ich finde das immer wieder erstaunlich.
Weiterhin haben sich auch schon Leute im Bus beschwert die es unhoeflich fanden das ich englisch mit den Leuten von AIESEC spreche. Wir haben dann ueberlegt ob wir auf deutsch weiterreden sollten, aber es waere wahrscheinlich nicht einmal irgendwem aufgefallen.

Nun, auf jeden Fall gibt diese Schilderung eine Erklaerung weshalb ich sehr gefragt bin (American Corner und ein Sprachzentrum wollen das ich jeweils Praesentationen ueber Deutschland bzw meine Zeit in den USA halte). Da die natuerlich wissen das auch in Russland alles seinen Preis hat und ich ein vielbeschaeftigter Kerl bin (Har Har…), haben sie mir ein Mobiltelefon zur Verfuegung gestellt. Natuerlich muss ich alles selbst zahlen, aber die Hardware ist geliehen. Finde ich klasse, ueberhaupt sind die Leute alle sehr nett, wann immer ich etwas brauche (oder man denkt das ich etwas brauche) wird es von irgendwem Bekannten (oder nur Erkannten) besorgt. Wie das Mobiltelefon, jeder hat mich immer damit genervt, nun habe ich endlich eines. Obwohl es nicht wirklich wichtig ist, ist es aber doch viel bequemer, besonders in der Gegend wo ich abends immer hin muss. Der allgemeine Abschiedsgruss an mich ist zur Zeit auch nicht ciao, oder bye oder so, sondern Viel Glueck!

HA, habe soeben einen Anruf bekommen das ich heute abend umziehen kann. In ein sichereres Gebiet in die Innenstadt, kost mich glatt das fuenffache. Seit einer Woche will ich umziehen. Aber wie gesagt, ist alles wie an der Bushaltestelle, keiner weis wann der Bus kommt, aber er wird kommen, frueher oder spaeter. Somit werde ich heute umziehen. Hoffentlich!

Durfte auch am Wochenende einmal Autofahren (nur mal kurz, dann habe ich das Auto dankend wieder abgegeben, ich glaube da hatte ich nicht genuegend Alkohol intus). Hier wird gefahren wie, nunja, wie man sich das halt so in Russland vorstellt. Alles was sich irgendwie fortbewegt ist auf der Strasse, und wenn es sich dann halt nicht mehr fortbewegen kann, so bleibt es halt liegen. Auf der Strasse. Das Gute war, ich bin einen VW Passat gefahren, neueres Modell, und hier gibt es zwar nicht viele Regeln, aber eine sehr wichtige: Das teuere Auto hat Vorfahrt!

Wo wir bei dem Verkehr sind. Ich will ehrlich sein, ich bin schwer zu schocken. Besonders vom Verkehr. Aber ich habe am WE mitbekommen, dass das Leben in Russland entgegen aller Erwartungen nicht langsamer ist. Man lebt zwar gelassener. Aber auf der Heimfahrt am Sonntag haben wir einen Motorradunfall gesehen. Zumindest das Resultat. Ein zugedeckter Koerper und ueberall Blut auf der Strasse. Ich war schon ein wenig geschockt, doch die Autos fuhren weiter, durch die Blutlache usw. Es wurde quasi nur leicht um die Leiche herumgefahren. Im Bus sagte irgendwer: “mhm, der ist wohl tot”, doch schon 20 sek. spaeter war alles vergessen. Somit finde ich schon, dass das Leben schneller geht. Zumindest werden Ereignisse schneller verarbeitet. Man nimmt alles einfach hin. Schicksalsglaube ist sehr stark hier. Der Glaube, dass das Unabwendbare letztlich doch passieren wird.

Egal, zurueck zu positiven Dingen. Ich war auf einer Studentenparty am Samstag. Mein Mitbewohner (Schenja - steht fuer Jewgenij) nahm mich mit. War eigentlich echt lustig. Halt eine normale Studentenparty wie in Deutschland. Aufregend war fuer mich die Heimfahrt. Angesichts der Region in welcher wir wohnen und wo wir Samstag nachts noch zurueck mussten, habe ich mich sehr zureuckgehalten mit jeglichem Alkoholgenuss. Schenja weniger, er sagte mir immer wir kommen sicher heim, per “Lewit Tatschku”. Damit war ich zufrieden. Bis wir uns dann um 0230 auf den Heimweg machten.
Zum Strassenrand. Er hob den rechten Arm und wartete. Und ich flippte innerlich fast aus. Wir trampen! Ich fragte Ihn weshalb er mir nicht gesagt hat das wir trampen werden, dann haette ich doch lieber den letzten Bus genommen. Er antwortete das wir nicht trampen…
Aber gut, man kann nichts aendern, man muss mit solchen Situationen umgehen. Dafuer bin ich schliesslich hier, sonst haette ich auch bei Lidl bleiben koennen. Also sind wir heimgetrampt. Wir mussten auch nicht lange warten, das erste Auto was kam (nach 3 Min.) nahm uns sofort mit. Die sahen wirklich nicht unbedingt nett aus, und in Deutschland haette man vielleicht die Strassenseite gewechselt, aber was kann man machen? Also eingestiegen, ich meine Rolle gespielt (die ganze Zeit grimmig gucken und bloss nichts sagen!), und wir sind heil angekommen.
Am Ende fand ich auch heraus das wir wirklich nicht getrampt sind, sondern wir haben fuer die Fahrt bezahlt. Somit hatte Schenja recht behalten.

Also, Resumee:
1. Russen sind normalerweise ehrlich
2. Lewit Tatschku ist billiger als Taxi, aber teurer als Bus, und nicht nur nach parties normal
3. Bestnote fuer meinen grimmigen Blick

Sonntag habe ich auf einem Russischen Markt noch eine Muetze (westlichen Style) und Socken gekauft fuer insgesamt 5 Euro. Dabei hat die Muetze ca. 4,50 Euro gekostet, und dabei haben die handgemachten Wollsocken (Das Material ist irgendetwas zwischen Wolle, Bueffelhaar und Schilfrohr) sicherlich mehr Masse. Der russische Winter kann kommen).

A propos Winter. Zur Zeit ist es wirklich sonnig hier, aber dennoch recht kalt. Schnee wird in den naechsten zwei Wochen erwartet. Schaun wir mal. Bin sogar zum Skifahren eingeladen wurden, (nach Magnitogorsk, ist in der Naehe im Ural. Wobei ich noch nicht wirklich sicher bin wie Nah “in der Naehe” wirklich ist). Auch sonst wird man andauernd eingeladen. Ich habe mir mitlerweile einen Terminplaner angeschafft um den Ueberblick zu behalten. Ich werde immer als typisch deutsch belaechelt wenn ich den heraushole um ein Treffen auszumachen.
Aber wenn mal etwas schiefgeht, ich habe ja jetzt mittlerweile ein Mobiltelefon…

Ich muss auch feststellen das die Unterschiede zwischen arm und reich hier sehr gravierend sind. So zahle ich als miete zur Zeit 55 Euro/Monat. Warm. Heute Mittag hatten wir ein Geschaeftsessen und es gab Gerichte fuer 18 Euro. Diese waren nicht einmal sonderlich gut. Aber ca. 1/3 meiner Monatsmiete. Und dennoch muss ich heute abend noch Pizza essen gehen weil noch richtig Hunger habe. Da sind die Preise aber gaengiger, 1 Riesenpizza kostet ca. 3,50 Euro. Und schmecken tut das auch. Zumindest besser.
Ich bin allerdings auch schon in einer Mensa gewesen (Stalowaja). Es war alles SEHR schmutzig. Da gab es Essen fuer 0,80 cent aber das musste ich mir wirklich reinzwaengen.
Der Trick ist sich selbst zu Ueberlisten, an irgendewas schoenes denken und dann moeglichst schnell viel reinzuschaufeln. Und ohne viel kauen zu Schlucken. Und danach jegliche Reize mit irgendeinem Getraenk niederzukaempfen. Ich will nicht uebertreiben, aber das war wirklich eines der schlimmsten Essen was ich seit langem gegessen habe, und ich habe immer noch nicht darueber nachgedacht was es eigentlich war. Irgendwie in Richtung Ravioli, aber das Fleisch war nicht wirklich zart, es hat beim kauen geknackt. Hoffentlich war es ueberhaupt Fleisch.

Abschliessend ist zum Essen zu sagen das ich noch nicht wirklich daran gewoehnt bin, und noch keinen Weg gefunden habe mich ausgewogen zu ernaehren. Es ist mir zum Beispiel ebenso aufgefallen das industriell abgefuellte Flaschen hier verschiedene Fuellmengen haben. Kleiner Test fuer zu haus: Wenn Ihr in einen Laden geht und an der Getraenkeabteilung steht, dann koennt Ihr die einzelnen Pepsi Flaschen nicht unterscheiden. Jedoch hier ist das anders. Nicht bei Pepsi, aber die Verpackung bei den einheimisch abgefuellten Flaschen ist von Flasche zu Flasche verschieden. Doch mehr noch, in den Flaschen sind sogar verschiedene Fuellmengen. Somit kann man sich also die Flaschen suchen die das meiste darin haben, obwohl alle von der gleichen Marke sind. Das hat mein Discounterblick natuerlich sofort erspaeht.

Auf Arbeit geht alles soweit seinen Gang, nur das ich nicht wirklich viel zu tun habe. Es arbeiten tierisch viele Leute hier (vielleicht 25?) aber ich kann nicht sagen wer was macht. PC s werden willkuerlich ausgetauscht, plaetze gewechselt und so weiter. Es gibt zwei Chefs, beide heissen Edward. Dem einen ist der Bereich mit mir Untergeordnet und dem anderen gehoert alles. Der hat mich auch eingstellt, und ich bin froh das wir nicht, wie im Geschaeftsleben hier eigentlich ueblich, das ganze mit Vodka begossen haben. Der sieht echt aus als ob der im Training steht. Nichtsdestotrotz ist das ein heller Kopf, der immer da sitzt und sich bequatschen lassen ohne mit der Wimper zu zucken. Sobald aber irgendeine Moeglichkeit entsteht Geld zu machen, dann ist er hellwach. Man sieht das eigentlich nicht, er regt sich nicht, man bemerkt das nur an seinem Blick der sich kaum merklich veraendert. Wie dem auch sei, ich habe so ein Gefuehl das der Kerl weiss wie man Geld macht. Aber vielleicht ist das auch die Nachwirkung der russischen Verhandlungstaktik bei wichtigen Geschaeften. (Vodka, Sauna, Jagen, Frauen und natuerlich Essen - alles im grossen Stil).

So, das war es fuer heute, macht keinen Unsinn in Deutschland (oder besser - wartet auf mich damit).

Euer Martinowitsch



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10th October 2005

:)))
Es ist echt selten, dass man allein vorm Rechner sitzt und beginnt nicht nur zu grinsen, sondern zu lachen! Die Art und Weise wie Du Deine Texte schreibst ist einfach nur köstlich... Nun denn, ich hoffe mit Deiner neuen Wohnung hast Du mehr Glück und das Bett lässt Dich etwas erholsamer schlafen... :) ... immer mit nem Lächeln im Gesicht... der oli

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