Indien macht süchtig - unser 4ter Besuch: 31 Tage im April/Mai 2015 (NOCH IN ARBEIT)


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Asia
May 16th 2015
Published: May 17th 2015
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Route 2015


((Warnung:Das hier wird wieder sehr, sehr lang. Die Bilder stehen aber immer immer in der Nähe der passenden Berichte, also kann man auch nur rund um interessante Bilder lesen))

Indien macht süchtig, so viel ist schon mal klar. Seit wir in 2010 zum ersten Mal da waren dauert es nach der Heimkehr maximal 6 Monate bis einer von uns sagt, "eigentlich könnte man mal wieder..." Ok, meistens bin ich die, die das zuerst sagt. Aber spätestens, wenn wir beide angesichts einer TV-Doku mit beliebiger indischer Straßenszene unisono "Hach, Indiaaa" seufzen, wird es wieder Zeit. Route planen, Tickets kaufen, Packen, die Katze(n) aus dem Gepäck entfernen, losfahren... und hoffen, dass die Deutsche Bahn nicht ausgerechnet am Anreisetag wieder ein Problem mit streikenden Lokführern hat.

Nachdem wir bei den ersten drei Trips jeweils mit Auto und Fahrer unterwegs waren, soll es diesmal der erste echte solo Trip werden, also nur wir beide unterwegs mit der indischen Bahn. Die streikt wenigstens nicht und ist auch ansonsten ziemlich effektiv.

Anreise

Von Frankfurt geht es wieder mit Air India nach Delhi. Das hat sich - sieht man von einer etwas abenteuerlichen Landung 2013 in Mumbai mal ab - bei den letzten Reisen bewährt. Außerdem ist dieser AI 120 einer der wenigen Flüge, der zu zivilen Zeiten in Delhi landet, also nicht nachts um 3, sondern gemütlich um kurz vor 10 am Morgen. Ankommen und gleich durchstarten, statt wie ein Zombi nachts umherzuirren.

Nun fliege ich ja eh nicht gerne, aber diesmal steige ich mit einem noch viel mulmigeren Gefühl in den Flieger. Es ist der 25. März 2015 und erst gestern ist ein Flugzeug von Germanwings in Frankreich abgestürzt. Das war auf dem Weg nach Düsseldorf als es an einem Berg zerschellte. Keiner der 150 Menschen an Bord, darunter viele Schulkinder, die vom Schüleraustausch in Spanien zurück kamen, hat überlebt. Die Medien kennen derzeit kein anderes Thema. Gar nicht gut für Leute mit Flugangst, wie mich. Noch ist völlig unklar, was passiert ist und die Spekulationen gehen in alle Richtungen. Erst im Laufe der nächsten Tage wird sich die ganze Tragik der Geschichte zeigen, denn der Copilot hat den Flieger wohl absichtlich gegen den Berg gelenkt, als er alleine im Cockpit war. Der Pilot muss pinkeln, verlässt das Cockpit und der Copilot lässt ihn einfach nicht mehr rein sondern lenkt den Flieger im Sinkflug gegen einen Berg. Seit der Anschläge vom 11. September 2011 kann man die Cockpitüren nicht mehr von außen öffnen und so mühte sich der Pilot vergeblich, die Katastrophe zu verhindern. Was für eine furchtbare Geschichte...

Unser Flug verläuft angenehm ereignislos. Es rumpelt zwar immer mal wieder etwas und vorzugsweise gibt es diese Turbulenzen dann, wenn ich grad dabei bin, einzuschlafen, aber wir bleiben oben. Angesichts der wild schwankenden Tragflächen ist das für mich ja immer wieder ein Wunder. Immerhin der Dreamliner ist ein bequemer Flieger, das Essen an Bord authentisch indisch und das Unterhaltungsprogramm bietet ausreichend Indien-Dokus und Bollywoodfilme, um so richtig in Stimmung zu kommen. Als ob wir das bräuchten...

Erfreulicherweise schafft es diesmal auch unser komplettes Gepäck zusammen mit uns zum Ziel. Im letzten Jahr mussten wir eine Woche ohne Klamotten auskommen, weil der entsprechende Koffer seinen Anschlussflug verpasst hatte. Letztendlich war das eine gute Erfahrung, denn so wissen wir jetzt, wie wenig man tatsächlich braucht und können entsprechend packen. Da wir mit Rucksacktrollys unterwegs sind, kommt es durchaus auf Menge und Gewicht an. Und wenn wir erst mal die ca 5 kg Schokolade und Geschenke losgeworden sind, die wir mitschleppen merkt man vielleicht auch, dass wir knapper gepackt haben.

Raus aus dem Airport und rein in die Metro. Diesmal wartet draußen keine Auto auf uns und wir müssen uns auch nicht 1,5 Stunden im Schneckentempo durch das Verkehrschaos und den Smog von Delhi kämpfen. Wir ziehen uns für 100 Rupies (ca. 1,46 €) einen Fahrschein (oder besser einen Chip), bringen einen Sicherheitscheck wie am Flughafen hinter uns und fahren mit der Metro in 15 Minuten direkt nach Paharganj. Da, im Traveller-Viertel von Delhi, haben wir uns für eine Nacht in einem einfachen Hotel eingemietet. Morgen geht es mit dem Nachtzug nach Udaipur.

Die Metro ist toll. Hypermodern, super sauber und unschlagbar schnell. Mal fährt sie unterirdisch, mal als Hochbahn auf Stelzen. Dann hat man einen guten Blick auf den stehenden Verkehr auf den Straßen und die gelbe Dunstglocke über der Stadt. Von der Endstation aus sind es noch 10 oder 15 Minuten bis zum Hotel. Wir machen 30 draus, weil wir erst keinen Weg finden, wie wir die mindestens 15 Gleise des nahe gelegenen Bahnhofs überqueren. Tja, unausgeschlafen wie wir sind lassen wir uns doch glatt von einem Typen weis machen, man dürfe nur mit Zugticket auf den Überweg. Erst als er was vom "Tourist Office" faselt, zu dem er uns bringen will, wird uns klar, dass wir dabei sind, auf einen der ältesten Schwindel rein zu fallen. Man lotst Dich zu einem falschen Tourist Office und Dir will falsche Tickets oder sonstwas andrehen. Wir lassen ihn stehen und kurz darauf lotst uns ein hilfsbereiter anderer Mann wieder genau zu besagtem Überweg. Das ist der richtige Weg. Nein, nein, man braucht natürlich kein Ticket. Also nur rauf, rüber, runter und dann noch ein paar Minuten durch das Gewusel von Pahargaj und wir stehen vor unserem Hotel. Jetzt erst mal ein Stündchen schlafen.

Paharganj ist ganz und gar auf Traveler und Touristen ausgelegt. Ein Klamotten- und Souvenirladen reiht sich neben den anderen und man bekommt hier alles, was man auf seiner Reise brauchen kann und dazu auch noch all das, was man in unzähligen Souvenir Shops unterwegs vielleicht schon gesehen, aber bisher nicht gekauft hat. Ledertaschen- und gürtel aus Rajasthan, Schals aus Yakwolle aus dem hohen Norden, kitschige T-Shirts von überall, Klangschalen, Silberschmuck, Seidentücher etc. Dazu Ketten und Schlösser für Zugreisen, Schlafsäcke, Reisetaschen und Rucksäcke.

Auch kulinarisch gibt es für jeden was. Marktstände, ein Omlettverkäufer, Bars und German Bakerys, Pizza und Streetfood. Mit Mühe kann sich Thorsten vom verlockenden Lassi fernhalten. An Tag 1 sollte man seine Verdauung vielleicht noch pfleglich behandeln und ihr etwas Zeit geben, all die neuen Bakterien in der Umgebung kennen zu lernen. Wobei ich ja die Theorie habe, dass wir nach inzwischen drei Indienreisen schon ganz viele indische Gastarbeiter in unserer Darmflora haben, die sich einfach nur freuen, endlich mal wieder daheim zu sein.

Ein erstes köstliches Alu Tikki muss als Mittagessen reichen, denn am Abend treffen wir uns mit Ajay unserem Fahrer und Guide aus India II und seiner Familie. Da gibt es erfahrungsgemäß mehr als genug zu essen. Wir bummeln umher und genießen es, wie sehr wir uns gleich wieder zuhause fühlen. Komisch, wir müssen uns gar nicht an den wilden Verkehr und das Gehupe gewöhnen. Stattdessen überqueren wir locker die Straße, treiben durch die Masse an Autos, TukTuks und Fahrädern, als wären wir nie weg gewesen. DAS war aber bei India I noch ganz anders, erinnere ich mich. Scheinbar ist es mit der Akzeptanz des Indischen Straßenwahnsinns wie mit Fahrradfahren: wenn das Gehirn das erst mal gelernt hat, vergisst man nie wieder, wie das geht.

Am Abend holt uns Ajay ab und wir fahren raus zu seinem Haus. Das heißt mal eben eine gute Stunde Fahrt - oder eher stop and go - bis in einen der nördlichen Außenbezirke von Delhi. Wie schon bei unserer gemeinsamen Tour vor 2 Jahren stimmt die Chemie zwischen uns vom ersten Moment an. Das ist gut so, denn in 3 Wochen wollen wir uns wieder mit ihm treffen und noch mal für 10 Tage gemeinsam auf Tour gehen. Dann wollen wir hoch in den Norden, dahin wo die Berge auf die Ganges Ebene treffen und man mit eigenem Wagen doch besser voran kommt aus mit Zügen und Bussen.

Aber heute gibt es erstmal ein wunderbares Abendessen, Schokolade & Co für seine Kids, viele Geschichten, ein paar Stromausfälle und nur nebenbei etwas Planung für unseren Trip. Es ist ein Abend voller guter Gespräche. Von den Veränderungen in der indischen Gesellschaft und was diese wohl für die Zukunft der beiden Söhne (4 und 8) bedeuten werden, über den Klimawandel und die heißen Sommer in Delhi bis hin zu der furchtbaren Geschichte des Flugzeugabsturzes in Frankreich. Inzwischen gibt es die ersten Gerüchte über einen Selbstmord des Copiloten und wir alle können kaum glauben, dass so etwas wirklich passieren kann.

Sahai Rohilla Station

Unser Zug nach Udaipur geht erst am Abend, also haben wir viel Zeit, uns ausgiebig in Delhi herum zu treiben. Auch diesmal schaffen wir keine der Touristenattraktionen, denn statt zum roten Fort und ähnlichen Zielen zieht es uns wieder nach Old Delhi. In den engen Gassen mit ihren Bazaren und dem tollen Gewürzmarkt können wir ganze Tage zubringen. Aber erst muss das Gepäck weg.

Zum Glück gibt es an den meisten indischen Bahnhöfen Gepäckaufbewahrungen, sogenannte "Cloak Rooms" in denen man gegen 15 Rupies je Gepäckstück seine Sachen sicher aufbewahren kann, bis der Zug geht. Also ab in ein TukTuk und hin zum richtigen Bahnhof . Delhi hat derer nämlich eine ganze Reihe und um böse Überraschungen zu vermeiden schaut man lieber dreimal nach, von welchem denn der gebuchte Zug abfährt. Wir müssen nach Sahai Rohilla und eine Fahrt dahin sollte uns um die 100 Rupies kosten, erfragen wir im Hotel. Klar will uns der erste TukTuk Fahrer so richtig ausnehmen. Also unter 350 Rs ginge nix. Wir lachen nur und gehen weiter. Schon der zweite ist bereit, uns für 120 Rs zum Bahnhof zu bringen und da er ein richtig netter Kerl ist, lassen wir uns später auch für weitere 100 Rs nach Old Delhi bringen.

Aber erst bekommen wir eine Lektion in indischer Bürokratie, denn das abgeben zweier Gepäckstücke erfordert eine Menge Papierkram und Manpower. Die Koffer müssen mit Schlössern abgeschlossen, Tickets und Pässe müssen vorgezeigt werden, allerlei Zettel mit vielfarbigen Durchschlägen werden ausgefüllt und Eintragungen in riesigen Kontorbüchern gemacht. Dann bekommt das Gepäckstück eine Kreide Markierung oder alternativ einen aufgeklebten Zettel und wird in einem Aufbewahrungsraum weggeschlossen. Mein Versuch, die ganze Prozedur zu fotografieren wird energisch abgewehrt. "Photo not allowd" !!! Na sowas. Scheint sicherheitsrelevant zu sein, was die hier treiben. Oder ich soll nicht ablichten, dass hier 4 wichtig aussehende Beamte sitzen und scheinbar nichts zu tun haben, denn außer unseren Koffern wartet nur noch ein anderen Gepäckstück in besagtem Raum. Bei 30 Rs Einnahmen kann das nicht wirklich kostendeckend sein...

Als wir endlich unser Gepäck los sind, lernen wir Tyron kennen, einen jungen Mann, der in Ajmer geboren wurde und heute auf der Karibikinsel Saint Martin lebt. Eigentlich heißt er anders, sagt er, aber Tyron kann man auf der Insel wenigstens aussprechen. Von Indien hält er nicht so viel und ist nur hergekommen, um sein Visum verlängern zu lassen. Das Angebot seines Chefs, doch ein paar Wochen Urlaub daheim zu machen schlug er aus. Er will so schnell wie möglich zurück. So verschieden ist die Wahrnehmung - uns zieht es immer wieder hierher, er will nur weg. Wir plaudern eine Weile bei einer Sprite, die er uns unbedingt ausgeben will, dann lassen wir uns von unserem Tuk Tuk nach Old Delhi bringen. Wir haben noch einige Stunden Zeit, bis wir wieder am Bahnhof sein müssen.

Old Delhi

Was für ein Gewusel und Gewimmel. Eine Herausforderung für Augen, Ohren und Nase, denn bei weitem nicht alles riecht hier so gut wie die Säcke voller Gewürze im Spice Market. Und selbst der ist anstrengend für die Nase, denn die Konzentration an Chilistaub in der Luft sorgt für ständigen Hustenreiz und unkontrollierbare Niesanfälle und das geht selbst den Locals so und nicht nur uns. Überall hustet und niest es.

Nach einem ersten köstlichen Chai von ein paar Jungs, die in einer winzigen Bude am Eingang zum Spice Market - Kellerloch trifft es wohl besser - einen Teestand betreiben und köstlichen Tee anbieten stürzen wir uns in die dunklen Gänge. Gar nicht so einfach voran zu kommen und dabei nicht von einem der Träger umgerannt zu werden, die alle paar Sekunden mit riesigen Gewürzsäcken auf dem Kopf vor uns auftauchen. Außerhalb der engen Gassen wird auf Handkarren umgeladen, die in engen Reihen vor dem Spicemarket auf ihre nächste Ladung warten.

Khari Baoli wie der Spice Market auch heißt, ist in erster Linie ein Großhandel, auch wenn es in der Umgebung viele Einzelhändler gibt, die ebenfalls Gewürze und Tee und sonst so allerlei anbieten. Beim unserem letzen Besuch hatten wir es versäumt, ihn auch von oben zu betrachten und waren nach einem ausgiebigen Spaziergang durch seine unterste Ebene wieder weiter gezogen. Ein Fehler, den wir heute korrigieren wollen. Denn wie auf der untersten Ebene reiht sich auch in der ersten Etage Gewürzhändler an Gewürzhändler. Jeder sitzt in einem kleinen Raum, kaum größer als ein Zimmer oder eine Garage zwischen riesigen Säcken voller Chilis, Korianderkörner, getrockneten Ingwerwurzeln, Kurkuma, Kardamom oder mit was er gerade handelt. Um nach oben zu gelangen nimmt man eine der finsteren engen Treppen, die alle paar Meter ins Dunkel führen. 2013 hatten wir sie für Hauseingänge gehalten, aber heute wissen wir es besser.

Auf steilen unebenen Stufen geht es nach oben. Es ist so dunkel, dass man nicht sieht, wohin man seine Füße setzt, aber wahrscheinlich ist das eh besser so. Die stickige Luft ist voller Gewürzstaub in den sich auch weniger ansprechende Aromen mischen. Urin? Ratten? Ganz unverkennbar ist der Geruch nach Fledermäusen. Nicht drüber nachdenken, lieber aufpassen, dass einen nicht die Träger umrennen, denn deren Strom reißt auch hier nicht ab. Mühsam das Gleichgewicht halten und sich an den Wänden abstützen. Klebrig. Warum sind die Stufen eigentlich so unterschiedlich hoch? Bei über 30 Grad läuft der Schweiß in Strömen und bildet mit dem ganzen Staub in der Luft eine dreckige Schicht auf der Haut. Wie gut, dass wir nicht pingelig sind. Wen kümmert es, dass wir die Nacht im Zug verbringen und erst morgen unter eine Dusche kommen. Eine Gelegenheit zum Hände waschen wird sich schon finden.

Der Blick von oben ist grandios. Erst so sieht man, dass es sich bei dem, was wir für einzelne Gassen und Häuser gehalten hatten in Wirklichkeit um einen einzigen großen Gebäudekomplex handelt, der einen zentralen, inzwischen aber ebenfalls zugebauten Hof umschließt. Die uralten Häuser bestehen auf den unteren beiden Ebenen fast nur aus offenen Lagerräumen, erst in der dritten Etage schließen sich die Wohnbereiche an, verwitterte Balkone und hölzerne Fensterfronten, teilweise mit vorspringenden Erkern und hübschen Schnitzereien und Türmchen. Wir wagen uns noch eine Etage hinauf und stehen auf einem dieser bröckligen Balkone, hoch über einzelnen Läden mit ihren Bergen von Gewürzsäcken. Jetzt kann man auch die Wohnbereiche erahnen. Wäsche trocknet in den Fenstern, man hört Kinderlachen und Küchengeräusche. Plastikplanen dichten marode Dächer ab, ein unglaublicher Kabelsalat bildet die Elektroinstallationen. Da bekommt jeder Elektriker Gänsehaut, aber was sollst, Hauptsache funktioniert.

Ein paar Hundekinder spielen zwischen den Läden. Hübsche kleine Kerlchen, noch nicht so dürr und flohzerfressen wie ihre Mütter, aber schon ähnlich schmutzig oder eher bunt. Holi ist noch nicht so lange her und die bunten Spuren dieses farbenfrohen Festes sieht man noch überall, inklusive im Fell der vielen Straßenhunde und der heiligen Kühe. Wir erinnern uns an ein Gespräch gestern mit Ajay. Er erzählte von Holi und wir fragten, wie sie all die Farbe wieder aus der Kleidung bekommen. "Gar nicht" lacht er. Man hebt im Laufe des Jahres extra Sachen für Holi auf, die man anschließend wegwerfen kann. Die Hunde bleiben also noch bis zum Fellwechsel pink.

Nicht nur Gewürze gibt es in den Bazaren von Old Delhi. Als wir uns endlich aus dem Spice Market los reißen können, erkunden wir den Rest. Es gibt Alltagsgegenstände wie Töpfe, Geschirr, Teetassen und Mausefallen, dazu Lebensmittel, Schmuck, Kleidung, Berge von Schuhen, und natürlich Obst und Gemüse. Will man Fleisch geht man am besten ins nahe muslimischer Viertel, da reiht sich ein Metzgerladen neben den anderen. Allerdings von Kühlkette keine Spur, nichts für den empfindlichen Europäer. Ein handbetriebenes Riesenrad begeistert die Kinder. Zwar nur vier Gondeln an einem klapprigen Metallgestell, aber der Betreiber bringt richtig Schwung in die Sache und wirbelt die Kinder umher. Spaß für Zuschauer und Mitfahrer. Nach einem langen Tag mit vielen spazierten Kilometern machen wir uns verschwitzt und müde auf den Weg zurück zum Bahnhof. Auf nach Udaipur...

Nachtzug

Unser Gepäck ist schnell ausgelöst. Anstrengender ist es da schon, das richtige Gleis und vor allem den richtigen Waggon zu finden. Indische Bahnhöfe sind viel größer als deutsche und haben so viele Gleise, dass man nicht mal eben hin- und her huschen kann, falls man falsch ist. Und indischen Züge sind so unglaublich lang, sicher 3 oder gar 4 mal so lang, wie ein heimischer ICE. Wenn man da auf dem richtigen Gleis am falschen Ende steht, kann es mit dem Einsteigen auch knapp werden. Wie gut, dass unser Zug hier in Delhi anfängt und wir so ganz in Ruhe unser Gleis, unseren Waggon und unser Abteil finden können. Viel zu früh sind wir, meint Thorsten, und damit hat er recht, aber so können wir wenigstens noch mit Tageslicht unseren Waggon entern uns unsere Trollys anschließen.

Das Gepäck verstaut man nämlich unter der untersten Sitzbank und schließt es mit der Kette und dem Schloss, die man zu diesem Zweck dabei hat, an den dort vorhandenen Ringen an. Schließlich kann und will man nicht die ganze Nacht sein Hab und Gut bewachen. Die Wertsachen kommen natürlich mit ins Bett, aber da da nicht viel Platz ist, verstauen wir möglichst viel unten.

Die indische Bahn kennt 7 oder 9 verschiedene Klassen, je nach Definition und Datenstand der jeweiligen Quelle und so war es im Vorfeld gar nicht so einfach, sich für eine Reiseart zu entscheiden. Nach unseren Erfahrungen mit der indischen Begeisterung für Klimaanlagen (= wenn sie schon da ist, dann soll sie auch so kalt stehen, wie möglich), entscheiden wir uns schließlich für den 2nd sleeper und reservieren uns da die oberen Betten. 6 Personen pro Abteil, d. h. 3 Betten auf jeder Seite, wobei das mittlere tagsüber die Rückenlehne der Sitzbank bildet und erst zur Schlafenszeit hoch geklappt wird. Oben ist man nicht davon abhängig, ob die anderen Mitreisenden einen schon das Bett machen lassen oder nicht, das Bett oben ist immer ein Bett und da man auch ausreichend Platz zur Decke hat, kann man hier auch prima sitzen und Reisetagebuch schreiben oder die anderen Reisenden beobachten.

Nur wenige Westler wählen den 2nd sleeper, die meisten bevorzugen höhere Klassen mit Klimaanlage und weniger Kontakt zu den Locals. Daher werden wir recht neugierig gemustert und bestaunt. Ist uns recht, schließlich möchten wir ja Land und Leute kennen lernen und nicht abgeschottet von A nach B geschleust werden. Pünktlich um 19:40 geht es los. 640 km liegen vor uns und um 7:40 morgen früh sollen wir in Udaipur ankommen. Mal sehen, wie das mit der Pünktlichkeit klappt.

Die Betten sind erstaunlich bequem. Eine etwa 80 cm breite und 180 cm lange gepolsterte Sitzbank mit einst hellblauem Plastiküberzug. Mit unseren Reisekissen liegt man recht gut und ein Pareo oder Schal reicht als Decke aus. Kalt ist es nun wirklich nicht. Unter der Decke sind riesige Ventilatoren montiert, die für Abkühlung sorgen und erfreulicherweise so leise laufen, dass ich wohl auch ohne Ohrstöpsel schlafen kann. Toiletten gibt es auch, allerdings nur 4 je Waggon, davon eine western toilet und drei indische Loch-in-Boden Klos. Letztere sind für's Zugfahren deutlich hygienischer, denn man möchte sich hier noch weniger auf eine Kloschüssel setzen als in Zügen der Deutschen Bahn. Aber über ein Loch hocken und den Dingen ihren Lauf lassen geht - mit etwas Übung - ganz gut.

Nach einer Weile der erste Halt. Der Zug füllt sich und nach kaum 2 Minuten geht es schon weiter. Ein Vorgeschmack darauf, wie schnell man ein- und aussteigen muss. Es folgen eine Reihe weiterer Bahnhöfe. Wie gut, dass wir auf unseren oberen Betten ausreichend Platz für uns haben, denn zunächst sind doch deutlich mehr Leute im Abteil als es laut Sitzplätzen sein dürften. Nach und nach steigen alle aus, die nicht hier schlafen sollen. Die mittleren Betten werden runtergeklappt und man richtet sich für die Nacht ein. Weder die Fahrgeräusche noch die anderen Menschen stören (erst am Morgen dröhnt von irgendwoher lautes Schnarchen durch den Waggon) und das Schaukeln des Zuges ist sogar richtig angenehm. Im Flieger würde ich schon wieder panisch, wenn es so ruckeln würde, hier ist es gemütlich. Ich schlafe richtig gut.

Gegen 7 Uhr wird es langsam wieder lebendig im Zug. Wir sind die einzigen aus unserem Abteil, die die ganze Strecke gefahren sind aber dafür gibt es neue Mitfahrer, die überrascht gucken, als aus den oberen Betten zwei Westler auftauchen. Im Laufe der Nacht haben wir irgendwie 2 Stunden Verspätung angesammelt, aber was soll's. Am Bahnhof in Udaipur wartet ein TukTuk auf uns und bringt uns zu unserem Guesthouse.

Udaipur, Mewargarh Palace Guesthouse

Wir haben es nicht so mit Hotels. Also haben wir uns auch für diese Reise zumeist in kleinen Hotels und Guesthouses eingemietet und ein wirklich empfehlenswerte Unterkünfte entdeckt. Da Mewargarh Palace http://www.tripadvisor.de/Hotel_Review-g297672-d1872250-Reviews-Mewargarh_Palace-Udaipur_Rajasthan.html gehört dazu! Es liegt allerdings, dies als Warnung für potenzielle Gäste, ein ganzes Stück den Hügel hinauf, so dass der allabendliche Heimweg mit einem anstrengenden bergauf Marsch verbunden ist.

Schon 2013 waren wir in Udaipur und da ich damals nicht ganz fit war, um die Stadt richtig zu genießen, wollte ich diesmal wieder hin. Udaipur ist so hübsch, mit ihrem großen See, ihrem riesigen Palast, den ganz auf die Touristen ausgelegten Geschäften im Tourieviertel und den vielen authentischen, ganz und gar vom Tourismus unberührten Vierteln, die man nach nur ein paar Minuten Fußweg ebenfalls erreich. In 2013 hatten wir weder den berühmten City Palace besucht, noch eine Bootsfahrt auf dem Lake Pichola gemacht, um uns das berühmte Lake Palace Hotel aus der Nähe anzusehen, wie es alle Touristen tun. Naja, das alles machten wir auch diesmal nicht. Irgendwie sind klassische Touristenaktivitäten nix für uns und wir enden immer bei anderem, ebenfalls nettem Programm. So auch diesmal. Stattdessen gehen wir mit Billu, dem Tuk Tuk Driver, der uns vom Bahnhof abgeholt hat auf Erkundungstour rund um Udaipur. No Tourist places, please lautet unser Wunsch und so lernen wir ein paar eher unbekannte Ecken kennen.

Zuerst einen Park der an Maharana Pratap erinnert, einen Herrscher und den Begründer von Udaipur, der im 16. Jahrhundert lebte und 1597 nach einem Jagdunfall starb. Neben ein paar Ruinen in den Parkanlagen gibt es Kamelreiten, sehr beliebt bei indischen Kids, ein kleines Museum mit Landschaftsmodellen, Gemälden und Waffen und eine Statue des Herrschers auf seinem Pferd Chetak. Eines der Modelle zeigt das riesige Fort von Kumbalgarh, das wir schon in 2013 besuchten und was uns damals schon mit seinen gigantischen Ausmaßen (seine Mauer ist unglaubliche 36 km lang und damit die zweitlängste Mauer der Welt) beeindruckte. Auch die Waffen sind sehenswert. Zwar gibt es nur wenige Exponate, aber ein paar wirklich gemeine Dolche. Autsch.

In einer ruhigen Ecke des Parks sehen wir zwei Angestellte in Andacht versunken vor einem Götterbild stehen. Einer bietet der Gottheit einen Karton mit Süßigkeiten an. So gesegnet wird aus dem normalen Süßkram Prasad, eine von den Göttern gesegnete Speise. Diese wird dann unter Freunden und Familie verteilt. So gibt man den göttlichen Segen weiter. Als der Parkangestellte uns nach seiner Andacht sieht, ruft er uns zu, stehen zu bleiben. Anschiss? Immerhin waren wir kurz vorher noch durch die Ruinen jenseits der Absperrungen geklettert. Aber nichts da, er möchte uns nur begrüßen und uns etwas von seinem Prasad anbieten. Süß. Sehr lecker. Extrem rosenwasserlastig.

Nächster Stop ein kleiner Park, dessen Namen ich mir leider nicht notiert hab. Inder mögen Parks und so ist hier richtig viel los. Familien, junge Paare und einige Gruppen junger Leute, aber keine anderen Westler. Es gibt einige kitschig bunte Springbrunnen, viele Beete mit schön blühenden Pflanzen, hohe Palmen, vereinzelte Bänke im Schatten und einige lauschige Ecken, in denen sich junge Paare herumdrücken. Ein Phänomen, das einem in allen indischen Parks begegnet - junge Pärchen, die sich ohne Wissen und Zustimmung ihrer Familien treffen. Hoffnungslose Liebe in einer Gesellschaft in der noch immer die allermeisten Ehen arrangiert werden.

Als einzige Westler weit und breit sind wir gefragtes Fotomotiv. An das allgegenwärtige "one picture please" haben wir uns längst gewöhnt und meist schießt einer von uns fototechnisch zurück, während der andere gerade abgelichtet wird. Heute läuft der Fotowahn zu neuen Höchstformen auf - eine Gruppe aus jungen Leuten entdeckt uns und da auch in Indien jeder Teenager (so er es sich leisten kann) ein Smartphone besitzt und jeder aus der Gruppe natürlich sein eigenes Gruppenbild mit uns will, dauert die Fotosession eine ganze Weile. Wildes hin und her, begleitet von viel Gekicher und Geschnatter.

Zwei der Frauen, die im Park die Wege fegen uns sauber halten, möchten auch ein Bild. Dass sie dafür auch Geld wollen sagen sie natürlich nicht vorher. Pech gehabt. Bezahlfotos mache ich nicht. Hier war das Bild zwar schon im Kasten, aber das Prinzip bleibt dasselbe. Die beiden Damen schauten doch recht erstaunt, als ich ihre Forderung mit einem "nö" zurückwies und einfach davon ging. Auf dem Weg nach draußen schmunzeln wir über die Bemühungen der Arbeiter, die Springbrunnen und Wassergräben mit Drahtbürsten von den zentimeterdicken Algenmatten zu befreien, die sich da gebildet haben. Kampf gegen Windmühlen auf indisch.

Nächster Stop auf unserer Tour sind die Cenotaphen in Ahar. Hier liegen die Verbrennungsplätze der Herrscher von Udaipur. Viele große und kleine von Zwiebeltürmen gekrönte Monumente erinnern an die Herrscher vergangener Zeiten, manche klein wie Kapellen, manche groß und massig. Der Cenotaph von Maharana Amar Singh überragt sie alle. Insgesamt drängen sich über 250 dieser Monumente auf einer Fläche, die vielleicht so groß wie ein Fußballfeld ist. Einst lagen sie außerhalb der Stadt, heute umgeben Wohnhäuser und Straßen das Areal. Teilweise stehen sie so eng nebeneinander, dass am Boden kein Durchkommen ist. Es gibt keinen Ticketschalter, keine Souveniverkäufer, keine touristische Infrastruktur. Nichtmal Touristen gibt es - wir sind die einzigen Besucher. Nur ein verschlafener Wächter, der auf dem Gelände wohnt sieht kurz zu uns auf. Billu hat uns erklärt, es reicht, wenn wir ihm am Ende unseres Besuchs 20 Rupies in die Hand drücken und wir sollten uns alle Zeit nehmen, die wir wollen.

Mehr als eine Stunde lang spazieren wir über und durch die Gebäude. Manche sind verfallen und im Laufe der Jahrhunderte angegraut, andere wurden jüngst gereinigt und sind fast zu sauber und poliert. Auf einigen Zeugen abgelegte Blumen und Tonlampen noch heute von Verehrung, andere fallen langsam auseinander und aus einem wächst sogar ein kleiner Baum aus dem Dach. Ein paar Götterbilder und Andachtsstellen finden sich hier und da, ein kleiner Stufenbrunnen ist voller Müll und schlammgrünem Wasser. Außer uns gibt es keine Menschenseele. Nur ein paar Streunerhunde haben diesen Ort als gute, ruhige Basis entdeckt. Im Schatten der Kuppeln auf den kühlen Steinen kann man den heißen Tag gut verschlafen. Besonders nett sind zwei halberwachsene Welpen, ein sandbrauner und ein schwarzer, die uns eine ganze Weile aus sicherer Distanz beobachten. Der schwarze hinkt auf drei Beinen. Er hat eine kaputtes Hinterbein, wohl ein zu enger Kontakt mit einem Auto, den er zumindest lebendig überstanden hat.

Als nächstes zieht es uns zum Sunset Point. Ein weiterer Garten von dem aus man eine schönen Blick auf die Stadt hat. Vorher stoppen wir noch kurz bei einem Jain Tempel, aber von dem bleibt mir nichts berichtenswertes in Erinnerung. Am Sunset Point endet unsere Tuk Tuk Tour aber zurück in die Stadt möchten wir nicht. Längst haben wir die Seilbahn entdeckt, die gegenüber dem Garten startet und die hinauf auf einen Hügel hoch über der Stadt führt. Was da oben ist fragen wir Billu. Ein Karni Mata Tempel. Ah, die Dame kennen wir schon aus Rajasthan. Wir wussten gar nicht, dass es noch weitere Rattentempel gibt. Egal, da müssen wir hin. Billu bekommt noch ein Trinkgeld und dann trennen uns unsere Wege.

Die Seilbahn sehe ich mit mulmigem Gefühl. Ich mag schon in TÜV geprüften Gegenden keine Seilbahnen und über die Sicherheitsstandards in Indien möchte ich lieber gar nicht erst nachdenken. Aber zum zu Fuß gehen bin ich dann doch zu faul. Wird schon gut gehen. Allzu marode die Bahn nicht aus - zwei Gondeln mit je 6 Sitzplätzen pendeln zwischen oben und unten. Das Problem des Massenansturms und sonst allgegenwärtigen Drängelns, hat man hier ganz clever gelöst. Die Tickets sind durchnummeriert und eine Anzeigetafel zeigt an, wer als nächstes dran ist. Schon warten alle artig und keiner quetscht und drängelt.

In den Gondel lernen wir Sunil und Shakti kennen. Die beiden sind in den Zwanzigern, seit 3 Jahren ein Paar und - man höre und staune - noch nicht verheiratet. Die Hochzeit ist erst für nächstes Jahr geplant. Wir fragen nach, ob denn das kein Problem sei. Nein, nein, die Zeiten ändern sich und bis auf seine Mutter hätte niemand aus den Familien damit ein Problem. Die beiden sind nett und später nehmen sie uns am Tempel unter ihre Fittiche. Alleine hätten wir uns wahrscheinlich nicht so hinein getraut.

Karni Mata gilt als Wiedergeburt der Göttin Durga. Sie soll im 15. Jh gelebt haben und als man ihr den toten Sohn einer Fürstenfamilie brachte, damit sie ihn wiederbelebe, verhandelte sie in Trance mit dem Totengott. Der verneinte diese Bitte aber, da die Seele des Jungen schon wiedergeboren sei. Was dann kommt ist mir trotz allem googeln zu verworren zum wiedergeben geblieben (einfach selbst googeln). Jedenfalls werden seit dem irgendwelche Leute als Ratten wiedergeboren und die Ratten werden verehrt, weil es sich ja theoretisch um wiedergeborene Verwandte handeln könnte. Wie immer bleibt die Vorstellungswelt der Theisten für uns Atheisten ein Buch mit sieben Siegeln.Jedenfalls gibt es in Deshnoke in Rajasthan einen Tempel in dem Tausende freilaufende Ratten verehrt werden und den wir in 2013 besuchten. Eindrucksvoll!

Hier in Udaipur gibt es etwas ähnliches in klein. Statt Tausender Ratten gibt es nur ein paar Dutzend und die leben auch nicht frei sondern in Käfigen, wo sie so mit Leckereien gemästet werden, dass sie nur noch faul und kugelrund herumliegen können. Immerhin sind sie hier alle weiß. In Deshnoke gibt es nur ein paar wenige weiße und deren Anblick ist besonders Glück bringend. Wir stellen die Theorie auf, dass hier in Udaipur der Nachschub an weißen Ratten für Deshnoke gezüchtet werden, können Sunil und Shakti aber nicht überzeugen, die den Besuch im Tempel doch eher ernsthaft angehen. Wir sollen mitkommen und so folgen wir brav, natürlich ohne Schuhe und tun, was uns aufgetragen. Glocke läuten hier, Hände falten da. Am Ende spazieren wir mit einem roten Tilaka auf der Stirn und etwas Prasad in den Händen aus dem Tempel. Für einen Atheisten ist die Welt voller absonderlicher Erfahrungen.

Der Ausblick von hier oben auf Udaipur ist jedenfalls grandios. Jetzt sieht man erst, wie groß der See in der Stadt wirklich ist und wie massig der Palast an seinem Ufer liegt, wie ein auf dem Ufer gestrandetes Kreuzfahrtschiff. Das berühmte Lake Palace Hotel ist auch zu sehen - Zimmer ab 600 € die Nacht. Wahrscheinlich bekommt man für den Preis eine fensterlose Rumpelkammer. Auch ist Udaipur viel größer als ich dachte. Tja, man wandert wohl doch irgendwie immer die gleichen Wege entlang.

Zurück in der Stadt treibt uns der Hunger zu Sri Nath Masala Dosa, einem kleinen Restaurant nach dem Citypalace. Hier gibt es, wie der Name schon sagt, Dosa und die sind sogar ganz ok, auch wenn der Duft des öffentlichen Urinals schräg gegenüber doch etwas stört. Das haben wir leider erst nach dem Hinsetzen entdeckt., sonst wären wir wohl woanders gelandet. Jedenfalls lernen wir hier eine richtig internationale Familie kennen - er Inder aus Chennai, sie Chinesin, dazu zwei Kinder und leben tun sie jetzt alle in Chicago, USA. Derzeit ist man auf Besuch in Indien und während Vatter begeistert seine Kids zu den Dosa zu überreden sucht ist Muttern doch sehr skeptisch angesichts fragwürdiger Hygiene und langsamen Services. Sie freut sich schon sehr auf den Heimflug.

Am nächsten Morgen zieht es uns zum Frühstücken ins Café Edelweiß. Hier gibt es WLAN, guten Kaffee, echtes Brot und eine große Auswahl an Kuchen. Der ist zwar zumeist etwas trocken, aber schmeckt. Seit 1999 gibt es das Café schon und auch für uns ist es, seit wir es 2013 entdeckten, jetzt schon der 4te Besuch. Man sitzt auf einer kleinen Terrasse direkt an der Straße und kann das Treiben draußen beobachten. Es spazieren Kühe vorbei und inspizieren den Müllhaufen gegenüber. Alles, was verwertbar ist, wird gefressen und wahrscheinlich auch einiges unverdauliches. Schon früh am Morgen ist es verdammt heiß. Hoffentlich gewöhnen wir uns noch an die Hitze, denn sonst werden die nächsten 4 Wochen arg anstrengend.

Nach dem Frühstück wandern wir durch den Bazar. Ich bin auf der Suche nach luftigen Hosen, mit denen man das Wetter überleben kann. Auch ein paar Shirts wären nicht schlecht. Immerhin, die Hosen finden wir. Auf dem Rückweg heftet sich ein Bettlkind an unsere Fersen, ein überaus hartnäckiges. Wir sind nach 3 Indien Reisen inzwischen geübt im Ignorieren aufdringlicher Gestalten und zumeist klappt das ganz gut. Ein "no thank you" ohne den Schritt zu verlangsamen oder auch nur den Kopf zu drehen und jeder kapiert, dass bei uns nix zu holen ist. Nur dieser Zwerg hier ist entweder zu hartnäckig oder zu verzweifelt. Über mehrere Kilometer verfolgt er uns, zupft immer wieder mal an Ärmeln oder Hosen und versucht unsere Aufmerksamkeit zu erhaschen. Erst als wir wieder in die Gegend der Tourieläden kommen, wo die Shop Inhaber was gegen Personen haben, die ihre Kunden belästigen, trollt er sich schließlich.

Bevor es am Abend weiter nach Bundi geht, gönnen wir uns einen faulen Nachmittag. In Udaipur geht es immer entweder bergauf oder bergab und wir sind inzwischen so viel herumgewandert, dass die Beine ziemlich müde sind. Also sitzen wir einige Stunden faul in der Vyon Juice Corner direkt am Aufgang zu einem der Tempel Udaipurs. Ich arbeite meine Reisenotizen auf und Thorsten plaudert mit dem Inhaber oder vielmehr, Thorsten hört dem Inhaber zu. Der ist nämlich überaus mitteilsam und hat zu allem was zu sagen. Wir erfahren, dass Indische Tempel ziemliche Geldmachmaschinen sind, die Tag für Tag unglaubliche Summen einnehmen. Der Guru, der in dem Tempel neben uns verehrt wird, hat Unmengen von Gold und Silber angehäuft und sogar drei Diamanten, jawoll. Aber statt was Gutes für die Armen zu tun, sammelt er nur mehr und mehr Reichtümer an. Aber auch die armen Leute sind nicht besser. Da gibt es einen, der kommt immer völlig abgerissen daher, die Kleidung in Fetzen. Dem wollte er neue Kleidung anstelle seiner Lumpen geben, die wollte der aber nicht. Das würde ja seine Geschäftsgrundlage zerstören. Einige Stunden bringen wir hier zu und bekommen einen tiefen Einblick in die Gedanken eines indischen Cafébesitzers.

Bundi

Auch in Bundi waren wir 2013 schon mal, aber diese nette kleine Stadt hat es mir so angetan, dass ich unbedingt wieder her wollte. Angenehm ursprünglich und untouristisch und so klein und kompakt, dass man sie prima zu Fuß erkunden kann. Außerdem haben wir hier damals Yug kennengelernt, einem lokalen Künstler und netten Kerl (wer unser Esszimmer kennt - die Tigerbilder sind von ihm), den wir gerne wiedertreffen möchten.

Von Udaipur geht es erst mit dem Zug nach Kota und von da dann weiter nach Bundi. Wir haben eine Weile Aufenthalt und viel Gelegenheit, uns umzusehen. Hier muss es ein orthopädisches Krankenhaus oder sowas geben. Noch nie habe ich so viele Leute an Krücken oder mit frischen Gipsbeinen gesehen. Ständig kommen auf dem Bahnsteig welche vorbei gehinkt. Aber wahrscheinlich kommt diese Häufung einfach daher, dass Kota in der Umgebung die nächste größere Stadt ist. Jeder, der sich seine Beine und Füße beschädigt, landet wohl automatisch hier.

Die Zugfahrt nach Bundi ist entspannt, das Aussteigen aber ziemlich. hektisch. Denn der Spruch "zuerst Aussteigen lassen" gilt hier nicht. Kaum hält der Zug drängen schon ein paar Dutzend Leute in den Zug. Der Stop dauert nämlich nur 2 Minuten und jeder will sicherstellen, dass er auch wirklich mit kommt. Bloß, so lange wir mit unserem Ganzen Gepäck in der Türe stehen, kommt hier keiner rein. Und wir haben viel Gepäck. Trotzdem drängt man von draußen einfach weiter Zimperlich darf man hier nicht sein, einfach in den Dampfwalzen-Modus schalten und nach vorne stürmen. Die großen Koffertrollys geben gute Rammböcke ab und sorgen für den nötigen Nachdruck.

Wie nett. Obwohl es schon nach 10 am Abend ist (wir haben mal wieder Verspätung), wartet Yug mit Blumenkränzen auf uns. Er hat einen Kumpel mit TukTuk dabei, was uns das Feilschen um eine günstige Fahrt in die Stadt erspart. Als Unterkunft haben wir uns diesmal für das Shivam Guesthouse http://www.shivam-bundi.co.in/ entschieden. Eine gute Wahl. Günstig gelegen, schöne, große, saubere Zimmer und nette Besitzer.

Nach einer erholsamen Nacht sind wir bereit für einen aktiven Tag. Da wir die Stadt mit ihren Bazaren und ihrem arg heruntergekommenen Palast schon 2013 erkundet haben (sehr zu empfehlen ist auch eine Erkundung des aufgegebenen Forts hoch oben über der Stadt), wollen wir uns diesmal in der Umgebung umsehen. Da kommt uns der nette Tuk Tuk Fahrer von gestern gerade recht. Aber erst mal Frühstücken. Amüsant, an der Tür neben dem Restaurant lehnen ein massiver Stock und ein Gewehr. "Monkey Protection" lacht Yug.

Ah ja. die Affen. Die kennen wir auch schon vom ersten Besuch. Sie sind der Grund, weshalb alle für Affen erreichbaren Fenster und jede noch so schöne Restaurant Terrasse mit Gittern aus Draht oder Bambus gesichert sind. Die Rhesusaffen sind aber auch eine aggressive Band. Sehen immer ein wenig aus, wie Wegelagerer und Banditen, die auf die nächste Gelegenheit warten, sich etwas essbares zu klauen.

Ab ins TukTuk und los. Auf dem Armaturenbrett leuchtet ein rotes Swastika - diese Hakenkreuze sind hier allgegenwärtig, aber für uns dennoch immer etwas befremdlich. Soll aber nur Glück bringen und für eine sichere Fahrt sorgen und DAS kann ja in Indien nie schaden. Es geht durch enge Gassen, die kaum breiter sind, als unser Gefährt. Die unzähligen Kühe und Hunde machen den Slalom nur noch spannender. Insgesamt sind die Straßenhunde hier in einem deutlich besseren Zustand als in Udaipur, aber ein hinkendes Verkehrsopfer mit gebrochenem Bein sahen wir dennoch. Armes Kerlchen.

Erster Halt: Sukh Mahal. Ein kleiner Sommerpalast und Gästehaus der Herrscher von Bundi. Er liegt am Jait Sagar, einem langgestreckten See. Seine Berühmtheit bezieht er daher, dass Rudyard Kipling, der Autor des Dschungelbuchs, hier einst einige Zeit verbrachte während er an 'Kim' schrieb. Heute ist der Palast verlassen und verschlossen. Man muss ein paar Rupien Eintritt bezahlen, aber es gibt nicht viel zu sehen. Die ockergelbe Farbe blättert mitsamt dem Putz ab, das Museum in einem Nebengebäude ist geschlossen, der umgebende Parkt ziemlich zerrupft und ein riesiger Baum ist hat beim Umfallen ein großes Stück der umgebenden Mauern platt gemacht. Arbeiter bauen an einen kleinen Pavillion, zersägen große rosafarbene Steinplatten und pudern alles mit feinem zartrosa Staub ein. Aber immerhin, der Blick auf den See und den kleinen Tempel an seinem Ufer ist wirklich hübsch und die ruhige Stimmung passt zu dem, was ich an Bundi mag. Eine angenehm frische Brise weht vom See herbei und macht die Hitze erträglich. So lässt es sich sicher auch im Hochsommer noch aushalten. Derzeit sind es vielleicht 30 Grad, aber in ein paar Wochen werden es 45 und mehr sein.

Vor dem Eingang werden gerade neue riesige Steinplatten angeliefert. Eine Weile sehen wir dem Kampf der Arbeiter mit Bagger und Platten zu - Arbeitssicherheit Fehlanzeige - dann ziehen wir weiter.

Weiter gehts zum Shikar Burj, einer ehemalige königliche Jagdlodge an einem Wasserbecken. Ein kleines zweistöckiges Gebäude aus gelblichem Stein. Dunkle Fensteröffnungen machen neugierig, wie es wohl drinnen aussieht. Ein kleiner Zwiebelturm krönt den Bau. Leider beobachtet aus einem der Fenster des Palastes sieht ein massiger Rhesusaffenmann dem Treiben zu. Da drin gehen wir wohl besser nicht auf Erkundung, denn mit den "white face monkeys" legt man sich besser nicht an. Vor dem Gebäude führen ein paar Stufen zum Wasser hinab. Grünlich von Algen, aber insgesamt recht sauber. Kein Plastikmüll, kein Abfall. Frauen trocknen die frischgewaschene Wäsche auf den Mauern, während die Kids ausgelassen im Wasser plantschen. Einige Kühe und ein dickes schwarzes Schwein suchen im Schatten der Bäume nach Fressbarem. Etwas weiter weg tummeln sich Ziegen, ein paar Hunde und eben die Affen.

Auf engen Straßen geht es weiter in das bergige Umland von Bundi. Insgesamt zockeln wir insgesamt 20 km über die holprigen Pisten - so lange sind wir noch nie TukTuk gefahren. Die Vegetation ist karg und trocken, vereinzelt blühen ein paar Bäume, ihre flammend roten Blüten sehen fast wie Plastikblumen aus. Auffällige Farbtupfer im umgebenden staubigen Grau, Braun und Grün.

Wir stoppen kurz in einem Dorf in dem viele Töpfer Familien leben und schauen in einer der Werkstätten vorbei. Schon interessant, wie innerhalb weniger Minuten auf der elektrischen Drehscheibe aus einem unförmigen Klumpen Ton einen Krug oder eine Spardose entsteht. Und noch einer. Und noch eine. Wir sitzen im Schatten eines Dachs aus Plastikplanen und Palmwedeln in dem Spatzen nisten. In der Sonne ist es so unfassbar heiß. Auf dem Gelände stapeln sich außerdem Wasserkrüge und allerlei Teller und Schalen. Im Hof wartet ein Brennofen auf die nächste Ladung, Berge von Holz liegen bereit. Beim Brennen zerbrochenes Tonzeug stapelt sich in einer anderen Ecke. Originell ist die Wiege in der das jüngste Mitglied der Familie schläft - ein an Dachbalken aufgehängtes durchscheinendes Seidentuch.

Auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel, dem Shiva geweihten Höhlentempel von Rameshwaram, darf Thorsten selbst ans Steuer des TukTuks. Was ein Spaß, sowohl für Yug und mich auf der Rückbank als auch für unseren Fahrer und Thorsten vorne. Die Piste endet auf einem großen Parkplatz vor einem langgestreckten Tal. Ab hier geht es nur zu Fuß weiter und das heißt vor allem viele Stufen hinauf. Puh und das bei der Hitze...

Die Ausmaße des Parkplatzes lasse ahnen, dass es hier nicht immer so ruhig und gemütlich zugeht, wie heute. Besonders an Feiertagen und Festivals zu Ehren Shivas kommen Tausende Menschen hierher, berichtet Yug. Heute stehen nur unser TukTuk und noch ein Auto verlassen im Schatten der Bäume. Der Weg zum Aufgang in Richtung Tempel ist gesäumt von Teeständen, Kiosken und Imbissbuden. Religiöser Krimskrams wird ebenso angeboten, aber auch Kinderspielzeug oder Chipstüten. Vor dem Aufstieg muss erst mal Energie her. Der indische Tee reicht da vollkommen aus, so viel Zucker, wie der enthält. Ich will gar nicht wissen, wie viele Stück Würfelzucker umgerechnet in so einem Becherchen gelöst sind.

Der Teeverkäufer warnt uns noch vor den Affen, die auch hier auf günstige Gelegenheiten zur Selbstbedienung warten, dann machen wir uns an den Aufstieg. Unser auch Monkey Tempel genanntes Ziel liegt in einer Höhle am Ende eines Tals oberhalb eines Wasserfalls, der aber zu dieser Jahreszeit kaum Wasser führt. "Wasserfall wie Pipi" bemerkt unser Driver. Gute Beschreibung.

Schon auf dem Weg nach oben begegnen uns die ersten Affen. Rhesusaffen lungern in der Nähe der Teebuden herum und beobachten jeden Schritt der Besucher auf dem Weg zum Tempel, stets auf der Suche nach lohnendem Diebesgut. Ein kleiner Junge schließt sich uns an, eine Rolle Kekse in Händen. Dumme Idee. Sofort haben die Affen erkannt, dass er da etwas essbares mit sich herum trägt. Ein besonders mutiger Affe kommt näher und näher. Zum Glück ist der Junge geistesgegenwärtig genug, die Kekse schnell in seiner Hosentasche verschwinden zu lassen., bevor sich der Verfolger ein Herz fasst und zugreift. Für den Rest des Aufstiegs hält er sich ganz in unserer Nähe während uns die Affen nicht aus den Augen lassen.

Es geht viele, viele Betonstufen hoch, immer weiter hinein und hinauf in das Tal. Es ist heiß und wir sind froh, dass wir die Schuhe erst beim Höhleneingang ablegen müssen, denn barfuß wäre es noch viel anstrengender, als es so schon ist. Irgendwann erreichen wir einen überdachten Teil der Felswand. Hier müssen die Schuhe zurück bleiben, ehe es noch ein paar Stufen hinauf und hinein in den Höhlentempel geht. Eine große Tafel listet die Namen von Spendern auf, zusammen mit der Höhe der gespendeten Beträge. Der höchste Betrag, den wir finden, sind 51.000 Rupies, also um die 7.500 €, eine ziemliche Menge Geld. Uns fällt wieder ein, was der Teeladenbesitzer in Udaipur alles über das Geldscheffeln der Tempel und heiligen Männer erzählt hat.

Der Tempel selbst ist unspektakulär. Eine graue Felswand an der hier und da Wasser herab rinnt das grüne Algenflecken sprießen lässt. In Nischen hocken entspannt Hanuman Languren wie in Liegestühlen und relaxen. Ein paar dieser sanften großen Affen wagen sich bis auf den Boden hinab wo sie mit ihren kleinen schwarzen Fingern die Getreidekörner einsammeln, die Besucher mitgebracht haben. Ein Nandi, also die Statue eines Stieres, des Reittiers Shivas, sitzt mitten im Raum. Das Allerheiligste liegt in einer kleine Höhle in der ein Priester Dienst tut. Er freut sich über unseren Besuch, denn es derzeit ist nur wenig los. Begeistert führt er uns herum. Was für uns ein grober, blumengeschmückter Felsknubbel ist, um den sich eine goldene Schlange windet ist für ihn das Abbild Shivas. Angesichts des Ganesha-Anhängers, den ich an einer Kette um den Hals trage ist er ganz begeistert und deutet auf einen anderen Felsknubbel. Ganesh hat er auch in seiner Höhle... Hm, ein Felsknubbel mit Rüsseln, denke ich.

Auch er drückt uns wieder Prasad in die Hände, die gesegneten Zuckerkügelchen, die wir schon aus dem Rattentempel in Udaipur kennen, und bedeutet uns, mitzukommen. Er führt uns ganz nah an die Hanuman Languren heran und beginnt, die Naschereien zu verteilen. Keine affengerechte Kost denke ich, aber diskutieren hätte aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse eh keinen Sinn. "My friends" sagt er und deutet auf die Affen. Sie sind wunderschön in ihrem seidigen, langen grauen Fell mit den schwarzen Händen, Füßen und Gesichtern, neugierigen goldbrauenen Augen mit langen Wimpern um die sie jedes Model beneiden muss. Ihr Blick ist sehr menschlich und in ihren Augen funkelt eine wache Intelligenz.

Einer lässt den Priester besonders nah heran und als dieser ihm die Hand hinhält, legt der Affe die seine ganz sacht hinein. Eine kleine schwarze Hand mit langen schlanken Fingern und perfekten kleinen Fingernägeln. Ich solle es auch mal probieren, meint der Priester, auch wenn er nicht glaube, dass der Affe mir die Hand gibt, weil er kennt mich ja nicht. Aber siehe da, auch ich bekomme eine Affenhand. So warm und weich und zart. Ein ganz besonderes Gefühl, dass mir eine wohlige Wärme im Bauch beschert. Dazu sieht mich der Affe ganz neugierig an. Meine weiße Haut findet er spannend. Sieht er wohl nicht alle Tage. Mein Prasad interessiert ihn nicht.

Bevor wir den Tempel verlassen zeigt uns Yug noch einen besonderen Stein. An einer Stelle kann man den Arm bis zur Schulter in ein Loch stecken und so ganz tief in den Felsen greifen. Drinnen fühlt man, nach einigem Herumtasten, blankpolierte "Cow Nipples" also Kuh Zitzen. Kühle sind heilig, also bringt es Glück, die Cow Nipples zu ertasten.

Vom Tempel geht es über weitere Stufen wieder hinab bis man am Ende des Tals vor einer gut 20m hohen Felswand steht. An den abgeschliffenen Felsen sieht man, dass hier gelegentlich sehr viel Wasser herab rauschen muss aber derzeit tröpfelt es nur. Dort, wo das Wasser auf den Boden trifft, haben Gläubige ein paar Lingas und Yonis errichtet. Auch dieser Platz ist heilig und nur ohne Schuhe zu betreten. Dass Thorsten dort anschließend mitten inmitten des heiligen Bereiches steht und sich unter dem tröpfelnden Wasser Haare und Kopf abkühlt ist aber kein Problem. Um ihn herum plantscht noch ein Junge in den kleinen Wasserbecken, die sich trotz des Wassermangels noch halten und eine drei Frauen tun es ihm nach. Eine ältere Frau wickelt seelenruhig ihren Sari ab und badet mit blankem Busen im heiligen Wasser. Das haben wir schon öfter gesehen, dass die so auf Anstand und ordentliche Körperbedeckung bedachten Inderinnen sich völlig ohne Bedenken in heiligen Becken entblößen. Da gelten wohl andere Regeln als außerhalb sakraler Bereiche.

Überall an der Felswand sieht man unter überdachten Bereichen große Bienennester. Das erklärt, warum es hier überall vor Bienen wimmelt. Riesige, dicke Brummer, sicher 2,5 cm lang. Uns lassen sie zum Glück in Ruhe, aber Yugs Haare ziehen sie magisch an. Er hat wohl ein Shampoo oder Haaröl verwendet, dass sie anzieht und bald schwirren 6 oder 7 Bienen um seinen Kopf und versuchen in seinen Haaren zu landen. Erst, als er sich mein Allzwecktuch um den Kopf wickelt lassen sie ihn so weit in Ruhe, dass wir den Rückweg antreten können.

Mein Allzwecktuch tut mir auch diesmal gute Dienste. Es ist nicht mehr als ein schmaler grüner Schal, den ich mir 2014 in Gokarna gekauft habe. Die meiste Zeit trage ich ihn einfach wie einen Gürtel um die Hüfte gebunden und habe ihn so immer dann zur Hand, wenn ich eine Decke zum drauf sitzen brauche, mir die Haare in einem Tempel bedecken muss, Dinge ohne Tüte tragen möchte, etwas zusammen binden möchte, mich vor der Sonne verbergen oder mich in Flugzeugen und Zügen vor hyperaktiven Klimaanlagen schützen möchte. Auch zum Bierflaschen Schmuggel in alkoholfreie Hotels ist es sehr zu gebrauchen. Und jetzt also auch zur Bienenabwehr :-)

Vorbei an einer weiteren Andachtsstätte mit bunten Fahnen geht es zurück zum Parkplatz und wir knattern mit unserem TukTuk in 20 Minuten zurück nach Bundi wo wir wieder im Rainbow Café einkehren. Ein nettes Restaurant mit gemütlicher, affengeschützter Dachterrasse in dem man auf bequemen Sitzkissen auf dem Boden sitzt und liegt und es sich einfach gut gehen lässt. Auf dem Weg nach oben und wieder hinab muss man durch die Gute Stube der Familie spazieren, denn es gibt kein separates Treppenhaus. Eine alte Dame sitzt über einer Schale Linsen und sammelt Steinchen und andere Verunreinigungen heraus.

Den Rest des Tages bringen wir damit zu, durch Bundi zu wandern. Ich liebe seine Bazare und Straßenstände. Es wimmelt vor Menschen, die geschäftig umher huschen. Männer mit farbenprächtigen Turbanen sitzen an Marktständen hinter Bergen von Gemüse und zahllose Straßenstände sorgen für das leibliche Wohl, Ein dicker Polizist mit beeindruckendem Schnurrbart gönnt sich einen Imbiss. Lohnende Fotomotive überall. Zwischen den wuselnden Menschen und dem lebhaften Verkehr wandern entspannte Kühe umher. Die haben wirklich die Ruhe weg. Manche sitzen sogar mitten auf der Straße und lassen sich durch nichts und niemanden stören. Und die anderen Verkehrsteilnehmer fahren einfach um sie herum und scheinen sich nicht im geringsten an ihnen zu stören. Der Verkehr fließt einfach wie ein Fluss um diese tierischen Hindernisse herum.

Irgendwann kommt eine Prozession vorbei in deren Mitte ein über und über mit Blumenketten behangener älterer Mann dahin schreitet. Ein lokaler Politiker, wie wir erfahren, der heute seinen letzten Tag hat und der mit Ehrbezeugungen und Feuerwerk verabschiedet wird. Und was für Feuerwerk. Ständig zünden irgendwelche Kracher und Knallfrösche mitten unter den Passanten. Eine eher unheimliche Erfahrung für uns, ein riesiger Spaß besonders für die lokalen Kids, die gleich nach der Knallerei die Überreste nach nicht gezündeten Knallern absuchen. Wir schauen dem Treiben amüsiert zu und Yug und Thorsten gönnen sich ein Masal Dosa von einem gut besuchten Straßenstand. Ein entspannter Abend. Und morgen geht es schon wieder weiter nach Kota, Gwalior und Orcha.

Zug um Zug bis nach Jhansi

Bevor es am Nachmittag in den Zug nach Kota geht, verbringen wir noch einen gemütlichen Tag in Bundi. Wir wandern durch die Wohnviertel mit ihren hübschen blauen Häusern und den vielen lachenden Kindern, die begeistert vor unserer Kamera posieren. Das Posen haben sie schon ziemlich gut raus - Bollywood lässt grüßen. Straßenhunde schlafen im Schatten, Wäsche trocknet fotogen auf Hinterhöfen.

Hier kommen nicht viele Westler vorbei. Das merkt man nicht zuletzt daran, dass die Hunde nicht recht wissen, was sie von uns halten sollen. Sie kläffen uns unsicher an und trollen sich mich eingekniffenem Schwanz, so bald wir näher kommen. Solches Verhalten begegnet uns immer dann, wenn wir in sehr untouristischen Gegenden unterwegs sind. Mit ratlosem Blick sehen sie uns aus sicherer Entfernung nach. "Was sind das denn für welche?" scheinen sie zu fragen.

In einem kleinen Park legen wir eine Pause ein. Inzwischen ist es tagsüber verdammt heiß und so ist es herrlich, einfach im Schatten zu sitzen und sich zu entspannen. Das machen die Arbeiter hier im Garten auch gerade. Alle paar Minuten rafft sich einer auf und legt den dicken Schlauch, aus dem der Rasen gewässert wird, ein paar Meter weiter, ansonsten ist Siesta angesagt. Der Schlauch zieht die Affen an. Sauberes, kaltes Wasser, herrlich. Sowohl Rhesusaffen als auch Hanuman Languren kommen vorbei und trinken. Krähen und Spatzen landen auf dem Rasen und nutzen die Gelegenheit für ein Bad und gerne würde ich es ihnen nach tun. Artig trage ich lange Hosen und bedeckte Arme in hellem Stoff. Das ist in der knallenden Sonne gar nicht so schlecht aber halt doch verdammt warm.

Bevor wir weiterziehen läd uns Yug zu sich nach Hause zum Essen ein. Seine Mutter hat gekocht und so gut haben wir nur selten gegessen. Es gibt Chilireis, ein Dal, Gemüsecurry, Tomaten und Gurken Salat und köstliches Brot.
Seine Familie wohnt direkt gegenüber des eindrucksvollen Palastes von Bundi in einem verschachtelten Gebäudekomplex, der früher wohl Ställe und Unterkünfte von Bediensteten beherberte. Das Haus wurde der Familie vor mehr als 150 Jahren von der Herrscherfamilie zur Nutzung überlassen, aber leider gibt es darüber nichts Schriftliches und so sind die Eigentumsverhältnisse unklar. Das ist auch der Grund, weshalb sie die wunderbare Lage nicht nutzen und z.B. ein Guesthouse eröffnen können. Zu schade, denn der unverbaute Blick von der Dachterrasse auf den Palast und über die blauen Häuser der Stadt ist wirklich atemberaubend.

Am Nachmittag treffen wir uns wieder mit unserem Tuk Tuk Fahrer. Auf zum Bahnhof, ab in den Zug nach Kota. Erst wollten wir ja mit dem Bus fahren, aber das war uns dann doch mit all unserem Gepäck und der langen Strecke, die vor uns liegt, doch zu abenteuerlich. Schließlich geht es von Kota aus noch viele Stunden weiter, ab in den Nachtzug nach Gwalior und von da dann, nach ein paar Stunden Aufenthalt, weiter nach Orcha.

Die Fahrt von Bundi nach Kota ist eine interessante Erfahrung. Diesmal ein lokaler Nahverkehrszug und keiner der geräumigen Fernzüge, die wir bisher kennen. Vorbei ist es mit reservierten Plätzen. Das Ticket besorgen wir mit Hilfe unseres Fahrers direkt am Bahnhof. 60 Rs (etwa 1 €) für 1 h Fahrt für uns beide.

Im Zug ist es voll und eng, sogar oben auf den metallenen Gepäckablagen haben sich Passagiere niedergelassen. Bequem kann das nicht sein, oder? Jedenfalls lächelt uns eine der Damen fröhlich an, also scheint es nicht allzu unbequem zu sein. Wie so oft werden wir ziemlich bestaunt, In dieser Zugklasse sieht man ganz sicher nur selten Westler und so ziehen wir viel neugieriges Interesse auf uns. An einem recht langen Stop unterwegs steigen sogar ein Haufen Kids und Jugendlicher ein, nur um uns zu bestaunen und uns zu bitten, dass wir sie fotografieren. Viel Unterhaltung ist nicht drin. Keiner der Anwesenden spricht nennenswert Englisch und so beschränkt sich die Kommunikation auf Lächeln und Nicken und Fotografieren.

Einige Stopps später steigt eine sehr einfache Familie mit vielen Kindern in das gegenüberliegende Abteil ein. Tagelöhner. Landarbeiter in dreckiger, kaputter Kleidung. Die Frauen alle noch keine 20 Jahre alt, dennoch hat jede schon mindestens zwei Kindern am Rockzipfel. Die Männer werden nicht viel älter sein und doch sehen sie ausgezehrt und verlebt aus. Sie alle würdigen uns keines Blickes. So kontaktfreudig das Gros der Inder ist, die untersten in der Hierarchie vermeiden jede Interaktion mit uns. Sie lächeln nicht mal zurück, wenn wir sie anlächeln und starren uns allenfalls aus versteinerten Gesichtern an, wenn sie nicht ganz bewusst in eine andere Richtung schauen. Was wohl in ihren Köpfen vorgeht? Selbst die Kinder, denen doch sonst jede Kontaktscheu fehlt, würdigen uns keines Blickes.

Etwas später kommen wir mit einem Mitreisenden ins Gespräch. Er spricht ausreichend Englisch um sich zu verständigen und hilft uns dabei, uns auf das folgende Geschehen einen Reim zu machen. Bei einem etwas längeren Stop steigen zwei Kerle ein, zwielichtige Gesellen, die einen der jungen Landarbeiter in eine Art Glücksspiel verwickeln. Es bildet sich eine dichte Menschentraube, so dass wir nicht genau sehen können, was abgeht. Jedenfalls eine Art Hütchenspiel oder ein ähnlicher Taschenspielertrick. Wir hören nur die Begleitgeräusche. Erst klingt es erfreut und nach Sieg - klar, mann muss ja erst vorgaukeln, dass der Spieler gerade eine Glückssträhne hat. So werden die Einsätze höher - dann kippt die Stimmung und es wird lauter, aggressiver. Die Kerle machen sich vom Acker und zurück bleibt ein in Tränen aufgelöster Tagelöhner. Seiner Verzweiflung nach zu urteilen hat er gerade seinen Tages oder gar Wochenlohn verzockt. Unter Tränen und lautem Gejammer versucht er bei den anderen Passagieren Mitleid zu schinden und vielleicht auch eine Spende zu ergattern. Inzwischen hat er wohl realisiert, dass er nie eine Chance hatte und man ihn ausgenommen hat.

In Kota haben wir eine ganze Weile Aufenthalt, bis der Zug geht, der uns nach Gwalior bringen wird. Lange sitzen wir auf dem Bahnsteig und während ich mein Reisetagebuch auf den aktuellen Stand bringe haben wir ständig einen dichten Ring aus neugierigen Zaungästen um uns herum. Viele machen Fotos von uns, manche eher heimlich, aber die meisten ganz offen. Da wird auch mal ein Kind neben uns platziert, das man mit den seltsamen Fremden fotografieren will, die da so ungerührt auf dem Boden des Bahnsteigs sitzen, als wären sie ganz normal indische Zugreisende. Die Kinder finden das in der Regel alles andere als angenehm und lustig. Wir sind ihnen unheimlich.

Auf einem Indischen Bahnhof zu sitzen und einfach nur die Szenen um sich herum zu beobachten ist ein spannender Zeitvertreib. Fährt ein Zug ab bleiben auf den Gleisen nicht nur von Fliegen umschwärmte Haufen und Pfützen zurück - die Zugtoiletten sind nichts anderes als Löcher im Boden - sondern auch eine Vielzahl leerer Plastikflaschen. Wie anderen Müll auch werfen die Passagiere auch die Flaschen einfach in die Landschaft. Auf den Bahnhöfen lauert daher eine Armee von Kindern auf ihre Chance, die leeren Flaschen einzusammeln und für ein paar Rupien weiterzuverkaufen. Dreckig und in zerlumpter Kleidung huschen sie zwischen den Gleisen umher und ziehen ihre Ausbeute in einem großen Sack mit sich. Auch unter ihnen scheint es eine klare Hierarchie zu geben, denn die einen machen vor den anderen ängstlich Platz. Der Stärkste bekommt die größte Ausbeute.
Ratten sind so allgegenwärtig wie die Fliegen und auch eine feste Population von streunenden Hunden scheint es auf den Bahnhöfen immer zu geben. Hier fällt genug Abfall als Futter ab, dass sie meist sogar recht gut genährt aussehen.

In Gwalior haben wir wieder eine Weile Aufenthalt, bis es nach Jhansi weiter geht. Die Zeit wollen wir nutzen und uns das berühmte Fort von Gwalior anzusehen. Inzwischen sind wir routiniert darin, unser Gepäck im Cloak Room abzugeben und bald sitzen wir in einem TukTuk und sausen durch die Stadt. Ob der Fahrer auch wirklich verstanden hat, zu welchem der beiden Zugänge wir wollen? Ein nicht ganz unwesentliches Detail, denn auch wenn es von beiden Startpunkten mächtig nach oben geht, ist doch der Weg an der Westseite deutlich weniger anstrengend. Hier kann man mit dem TukTuk zumindest einen Teil der Steigung hinauf fahren. Der Weg an der Ostseite bietet dagegen die deutlich spektakuläreren Ausblilcke. Hier wollen wir dann später wieder hinab. Klar, der Fahrer hat uns natürlich falsch verstanden... oder er wollte uns an der für ihn günstigeren weil schneller erreichbaren Stelle absetzen. Sein Pech. Wir bleiben sitzen und machen ihm klar, wo wir hin wollen. Der Preis war schon vorher ausgehandelt und so muss er uns zähneknirschend doch noch bis zum anderen Zugang fahren.

An der Ostseite geht es gute 2 km bergauf bevor man den Bergrücken mit seinem Fort erreicht. Zwar führt eine Serpentinen reiche schmale Asphaltpiste bis fast ganz hinauf, aber um diese zu befahren braucht man eine Genehmigung. Nur ein paar LKW überholen uns auf dem Weg nach oben. Wären wir Bustouristen dürften wir wohl auch fahren, aber wer will schon Bustourist sein? Also gehen wir... langsam, schwitzend und über die Temperaturen schimpfend. Schatten gibt es keinen. Ganz selten mal ein kleiner Baum dessen lichte Blätter kaum Schatten spenden. Wir hätten mehr Wasser mitnehmen sollen. Zu Glück gibt es oben Nachschub, aber auch die nächsten 2 Liter verdunsten scheinbar sofort.

Unterwegs passieren wir riesige, in den Felsen gemeißelten Statuen - Jain Heilige, die man hier im 15 Jahrhundert aus den Steinen gehauen hat. Währen wir langsam vorbeiwandern haben wir Zeit genug, uns diese seltsam entrückt blickenden nackten Männer anzusehen. Sie sind nicht ganz so riesig wie die Statue in Sravanabelagoda, die wir 2014 besuchten, aber machen dennoch was her. Vielen Statuen haben leider muslimische Bilderstürmer im 16. Jh, die Gesichter weg geschlagen - menschliche Abbilder sieht man in diesen Kreisen nicht gerne. Einige Gesichter hat man inzwischen rekonstruiert, die anderen meditieren nun halt gesichtslos vor sich hin und strahlen ebenfalls Ruhe und Frieden aus.

Das Fort von Gwalior selbst macht nur durch seine ungewöhnliche Fassade, und seine äußere Gestalt etwas her. Es scheint direkt aus den Felsen empor zu wachsen und die vielen Türmchen mit ihren von Säulen getragenen runden Kuppeln ergänzen die extravagante Optik. Innen dagegen ist es völlig leer geräumt und außer blanken Wänden und vielen Treppen gibt es nicht viel zu sehen. Wobei es schon Spaß macht, mit Taschenlampen die enge, verwinkelten Kellergewölbe zu erkunden. Große Teile des Palastes sind gesperrt, so kommt man z.B. nicht hinauf in die hübschen Türmchen. Sehr schade, denn von da aus hätte man sicher eine tolle Aussicht In manchen Räumen schlägt einen sofort extremer Fledermaus Gestank in die Flucht. Kein Wunder, dass die Tiere sich mit Echolot orientieren, riechen können sie sicher nix mehr.

Um uns auf dem weitläufigen Gelände auf dem Bergrücken umzusehen fehlt uns die Zeit und ohnehin ist es zu heiß für zu viel Aktivität. Zu den anderen Gebäuden, Museen und Tempeln dort kann ich also nichts sagen. Wir wandern nur eine Weile durch das Innere des Forts und bewundern und fotografieren ansonsten seine auffällige Fassade. Einst war sie zu großen Teilen mit farbigen Kacheln bedeckt von denen heute nur noch Reste geblieben sind. Aber selbst diese lohnen einen genaueren Blick, denn sie verbergen einige kuriose Details. Neben Ornamenten und graphischen Motiven gibt es Elefanten, Palmen und Krokodilen. Das seltsamste ist jedoch das umlaufende Band aus knallgelben Enten auf blauem Grund. Wenn man ein super reicher und mächtiger Herrscher ist, wieso dekoriert man sein prächtiges Schloss mit knallgelben Enten? Dazu habe ich noch nirgends eine Erklärung gelesen.

Für den Rückweg wählen wir den steilen Serpentinen Weg hinab, der am mächtigen Stadttor beginnt. Die Aussicht auf das Fort ist grandios aber man kann sie nur genießen, wenn man stehen bleibt. Das Kopfsteinpflaster des Weges ist so uneben und holprig, dass man bei jedem Schritt aufpassen muss, wohin man die Füße setzt, ansonsten läuft man Gefahr, sich fies die Knöchel zu verknacksen. Aber auch hier im Schatten ist es so heiß, dass man ohnehin gerne mal alle paar Schritte eine Pause einlegt und sei es nur unter dem Vorwand, noch einen Blick auf die eindrucksvollen Mauern zu werfen, die mit jedem Schritt höher über uns aufragen. Zu Füßen des Forts liegt eine lebhafte Altstadt mit interessant aussehenden Bazaren. Hier hätten wir sicher noch ein paar Stunden umherstreifen können, doch wir müssen einen Zug bekommen, also schnell in das nächste TukTuk und zurück zum Bahnhof. Weiter geht es nach Jhansi.

Diesmal haben wir nicht so langfristig im voraus gebucht und so haben wir keine beieinander liegenden Plätze. Aber zumindest haben wir überhaupt Plätze und angenehmerweise liegen sie nur zwei Abteile auseinander. Die Fahrt vergeht ereignislos aber beim Aussteigen vergesse ich doch fast meinen kleinen Rucksack. DAS wäre was gewesen, aber zum Glück fällt es uns noch gerade rechtzeitig auf. War wohl doch alles etwas viel heute. Und wir sind noch immer nicht am nächsten Ziel. Erst noch 20 km mit dem TukTuk nach Orcha.

TukTuk Fahren in der Nacht ist schon etwas ungewöhnlich, erst recht, wenn die Straßen so extrem schlecht sind, wie hier. Und nachts sieht man die Schlaglöcher nicht so gut, also klappt das Ausweichen nur bedingt. Dazu wird man ständig geblendet von den Scheinwerfern entgegenkommender LKW, Mopeds und anderer TukTuks. Aber immerhin haben sie Scheinwerfer. So richtig übel sind die unbeleuchteten Gefährte, die man erst im letzten Moment sieht. Und natürlich die LKW, denn die erwarten einfach, dass ihnen alle anderen, schwächeren Verkehrsteilnehmer Platz machen. Die Fahrer nehmen nicht mal den Fuß vom Gas, sie sind stärker als die anderen, warum also langsam fahren? Schon bei Tag ist der indische Straßenverkehr nix für schwache Nerven, aber nachts... unbeschreiblich!



Orcha

Wir kommen heil in Orcha an und beziehen unsere Hütte. Hier haben wir uns für eine ganz besondere Unterkunft entschieden. So ganz das Gegenteil von den üblichen Gasthäusern oder Hotels. Die "friends of orcha" http://www.orchha.org sind eine non-profit Organisation, die Unterkünfte bei lokalen Familien vermitteln und so ein sehr individuelles Reiseerlebnis ermöglichen . Die Erlöse dienen dazu, die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu verbessern, sie z.B. mit sauberem Wasser zu versorgen, Toiletten zu bauen etc. Gleichzeitig soll ein Kontakt zwischen Besuchern und Einheimischen vermittelt werden, von dem beide Seiten profitieren ohne die sonst allgegenwärtigen negativen Randerscheinungen eines unkontrollierten Tourismus.

Man lebt in einfachen Hütten, die perfekt an das heiße Klima angepasst sind und ist mittendrin im alltäglichen Leben. Eine tolle Erfahrung. Wir landen bei einer Bauernfamilie in der leider niemand nennenswert Englisch spricht. Schade, denn so kommt keine richtige Unterhaltung zustande. Nur ein- oder zweimal am Tag kommt einer der Organisatoren des Projekts vorbei und steht als Dolmetscher für die gröbsten Fragen zur Verfügung. Und doch verbringen wir eine interessante Zeit, denn auch ohne gemeinsame Sprache kann man erstaunlich viel kommunizieren. Daher sollte das Sprachproblem niemanden von dieser Erfahrung abhalten, denn auch ohne viel Plaudern ist der Aufnthalt eine unvergessliche Sache. Und in anderen Gastfamilen sieht es ganz anders aus.

Wir wohnen in einer kleinen Lehmhütte und schlafen auf einfachen aber unglaublich bequemen Charpois, wie die mit Seilen bespannten Betten heißen. Bunte Stoffbahnen, also Saris, dienen als Decken-Deko. Boden und Wände sind mit rötlicher Naturfarbe verputzt und ein paar Rattan Stühle vervollständigen die Einrichtung. Ein Moskitonetz und ein Deckenventilator dienen ebenso der Bequemlichkeit der Besucher, wie eine eigene Dusche und Toilette. Die Sanitäranlagen teilt man dann doch nicht mit der Gastfamilie sondern allenfalls mit anderen Gästen. Das Essen wird von der Dame des Hauses an einer Feuerstelle im Hof zubereitet. Es ist einfach, aber schmackhaft und über Thorstens Interesse an der Zubereitung von Chapatis freut man sich sehr.

Wir schlafen unglaublich gut auf unseren ungewöhnlichen Betten, zumindest so lange, bis ein nächtliches Problem mit der Stromversorgung den Ventilator ausfallen lässt und all unsere Ladegeräte killt. Es knallt, blaue Funken blitzen aus den Steckdosen und die Technik ist hin. Zum Glück nur die beiden Handy- und das Akkuladegerät und nicht auch die angeschlossenen Handys. Es hilft nix, wir brauche Ersatz und hoffen, den später in Orcha zu finden. Der Ort sollte touristisch genug für solche Einkäufe zu sein. Aber erst muss es etwas abkühlen...

Unseren ersten Tag in Orcha vertrödeln wir zur Hälfte. Es ist so ruhig und friedlich hier und die Betten sind so bequem. Außerdem ist es uns tagsüber einfach zu heiß für viel Aktivität und in unserer Hütte ist es angenehm kühl. Endlich kommen wir mal zum Lesen und ich kann meine Reisenotizen auf den aktuellen Stand bringen. Erst am Nachmittag organisieren wir uns ein TukTuk und fahren nach Orcha hinein.

Orcha ist ein Touristenziel. Für uns heißt das nicht nur, dass wir unsere Technik wieder ergänzen können, es gibt darüber hinaus allerlei zu beobachten, zu bestaunen und zu belächeln. Der Ort liegt am Fluss Betwa in dessen Wasser große Felsen zu einem Badeausflug einladen. Aber hier ist das Wasser nicht sauber genug. Für morgen planen wir einen Badeausfluss an einer Stelle vor der Stadt.

In Orcha gibt einen großen Palast und eine sehenswerte Tempelanlage in deren Türmen riesige Geier hausen. Busweise fallen die Besucher im Palast ein und wandern nach der Besichtigung noch für eine Weile im Rudel durch die Gassen des erstaunlich kleinen Ortes. So riesige alte Bauwerte in einem heute so kleinen Örtchen? Das sah vor ein paar Hundert Jahren wohl ganz anders aus. Was heute so verschlafen wirkt war einst eine bedeutende Fürstenstadt. Heute sieht man wieder die eher negativen Randerscheinungen des Tourismus, die die "friends of Orcha" zu verhindern suchen. Die Läden sind natürlich voll und ganz auf die Touristen ausgerichtet. Es gibt den üblichen Kitsch und Krimskrams von Silberschmuck über Klamotten bis hin zu Räucherwerk und natürlich die zugehörigen anhänglichen Händler. Nur rund um die Tempel ist man eher auf die indischen Pilger eingestellt, Gebetsketten, Heiligenbildchen, Opfergaben.

Thorstens Vermutung erweist sich als richtig. Schon im ersten ich-habe-dies-und-das-und-alles Laden bekommen wir alles was wir brauchen: 2 Handyladegeräte, einen neuen Akkulader und eine Flasche Haaröl , alles zusammen für knapp 600 Rupies, also um die 9 €. Wofür das Haaröl? Nun, eine Woche indische Hitze und Luftverschmutzung haben meinen Haaren arg zugesetzt. Sie sind strohig und spröde und da wirken die indischen Haaröle wahre Wunder. Ich hatte mit mehr Einkaufsaufwand gerechnet, aber gut. Pflichtprogramm erledigt, auf zum vergnüglichen Teil.

Wir setzen uns ins "Bhola Restaurant" das nicht zu Unrecht in Lonely Planet und Tripadvisor gelobt wird. Klein und optisch etwas schmuddlig schreckt es wohl die meisten Westler ab, also sitzen wir die meiste Zeit zusammen mit ein paar Indischen Gästen alleine auf der Terrasse. In der kleinen Küche werkelt der Koch an unserem Essen - Malai Kofta für Thorsten und Bengen Paneer für mich. Es duftet herrlich, aber die vielen Fliegen stören etwas. Orcha scheint die Hauptstadt der Fliegen zu sein. Auch oben am Homestay wimmelt es ziemlich. Aber gewusst wie - den kräftigen Standventilator neu ausgerichtet und schon werden alle Fliegen von unserem Tisch geweht. Landen sie halt bei den Nachbarn... Wir warten aufs Essen, trinken Lemon Soda und beobachten das Treiben um uns herum.

Gerade irren mindestens 30 Koreanervorbei. Ein lustig anzusehendes Völkchen in Shorts und Mützchen, die Mädels zum Teil mit Sonnenschirmen. Einige tragen sogar Mundschütze und fast alle hochmodernen Kameras. Das Klischee vom fotowütigen Touristen erfüllen sie perfekt. Als nächstes kommt eine Gruppe von mindestens 20 indischen Frauen vorbei, alle westlich und sehr teuer gekleidet. Thorsten vermutet angesichts der Körperfülle schon einen Ausflug von Weight Watchers India, aber die Damen haben wohl einfach nur Geld und lassen es sich in Sachen Mode und Essen wohl einfach gut gehen.

Die Koreaner fallen durch extrem unhöfliches und unfreundliches Verhalten auf. Kein Lächeln. Kein freundliches Wort. Nur im Befehlston dargebrachte englische Phrasen. Einer der Kerle drängt sich gerade in unserem Resto an Tischen und Theke vorbei in den hinteren Bereich des Ladens an den Kühlschrank. Der ist gar nicht öffentliche zugänglich, aber das stört ihn nicht. Da steht eine Dose Pepsi Cola drin. Die will er. Aber seine weibliche Begleitung zieht eine Schnute, sie will Coca Cola, aber nur in der Dose. Die angebotene Flasche will sie nicht. Der Restaurantbesitzer zeigt mal wieder die indische Engelsgeduld. In einem benachbarten Laden organisiert er eine Coca Dose. Statt eines Lächelns oder gar eines Danke bekommt er nur die Dose aus der Hand gerissen und wortlos das Geld in die Hand gedrückt. Unverschämte Personen!

Unser Essen ist köstlich. Am Nachbartisch lässt sich eine westliche Dame in den 50ern nieder. Eben habe ich sie in einer der vorbeischlendernden Reisegruppen gesehen. Sie hatte wohl keine Lust auf Rudeltourismus und hat sich abgesetzt. Jetzt genießt sie ihren Orangensaft und eine Schale heißer Suppe und blättert im Guide de Routard. Eine Französin also.

Später wandern wir noch etwas durch den Ort. Die Tempel betrachten wir nur von außen, denn dem Gesang und Glockenklang nach zu urteilen findet drinnen gerade eine Puja statt und wir haben keine Lust auf die anstrengende Aufmerksamkeit, die sich immer auf uns richtet, wenn wir zu solchen Anlässen in Tempeln erscheinen. Die Priester haben halt auch die Einnahmemöglichkeiten erkannt, die westliche Besucher bieten. Die meisten Westler zahlen wohl gut für die ein oder andere Privatzeremonie, aber wir möchten uns nur in Ruhe umsehen.

Die Tempel sind eindrucksvoll. Ihre spitz zulaufenden kegelförmigen Türme sehen so ganz anders aus als die meisten indischen Tempel, die wir bisher sahen und in den Nischen und Fenstern der Türme nisten riesige Geier. Wir wollen etwas näher heran, um einen besseren Blick auf die eindrucksvollen Vögel zu erhaschen,denn leider habe ich das Teleobjektiv im Homestay gelassen ohne wird es eher nix mit guten Bildern. Aber auch aus dem Blick aus der Nähe wird nichts, denn uns stellt sich eine aggressive Kuh in den Weg, die etwas dagegen hat, dass wir uns über ihren Hof dem Tempel nähern. Nach ihrem ersten, zum Glück halbherzigen Angriff, ziehen wir uns zurück.

Seinen Blick von oben auf die Stadt bekommt Thorsten dann doch noch. Er entdeckt einen Wasserturm dessen Geländer lose Treppe ihn hoch hinaus bringt. Mir ist das zu heikel. Ich schaue ihm mit einem mulmigen Gefühl zu und hab auch Gelegenheit die staunenden Blicke der Anwohner zu beobachten, mit denen sie seine Aktion verfolgen. Das kommt nicht alle Tage vor. Was macht der verrückte Westler da? Gute Fotos im Abendlicht!

Auch in der zweiten Nacht in unserer Lehmhütte schlafen wir prima. Das Aufladen unserer Technik vertagen wir allerdings lieber auf unsere nächste Station, denn der Elektrik trauen wir nicht. Alleine schon am Verhalten unseres Ventilators ist zu erkennen, dass eine gleichmäßige Stromspannung hier wohl Illusion ist. Mal rast er so schnell, dass man fürchtet, dass er sich bald durch die Decke frisst, mal schafft er es kaum noch, träge die Flügel zu drehen. Der Kühl-Effekt ist entsprechend wechselhaft.

Unseren zweiten und letzten Tag in Orcha verbringen wir mit einem Badeausflug zum Betwa. Über die "friends of orcha" kann man einen solchen Ausflug organisieren, was letztlich nichts anderes ist, als dass man mit einem Führer zum Picknick am Fluss aufbricht zu einer der Badestellen, die die Einheimischen selbst aufsuchen. Unser Führer ist Minni, die 12 Jährige Tochter einer anderen Gastfamilie. Sie spricht ziemlich gutes Englisch und so bekommen wir dann doch noch Gelegenheit, einiges über das Leben hier zu erfahren.

Vor der Abkühlung wartet allerdings ein gut 2km langer Spaziergang durch Getreidefelder, einen weiteren Ort und schattenloses Gelände bis hin zum Abstieg über eine graue Felsenlandschaft hinab zum Fluss. Der ist jetzt in der Trockenzeit nur noch ein schmales aber klares Wasserband in einem breiten Flussbett. Dessen viele glatt geschliffene Felsblöcke lassen ahnen, dass es hier in der Regenzeit deutlich wilder zugeht. Das Wasser ist herrlich, obwohl ich natürlich voll bekleidet ins Wasser gehe. Für Thorsten gelten solche Beschränkungen nicht. Er kann in der Unterhose ins Wasser hupfen.

Minni klebt wie eine Klette an mir. Anfangs war sie recht scheu und zurückhaltend, aber nachdem wir miteinander warm geworden sind und sie uns wohl als nett und harmlos eingestuft hat, taut sie auf. Irgendwann traut sie sich sogar mit ins Wasser. Schwimmen kann sie nicht, denn das lernen hier nur die Jungs. Das Wasser ist nicht tief, an den meisten Stellen können wir beide stehen und ich versuche ihr ein paar Grundzüge des Schwimmens beizubringen. Sie hat Spaß, klammert sich aber die meiste Zeit lieber an mir fest und lässt sich durchs Wasser ziehen. Nach der ersten Abkühlung gibt es das Essen, dass ihre Mutter am Morgen gekocht und das Minni in metallenen Behältern zur Badestelle getragen hat. Leckere Chapati, ein Dal und ein Joghurt mit Früchten als Nachtisch. Reichlich und lecker. Für Minni ist eher die Tüte Chips ein Highlight, die wir noch zur Verpflegung beisteuern.

Wir verbringen einige schöne Stunden am Fluss, bevor wir uns wieder auf den langen Rückweg machen. Bevor wir zu unserer Gastfamilie zurückkehren zeigt uns Mini noch ihr Haus. Auch sie vermieten ein Zimmer über die "Friends of Orcha", aber anders als unsere Gastfamilie sind sie keine Bauern, auch wenn im kleinen Innenhof ihres Hauses zwei Kühe stehen. Ein nur wenige Tage altes Kalb ist in dem Zimmer angebunden, in dem Minni und ihre Schwester schlafen. Draußen ist es für es zu heiß und außerdem soll es nicht alle Milch der Kuh weg trinken. Minnis Vater hat einen kleinen Laden, aber derzeit ist er mit den derzeitigen Gästen, einer indischen Familie, ebenfalls zum Picknick am Fluss unterwegs. So treffen wir nur kurz Mutter und Schwester. In dieser Familie hätten wir uns ganz sicher besser unterhalten können, denn auch die Mutter spricht Englisch, aber so nett wie in unserem Hof hätten wir hier nicht gewohnt. Und der Gestank den die Kühe verbreiten ist atemberaubend. Da wohnen wir doch lieber eher sprachlos.

In der Nacht geht es von Jhansi aus in den Zug nach Varanasi. Für uns heißt das noch einmal die 20km Buckelpiste von Orcha aus überstehen. Dass wir diesmal im Hellen unterwegs sind, macht die Sache doch nicht besser. Nun sieht man nur, wie desolat der Zustand der Straßen ist und da der Fahrer jetzt auch mehr sieht, gibt er mit dem TukTuk erst recht Gas. Wir werden heftigst durchgeschüttelt. Etwa auf halber Strecke müssen wir an einem geschlossenen Bahnübergang halten. Hier trifft unser aktueller Fahrer "zufällig" seien Bruder/Schwager/Cousin/Neffen/wasauchimmer und wir werden umgeladen. Die Herren teilen sich den Fahrpreis und uns soll es recht sein, denn unser erstes Gefährt war das klapprigste TukTuk mit dem wir je unterwegs waren. Bei jedem Schlagloch hatte ich den Eindruck, dass es gleich in seine Teile zerfällt. Das neue TukTuk ist zwar alles andere als neu aber in deutlich besserem Zustand. Gut so, denn die Strecke ist noch mal in deutlich schlechterem Zustand. Hier wäre das andere Vehikel niemals heile durch gekommen.

Auf nach Varanasi

In Jhansi haben wir noch ein paar Stunden Zeit, bevor unser Zug geht. Nach bewährtem Muster schließen wir unser Gepäck ein und fahren in die "Stadt". Nur dass es hier außer ein paar dreckigen Straßenzügen mit viel Staub und Lärm nichts zu sehen gibt. Aber Hunger haben wir und nach Hotelrestaurants steht uns nun wirklich nicht der Sinn, so sehr uns der TukTuk Fahrer auch ein solches empfiehlt. Wir gehen lieber in ein kleine Bude an der Zufahrtsstraße zum Bahnhof. Einfach und schmuddlig. Aber in großen Töpfen vor der Tür wird frisch gekocht und frittiert also ist das Essen sicher in Ordnung und das Wasser können wir dank unserem Steripen auch immer und überall keimfrei bekommen. Dieses Ding (http://www.steripen.com) war im Hinblick auf unsere Reisen die beste Anschaffung aller Zeiten. Ein Lampe die mit hochdosiertem UV Licht alle Bakterien im Wasser verlässlich umbringt. Dank diesem genialen Ding trinken wir auch auf dieser Reise fast ausschließlich Leitungswasser und verhindern so ganz nebenbei auch einen Berg Plastikmüll. Das Essen in der Straßenbude ist übrigens lecker und gestärkt fahren wir zum Bahnhof zurück.

Die verbleibende Zeit kann ich prima für ein paar Notizen nutzen, denn nachdem unsere Reise schon ein Weilchen dauert wird es Zeit, ein paar Impressionen zu Papier zu bringen. Also setz ich mich auf den Bahnsteig und arbeite meine Notizen auf. Schnell bildet sich wieder ein Kreis von Zuschauern um mich herum. Ein Mann beugt sich sogar über meine Schulter und schaut interessiert auf das, was ich da in meinem Reisetagebuch zu Papier bringe. Wahrscheinlich fragt er sich genau das, was ich mich angesichts indischer Schriften auch immer frage: "Das ist ne Schrift? Das kann man lesen?"

Für die Fahrt nach Varanasi haben wir uns mal nicht für den "second sleeper" sondern für den "AC 3 Tier" entschieden, also die einfachste der klimatisierten Varianten unter den vielen indischen Zugklassen. Auch hier teilt man sich sein Abteil mit insgesamt 6 Leuten, aber der gesamte Waggon ist klimatisiert und es gibt sogar Bettzeug. Für meinen Teil bleibt dieser Versuch eine einmalige Erfahrung, denn ich schlafe längst nicht so gut, wie in den sleepern. Die Betten sind viel unbequemer und mit den Laken und Bezügen stehe ich die ganze Zeit auf Kriegsfuß. In den Betten ist einfach zu wenig Platz um sich mit all dem Stoff vernünftig einzurichten und auf unseren "upper berth" ist viel weniger Platz als sonst nach oben, so dass man auch nicht entspannt sitzen kann. Aber immerhin, es ist nicht so kalt
Ausblick aus dem Zug Ausblick aus dem Zug Ausblick aus dem Zug

Ein typischer Hof mit Kuhfladen als Brennmaterial
wie befürchtet. Die indische Begeisterung für Klimaanlagen folgt häufig dem Motto "wenn wir eine haben, dann drehen wir die auch voll auf" aber bei unserer Zugfahrt ist das Abteil zum Glück nur angenehm abgekühlt und nicht tiefgefroren.

Am Morgen steigen zum Glück schon recht früh viele Leute aus, dass wir bequem nach unten umziehen können. Das eher störende Bettzeug wird vom für unseren Waggon zuständigen Boy wieder eingesammelt und ordentlich zusammengefaltet, während ich mich an einen Fensterplatz niederlasse und die verschiedenen Landschaften bestaunen, die da draußen vorbei ziehen. Die wüstenartiger Steppe mit nur wenigen dornigen Büschen, einzelnen Bäumen (Akazien?) und gelegentlichen Dattelpalmen haben wir hinter uns gelassen. Jetzt ist es deutlich grüner. Es gibt Getreidefelder, Grasflächen und sogar einige größere Bäume mit dichtem grünen Laub. Wir passieren kleine Dörfer mit Ziegelhäuschen vor denen getrocknete Kuhfladen als Brennmaterial aufgestapelt und Wasserbüffel angebunden sind. Überall in den Feldern sitzen Arbeiter und ernten den Weizen. Das passiert hier auf ganz altertümliche Art mit der Sichel. Sie binden ihn in Garben, die auf dem Feld aufgestellt werden, bis die Dreschmaschine kommt. Denn die gehört den Bauern nicht sondern sie mieten sie sich während der Erntezeit für einen Tag. Man kann gut sehen, wo sie gerade im Einsatz ist, denn eine große Wolke aus Staub und Weizenspreu steigt über ihr auf und weht über die Felder.

Die Landschaft hat sich verändert, das Verhalten in Sachen Müll leider nicht. Hier wie da liegt eine endlose Spur weggeworfener Becher, Plastikbeutel und Chipstüten entlang der Gleise. Der Umgang mit Abfall ist in Indien eines der größten Probleme und es wird wohl noch lange dauern, bis sich das ändert. Immerhin in Orcha selbst war es sehr sauber. Auch ein Verdienst der "friends von Orcha". Sie klären die Bevölkerung auf und schaffen ganz langsam einen Bewusstseinswandel. Als wir bei unserem Badeausflug mit Minni die Chipstüte leerten, packte sie sie anschließend gewissenhaft ein und trug sie bis heim in den Müll. Es sei sehr schlimm, dass die einfachen Leute alles wegwerfen, sagte sie nachdenklich.

Auf Varanasi bin ich sehr gespannt. Man hört und liest ja so viel - von absoluter Begeisterung bis zu blankem Horror. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit in der Mitte und es ist das Beste, sich ein eigenes Bild zu machen. Da wir nicht wissen, wie es uns gefällt haben wir flexibel geplant - entweder bleiben wir 2 oder 4 Tage. Werden wir es kaum erwarten können, wieder zu verschwinden? Oder werden wir nach 4 Tagen wehmütig weiterziehen. Alles ist möglich.

Wir haben uns ein nettes Guesthouse in der Altstadt ausgesucht, das direkt am Ufer des Ganges an Meer Ghat liegt. Die "Sunrise Lodge ". Sie hat nur eine handvoll Zimmer und man kann sie nur zu Fuß erreichen, denn TukTuks können die engen Altstadtgassen nicht befahren und selbst die Fahrrad Rikschas, die es hier in Varanasi noch gibt, können uns nur bis auf ein paar Hundert Meter heran bringen. Wo es für die Fahrzeuge nicht mehr weiter geht treffen wir uns mit dem Chef unseres Guesthouses. Uns den Weg zu erklären wäre zu verwirrend, also holt er uns kurzerhand ab. Ich fürchte schon, dass wir ab hier erstmals die Rucksack-Funktion unserer Trollys brauchen werden, denn die Böden der engen Gassen sind einfach zu uneben und zu dreckig, als dass ich hier rollen wollte. Aber nicht nötig - unser Gastgeber hat uns einen Träger organisiert. Ein schmächtige Kerlchen von vielleicht 50 kg Körpergewicht schnappt sich unsere beiden Trollys, die zusammen sicher halb soviel wiegen wie er selbst, wuchtet sie sich auf den Kopf und macht sich ich einem Tempo durch die engen Gassen davon, dass wir Mühe haben, ihm auf den Fersen zu bleiben, obwohl wir nur unsere kleinen Tagesrucksäcke tragen müssen. Für 100 Rs (keine 1,50 €) trägt er unsere Sachen bis zum Zimmere.

Nach einigem hin und her durch die verwinkelte Altstadt erreichen wir ein paar Minuten später unsere Unterkunft und sind sofort begeistert. Die Kritiken bei Trip Advisor versprechen wirklich nicht zu viel. Eine gute Wahl mit einem netten Besitzer. Ein kleines Guesthouse mit famiärer Stimmung. Die Zimmer sind simpel, aber sauber und die Lage und vor allem der Blick sind unbezahlbar. In südliche Richtung können wir bis zum Horizont die Ghats entlang sehen. Bis zum Dashashwamedh Ghat an dem allabendlich die bekannte Ganga Aarti Zeremonie stattfindet sind es nur ein paar Minuten zu Fuß.

Nach Norden sind es nur kaum 100 Meter bis zu den Verbrennungsghats. Unser Zimmer hat einen kleinen eigene Balkon, affensicher mit Bambus vergittert und auf einer überdachten Galerie vor den anderen Zimmern kann man prima sitzen und das Treiben auf den Ghats am Ganges betrachten. Und was gibt es hier viel zu sehen. Wo anfangen. Was alles beschreiben? Schon nach ein paar Stunden Aufenthalt ist uns klar, Varanasi ist toll, hat uns verzaubert. Varanasi ist Indien hoch zehn. Mit seinen aufdringlichen TukTuk Drivern am Bahnhof, dem lauten chaotischen Verkehr, den engen Gassen mit ihrem Dreck, den Streunerhunden und Streetfood Buden, den unglaublich vielen Kühen, endlos vielen "heiligen" Männern, den Sadhus und nicht zu vergessen den Hippies, Touristen und westlichen Sinnsuchern und Aussteigern.

In den folgenden 4 Tagen streifen wir durch Varanasi und sind begeistert. Hier ist es extrem touristisch und zugleich absolut ursprünglich und uralt. Es wimmelt vor Touristen und Aussteigern und dennoch braucht es nur wenige Schritte hinein in die Gassen und man ist mittendrin im zeitlosen Indien, umgeben von jahrtausendealten Riten und Traditionen. Gegenwart trifft Geschichte. Kommerz trifft Spiritualität. Nicht jede Mischung, die aus diesen Kontakten hervorgeht ist gut, aber jede ist spannend.

Die Altstadt von Varanasi ist eng und verwinkelt. Gelegentlich raubt einem der Geruch nach Urin und Müll den Atem, aber es ist nicht dreckiger als in anderen indischen Städten. Allmorgendlich wird der Müll von den Straßen gefegt und entsorgt oder verbrannt. Überall begegnen einem Kühe und Hunde, gelegentlich huschen Ratten oder Mäuse vor einem über die Gassen und auf den Ghats, den Treppen am Ganges, hausen sogar Ziegen. Überall findet man Tempel und Tempelchen, die ganze Stadt scheint zu großen Teilen aus Tempeln zu bestehen und fast jedes Haus hat seinen eigenen. In jeder Gasse, an fast jeder Kreuzung gibt es Götterbilder, Ligams, Andachtsplätze und alle werden sie rege besucht. Jeden Morgen können wir von unserem Guesthouse aus beobachten, wie die Menschen erst zu einem rituellen Bad in den Ganges tauchen und dann ein Gefäß mit Wasser schöpfen um damit die in der Nähe liegenden Lingams zu übergießen. Zu allen Tageszeiten und bis spät in den Abend hinein hängt Glockengeläut und das Murmeln von Mantras in der Luft.

Am Morgen beobachte ich das Treiben an unserem Ghat. Die Gläubigen, die zum Bad in den heiligen Fluss tauchen. Die Frauen aus der Nachbarschaft, die im trüben graubraunen Ganges Wasser ihre Wäsche waschen. Das wird sauber? Das wird tatsächlich sauber? Strahlend weiß und knallig bunt liegen die Wäschestücke auf den Stufen. Eine Horde Ziegen wohnt ebenfalls auf den steilen Treppen an unserem Ghat. Die Kitze tollen wild über die Stufen, ein alter riesiger Ziegenbock ruht im Schatten der Mauern gegenüber. Puh, was der stinkt, wenn man an ihm vorbei geht. Aber vielleicht stinkt auch die Mauer selbst, denn viele männliche Passanten legen da ungeniert eine Pinkelpause ein.

Besonders spannend aber sind die Sadhus, die sich an "unserem" Ghat zum Bad treffen. Jeden Morgen dieselben. Erst geht man der rituellen Körperpflege nach und vollzieht im schlammig braunen Wasser von Mutter Ganga seine Rituale, dann Wäscht man seine Kleidung und legt sie zum Trocknen auf die steinernen Stufen der Ghats. Die Sonne trocknet den Stoff schnell und die "heiligen" Männer nutzen die Zeit für ein Schwätzchen. Selbst die Asche bedeckten Sadhus baden sich jeden morgen. Danach pudern sie sich wieder komplett mit Asche ein. Nach dem Morgenplausch gehen alle wieder ihrer Wege. Es gibt genug Pilger und Touristen, die für ihren mehr oder weniger echten Segen ein paar Münzen springen lassen. Andere erbetteln sich ihren Lebensunterhalt ohne Gegenleistung. Gegen Mittag wird es zu heiß, selbst für Asketen. Im Schatten vor unserem Guesthouse sammelt sich immer die gleich illustre Truppe um beim Rauchen von Hasch und entspannten Gesprächen den Tag vorbeiziehen zu lassen. Wenn es kühler wird, ziehen sie wieder los, Geld verdienen. Bei der abendlichen Ganga Aarti sitzen die Münzen der Pilger locker. Ach ja, auch die Sadhus lupfen an der schon erwähnten Mauer ihre Roben und pinkeln gegen die Wand.

So viele dieser Sadhus es hier gibt, so unterschiedlich sind sie. Manche sind ganz sicher ganz ernsthaft auf der Suche nach Erleuchtung, andere haben für sich einfach eine Lebensweise gefunden, die maximales gutes Leben bei minimalem Aufwand kombiniert, garniert mit dem Konsum von Hasch und anderen Drogen. Die einen wollen Dich ernsthaft mit ihrem Segen bedenken, die anderen sehen Dich als Einnahmequelle. Und so verschieden, wie ihre Motivation ist, so unterschiedlich ist ihre Optik. Da gibt es welche, die außer einem Lendenschurz und einen Bündel mit wenigen Dingen nichts besitzen. Andere sehen aus, als wären sie gerade aus einer Geschichte aus 1001 Nacht aufgetaucht. Knallige Farben, rote und gelbe Roben, Dreadlocks, Turbane, Rauschebärte. Auf die Stirn gemalte Symbole, glänzende Dreizack-Spieße, gemurmelte Gebete und Matras. Was für Gestalten. Abgedrehte und Ernsthafte, Heilige und Scheinheilige. Fotogen sind sie alle, aber fotografiert werden viele nicht gerne. Zu welcher Sorte sie jeweils gehören sieht man vorher natürlich nicht. Um Forderungen "Money for picture" zu umgehen, knipse ich nur aus der Entfernung oder per Tele.

Wir frühstücken in der "Brown Bread Bakery", einer von Tripadvisor empfohlenen Deutschen Bäckerei in der man auf einer recht hübschen Dachterrasse hoch über der Stadt sitzt und ganz passabel frühstücken kann. Leider kann man sich die anderen Gäste nicht aussuchen und so sind wir genervt von ein paar Israelischen Touristen. In Indien trifft man viele Israelis aber zum Glück sind die wenigsten so nervig wie diese hier. Ein paar mit einem etwa 10 jährigen taubstummen Mädchen und noch ein paar weitere Personen. Sie alle, das Mädchen vielleicht ausgenommen, sind die Personifizierung des herrischen überheblichen Auftretens. Einheimische sprechen sie nur in einem aggressiven Befehlston an, gelächelt wird nicht. Der Wortführer ist ein Bulle von einem Kerl dessen blonde Kringellöckchen ihm ein albernes Aussehen verpassen. Ein Neandertaler mit der Frisur von Atze Schröder? Seine Frau, eine hagere rothaarige Mitdreißigerin versucht grad ihrem indischen Guide englische Buchstaben beizubringen. Er mal was auf, sie herrscht ihn an, dass die Fenster klirren würden, wenn es welche gäbe "WRONG! NOT THIS WAY! AGAIN! Wir frühstücken schnell und tauchen lieber wieder in die chaotischen Gassen Indiens ein.

Lassi und Leichen

Schon am ersten Tag in Varanasi entdecken wir den Blue Lassi Shop. Er ist einer der zwei höchst gelobten Lassi-Läden Varanasis und in meinen Augen der Beste. Thorsten bevorzugt den Baba Lassi an Munshi Ghat, aber die Geschmäcker sind ja zum Glück verschieden. Köstliche Lassis servieren beide, aber der Blue Lassi Shop garniert den Genuss noch mit dem "speziellen" Extra. Was wir nicht wussten, als wir ihn - wie unzählige andere Reisende alljährlich auch - auf Empfehlung des Lonely Planet aufsuchten ist, dass er direkt an der "Einflugschneise" zum Manikarnika Ghat liegt, dem Ort an dem in Varanasi die Toten verbrannt werden. Der Laden ist nicht mehr als ein kleines Kabuff. Der Lassimeister sitzt in einem Fensterchen, rührt mit einem Holzquirl die gewünschten Mischungen in einem Topf an, füllt sie in große Tonschalen und reicht sie dann zum Garnieren an seinen Assistenten weiter. Optisch sind die Lassis kleine Kunstwerke und geschmacklich einfach köstlich. Fast jeder Platz in dem Laden ist besetzt. Es treffen sich Reisende aus aller Welt. Da sitzt man also in einer kaum 10 qm großen Bude auf Bänken und Hockern, die Wände mit Fotos und Nachrichten von Reisenden aus aller Welt dekoriert. Man hält einen dieser wunderbaren Lassis in Händen, die hier serviert werden. Mit Granatäpfeln oder Mangos, Weintrauben oder auch pur. Wunderbar cremigsüßer Joghurt, große Portionen in Tonschalen. Soooo köstlich. Süchtig machend und dabei so günstig. Da sitzt man also und ist glücklich und zufrieden im hier und jetzt und der Meinung, dass das hier einer der besten Orte der Welt ist und dann hört man einen Sing-Sang...

... RAM NAM SATYA HAI... RAM NAM SATYA HAI... RAM NAM SATYA HAI... Und kurze Zeit später trägt man auf der schmalen Gasse vor dem Laden eine Leiche vorbei. Einen Toten auf einer Bahre, über und über bedeckt mit Blumen, getragen von vier Männern,die flotten Schrittes dahin eilen, begleitet von vielen weiteren Männern, die alle dieses Mantra singen... RAM NAM SATYA HAI... Frauen sieht man keine... RAM NAM SATYA HAI heißt "der Nama Ramas ist die Wahrheit" und man findet eine Menge Infos im Internet dazu, wenn man dieses Mantra googelt. Aber ich hab nicht genug aus den Beiträgen verstanden um irgendwas davon hier wiedergeben zu können.

Die erste Leiche, die man vorbei trägt erstaunt uns. "Hast Du das gesehen?" "Das war ne Leiche" "Na sowas". Noch während man diesen Eindruck verarbeitet - wir Westler haben ja jeden Kontakt zum Tod verloren und sind daher vollkommen ungeübt im Umgang mit solchen Situationen - hört man es schon wieder... RAM NAM SATYA HAI... RAM NAM SATYA HAI... Wir sitzen etwa eine Halbe Stunde im Blue Lassi Shop und alle paar Minuten kommt ein Leichenzug vorbei. Nach einer Weile weicht das Erstaunen und die Irritation einer gewissen amüsierten Gelassenheit. Wir fangen an, die Leichen zu zählen. Ich glaube 7 schaffen wir bei unserem ersten Besuch. Und sogar über 10 beim zweiten am nächsten Tag. Mal sind es massige Körper, mal zeichnen sich nur kleine zierliche Silhouetten unter den Tüchern und Blumen ab. Mal sind die Bahren über und über mit Blumen bedeckt, mal müssen ein paar einsame Girlanden reichen. Wo trägt man die Körper hin? Was passiert da, wo man sie hin trägt? Das müssen wir uns mal ansehen!

Ein paar Abzweigungen durch die engen, verwinkelten Gassen später stehen wir in den engen Häuserschluchten hinter Manikarnika Ghat. Sofort ist der Unterschied zu den anderen Vierteln zu erkennen. Statt Läden und Teebuden hat man hier auf jedem freien Flecken und auch in vielen der Häuser riesige Holzstapel aufgeschichtet, Grundstoff für die Feuer, die unten am Ghat brennen. Ganze Wälder in meterlange Stämme gesägt und ordentlich aufgestapelt. Arm dick, manche sogar so dick wie Oberschenkel. Schwarzbraun, wie alles hier. Die Stapel so hoch wie die Gebäude ringsherum. Auch die Häuser und Tempel sind mit einer dunklen Patina überzogen, der Rauch und Ruß der Jahrhunderte. Über das, was hier sonst noch in der Luft liegt, denke ich lieber nicht weiter nach. Auf einer gigantischen Waage werden die zur Verbrennung benötigten Holzmengen abgewogen. Sie wirkt, wie alles hier, uralt. Geschäftiges Treiben überall um uns herum. Die Kameras haben wir vorsorglich in den Rucksäcken verstaut, denn es ist nicht gerne gesehen, wenn man an den Verbrennungsplätzen fotografiert und auf die Fotos-gegen-Geld-Nummer, die man mit Touristen gerne abzieht, haben wir keine Lust. Also wandern wir nur so herum, sehen uns um und versuchen, uns möglichst angemessen und respektvoll zu verhalten. Dass es auch anders geht zeigen bald die andere westliche Touristen, die wohl am Liebsten gleich das Kameraobjektiv mitten in die Scheiterhaufen gesteckt hätten.

Bei der Suche nach einem Weg hinab, ohne quer durch das Geschehen zu müssen kommen wir an Scindia Ghat vorbei. Hier findet sich eine der kuriosesten Aussichten in Varansi, einen Shiva Tempel dessen untere Etage weit in den Ganges eingesunken ist. Als man ihn vor mehr als 150 Jahren baute war er einfach zu schwer für das instabile Ufer und so ist die ganze Konstruktion ein gutes Stück abgesackt. Heute steht der Tempel reichlich schief und man kann ihn nur noch bei starkem Niedrigwasser betreten und nutzen. Ansonsten gibt er einfach ein gutes Fotomotiv ab - der schiefe Turm von Varanasi.

In Varanasi zu sterben und hier verbrannt zu werden ist für den gläubigen Hindu eine erstrebenswerte Sache, denn wer hier stirbt durchbricht den endlosen Kreis der Wiedergeburten. Und es wird viel gestorben und viel verbrannt in Varanasi. Einen regelrechten Sterbetourismus und zahlreiche Hospize soll es hier geben. Um einen erwachsenen Menschen zu verbrennen braucht es etwa 4 Stunden und man braucht eine Menge Holz dafür, ungefähr die 4fache Menge des Körpergewichts, aber das hängt davon ab, ob man mager oder fett, groß oder klein ist. So viel Holz ist teuer und nicht immer können sich die armen Leute ausreichend Holz für eine vollständige Verbrennung leisten.

Bevor der Körper auf den Scheiterhaufen gelegt wird, taucht man ihn mitsamt seiner Bahre und dem Blumenschmuck in den Ganges ein. Ein letztes Bad im heiligen Wasser. Dann lässt man die Bahre zum Abtropfen auf den schrägen Stufen über dem Wasser stehen und der nächste männliche Verwandte, i.d.R. der älteste Sohn, geht zurück zu den Holzhändlern um die Stämme für den Scheiterhaufen zu erwerben. Feilschen ist angesagt, denn die Preise sind hoch und je besser die Qualität des Holzes, desto höher. Frauen unter den Angehörigen sieht man nicht. Sie sind zu emotional, erfahre ich später.
Ist das Holz gekauft schichten entsprechende Spezialisten den Scheiterhaufen auf. Wie bei einem guten Lager- oder Kaminfeuer muss man das Holz auf bestimmte Art und Weise stapeln, damit das Feuer auch gut brennt (... und die nötige Hitze entwickelt). Später sorgen die "Verbrennungsspezialisten" dafür, dass das Feuer immer gut und gleichmäßig brennt. Mit langen Bambusstäben schickten sie Scheite um, verteilen die Glut und das Holz neu uns befördern herausgefallene Körperteile zurück ins Feuer.

Der Körper wird entkleidet und nur in weiße Baumwolltücher gehüllt auf den Scheiterhaufen gelegt. Als nächstes gilt es, das Feuer zu entzünden. Hier darf man aber nicht einfach mit Grillanzünder und Streichhölzern ans Werk gehen, wie der ganze Ablauf ist auch das Anzünden des Scheiterhaufens streng ritualisiert und vorgegeben. Nur wenn man das Feuer mit einer Flamme des Ewigen Feuers entzündet, dass in einem der Tempel hier am Ghat brennt, funktioniert es mit der Erlösung von den Wiedergeburten. Also muss der Sohn erneut all die Stufen des Ghats hinaufsteigen und das heilige Feuer holen... kaufen natürlich. Mit einem brennenden Bündel in Händen kommt er zurück und unter Anleitung oder Begleitung eines Priesters wird das Feuer entfacht. Mehrere Scheiterhaufen werden jeweils von einem der "Fachmänner" betreut, die dafür sorgen, dass die Körper möglichst vollständig verbrennen. Was nicht verbrennt, Teile des Schädels oder des Beckens z.B., wird am Ende in den Ganges geworfen. Gleiches passiert mit der Asche. Da viele Körper mit ihrem Schmuck verbrannt werden, enthält diese Asche so allerlei wertvolles und so stehen junge Männer bis zur Brust im schwarzbraunen Wasser und sieben die Asche durch. Geschmolzenes Gold und die Edelsteine aus den Schmuckstücken werden so herausgeholt und gehen wieder in den "Finanzkreislauf" ein. Die ganze Verbrennungsindustrie ist, neben all ihrer rituellen und spirituellen Bedeutung, nicht zuletzt ein riesiges Geschäft und die Gemeinschaft der Unberührbaren, die all diese schmutzigen und unreinen Arbeiten hier verrichtet hat sogar ihren eigenen "Herrscher", der bei dem nicht zuletzt alle finanziellen Fäden zusammenlaufen und an der auch für die Fundsachen der "Goldwäscher" ein Vorkaufsrecht besitzt.

Lange stehen wir in respektvoller Entfernung und sehen uns das Geschehen an. Ich bin überrascht, wie wenig es mir ausmacht, dass in jedem der derzeit 9 Feuer vor uns ein Mensch verbrennt von dem man manchmal sogar die Silhouette erahnen kann. Ich betrachte die Szenerie mit einem neutralen Gefühl, einer gewissen Neugier und kindlichem Staunen. Da ist weder Ekel noch Entsetzen. Vielleicht bin ich einfach zu abgeklärt? Eine Touristengruppe kommt vorbei in der zwei Frauen bitterlich weinen und völlig erschüttert sind. Über die kann ich mehr den Kopf schütteln als über die Vorgänge hier. Ich beneide die Inder um ihren entspannten Umgang mit dem Tod.

Zarte Rauchschwaden stehen über den Verbrennungsghats. Kein Wunder, dass alle Häuser und Tempel im Laufe der Jahrhunderte eine tiefgraue Farbe angenommen haben. Die meiste Zeit weht der Rauch hinaus auf den Fluss und so liegt nur ein Hauch von Kamin in der Luft. Wenn der Wind dreht kommt ein leichtes Grillaroma dazu und gelegentlich schweben Ascheteilchen hinab und lassen sich auf Haut und Kleidung nieder. Etwas befremdlich, wenn man drüber nach denkt. Auf den Stufen am Ufer verrottet der Blumenschmuck und auch die schimmernden Stoffe wirft man einfach in den Fluss. Der Ganges wird schon alles weg tragen. Nur derzeit eher nicht, denn es ist Niedrigwasser. Spätestens in der Regenzeit macht Mutter Natur wieder richtig sauber. Kühe stehen zwischen den Scheiterhaufen und verspeisen genüsslich die Blumenketten und eine Horde auffällig gute genährter Straßenhunde bevölkert ebenfalls die Ghats. Wir haben es zwar nicht gesehen, aber es heißt, dass sich die Hunde die Knochen und Körperteile schnappen, die nicht völlig verbrannt sind, wenn z.B. die Holzmenge zu gering für eine vollständige Verbrennung war. Kreislauf des Lebens...

Nicht alle Toten werden übrigens verbrannt. Nicht auf den Scheiterhaufen kommen Kinder, schwangere Frauen, Leprakranke, an Schlangenbissen verstorbene Personen und heilige Männer. Sie werden mit Steinen beschwert im Ganges versenkt. Hin und wieder halten die Seile nicht oder die Knoten gehen auf, so dass die Körper wieder auftauchen. Aber auch das sehen wir nicht selbst. In den folgenden Tagen schauen wir mehrfach an Manikarnika Ghat vorbei. Ganz in der Nähe gibt es mit dem "DOG Shop" eine gute Teebude von der aus man das ganze Panorama vor sich liegen sieht. Von hier wage ich dann auch ein paar Fotos. Erst dachten wir, der Shop sei nach dem Hund des Besitzers benannt, aber dann lernen wir, dass das DOG für do only good steht. Tu nur Gutes, wenn das kein guter Vorsatz ist.

Ganga Aarti

Am zweiten Abend schauen wir bei der Ganga Aarti an Dashashvamedha Ghat vorbei. Wir sind früh da und sichern uns einen Platz auf den Treppen inmitten der Pilger und einzelnen anderen Travelern. Die Touristengruppen schauen zumeist von Booten aus zu. Die all abendliche Zeremonie mit viel Feuerschwenken und Lichtopfern zieht Hunderte von Pilgern und Touristen an. Die Pilger verfolgen das Geschehen ganz entrückt und voll Andacht, die Touristen knipsen sich die Speicherkarten voll, die ausführenden Priester nehmen eine unfassbare Menge an Spenden ein und wir Atheisten hocken verwundert inmitten des Geschehens und kommen uns vor wie bei einer Episode von Monty Python.

An besagtem Abend schreibe ich in mein Reisetagebuch...

-- Wir merken es immer wieder - als Atheist ist die Welt voller schräger Dinge. Lourdes oder Varanasi? So groß ist der Unterschied gar nicht. Hier wie dort ohrenbetäubendes Glockenbimmeln, Räucherwerk bis zur Atemnot, viel Leuchten sei es mit Kerzen oder Feuer, unverständliches Gemurmel, inbrünstiges Singen und horrende Summen im Spendentopf. Hier wird allerdings während der Zeremonie geklatscht... und das sowas von ohne Takt. Zurück von der allabendlichen Ganga Aarti sind wir jetzt in erster Linie taub.--

Aber nicht zuletzt solche Erlebnisse tragen einen großen Teil dazu bei, dass ich Indien mit all seiner Exotik und seinen Gegensätzen so sehr liebe. Eine ganz eigene, mir fremde Welt. Auf die Beschreibung der Zeremonie verzichte ich. Dazu gibt es genug Videos und Bilder im Internet. Viel Spannender finde ich ohnehin all das, was sich drumherum ereignet.

Da spazieren heilige Kühe vorbei und versuchen sich an den vorbereiteten Blumengirlanden zu bedienen während sie spritzig frische Fladen fallen lassen, deren Geruch sich mit dem der Teestände und Imbissbuden zu einer nicht sehr einladenden Mischung verbindet. Andere Kühe legen sich mitten zwischen den Plattformen für die Ehrengäste nieder um wiederzukäuen oder ein Nickerchen zu machen. Ein massiger Bulle taucht auf und stapft die Treppen des Ghat nach oben. Da kommt Bewegung in die Zuschauer. Diesem Fleischberg mit Hörnern weicht man besser aus.

Der feiste Zeremonienmeister der Zeremonie hockt auf einem Plastikstuhl inmitten der Vorbereitungen. Er blickt gelangweilt um sich und erteilt Anweisungen, während ein Dutzend dienstbare Helfer um ihn herum wuseln. Seine ganze Erscheinung strahlt eine selbstgefällige Arroganz aus. Er hat die Macht und das Sagen und jeder sieht das sofort

Die Helfer bereiten alles für die Zeremonie vor. Die startet zwar erst bei Sonnenuntergang aber die Vorbereitungen beginnen schon ´mehr als 2 Stunden vorher. Die Plattformen auf denen später die Priester stehen werden mit Leuchtern und Blumenschmuck dekoriert und allerlei Utensilien werden bereitgelegt. Da gibt es Muschelhörner (zum Tuten), Glocken (sehr laute), Wassergefäße, Feuerkelche in Kobra-Form, Räucherstäbchen in Arm dicken Bündeln und pyramidenförmige Leuchter. Mikrofone und sehr große Lautsprecherboxen werden aufgestellt und nach und nach werde quietschbunte Lichterketten eingeschaltet.

Währenddessen füllen sich die Treppen des Ghat mit Zuschauern. Zumeist kleine und größere Gruppen von Pilgern, ein paar vereinzelte Westler, einige Hippies, Fotografen und viele Händler. Die Souvenir- und Heiligenbildchen-Verkäufer stürzen sich auf die Pilger und machen gute Geschäfte. Glitzernde Götterbilder als Wandteppich? Embleme mit Hakenkreuz (pardon, Swastika) oder Sonnenmotiv? Gebetsketten aus Plastikperlen? Heiligenbildchen für allerlei verschiedenen Götter? Alles zu haben. Und auch sonst noch dies und das, was der indische Pilger brauchen könnte. Reisetaschen in verschiedenen Größen? Kein Problem. Plastikschmuck für die Frauen, Luftballons, Plastikspielzeug, Rasseln für die Kinder? Kein Problem. Ledergürtel für die Herren? Aber klar doch.

Fotografen bieten Fotos zu sofort mitnehmen an, die sie kleinen Druckern ausdrucken, die sie in Umhängetaschen mit sich herum tragen. Sie finden viele Kunden, denn die meisten der Pilger um uns herum sind arme Leute, die keine eigenen Handys oder Kameras haben. Ihre Kleidung ist einfach und abgetragen, auch wenn man sieht, dass sie sich zur Feier des Anlasses in ihre besten Sachen geworfen haben. Umso mehr bin ich später fassungslos, als ich sehe, wie viel Geld, welch große Scheine diese armen Leute in die Spendentöpfe werfen.

Die Zeremonie selbst ist vor allem sehr sehr sehr laut. Während des ganzen Ablaufes aus Räucherwerk- und Feuerschwenkens werden Mantras gesungen, die nach dem Motto HAUPTSACHE LAUT über die riesigen Boxen verstärkt werden. Dazu bimmelt jeder der sieben Akteure an unserem Ghat (am benachbarten Ghat sind es sogar neun) pausenlos mit einer großen Messingglocke. Nach 30 Minuten ist der Spuk vorbei und ich bin einem Tinitus nahe. Eins ist Klar, die Götter müssen schwerhörig sein!

Wir verbringen zwei weitere schöne Tage in Varanasi. Spazieren bis zum Assi Ghat, wo die meisten Traveler absteigen und es entsprechend viele Restaurants und Shops gibt. Bummeln immer wieder durch die Altstadt und entdecken immer wieder interessante neue Ecken. Varanasi ist toll, hier könnte ich noch Wochen zubringen. Außerdem wage ich ein spannendes Experiment: Für gewöhnlich achte ich in Indien sehr bewusst auf meine Kleidung und mein Auftreten. Stets ausreichend bedeckt, nicht zu viel Ausschnitt und wenig nackte Haut, so kann man meine Kleiderordnung zusammenfassen. Damit ziehe ich keine ungewollte Aufmerksamkeit auf mich und kann ungelogen behaupten, dass ich so in all unseren Reisen noch keinerlei (!) negative Erfahrungen mit den angeblich so aufdringlichen indischen Männern gemacht habe. In jedem beliebigen Urlaub in Südeuropa begegnet mir mehr Abmache.

Da aber hier in Varanasi so viele leicht bekleidete Touristinnen unterwegs sind und es außerdem so verdammt heiß ist, traue ich mich ausnahmsweise mal in einem schulterfreien Top hinaus. Nackte Schultern. Das geht gar nicht! Wer hier nackte Schultern zeigt outet sich als leichtes Mädchen. Das weiß ich, aber die Neugier siegt. Ob die zwei Zentimeter weniger Stoff am Oberarm wirklich einen Unterschied machen? Denn ein T-Shirt ist bekanntlich ok. Sie machen einen gewaltigen! Schon nach ein paar Schritten merke ich den Unterschied in der Geräuschkulisse um mich herum. Zungenschnalzen, Schmatzen, Raunen, wo ich sonst einfach so vorbei spazieren kann, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Die Augen aller Kerle kleben auf mir. Das Ergebnis ist eindeutig! Also kommt mal wieder mein Allzwecktuch zum Einsatz, das ich immer um die Hüften geknotet dabei habe. Kaum drapiere ich mir den Stoff um die Schultern und bedecke so die paar Zentimeter Haut, die ich heute mehr aus sonst zur Schau stelle, kehrt Ruhe ein. Wenn es je eines Beweises bedurft hat, wie wichtig angemessene Kleidung ist, hier ist er. Kein Wunder, dass all die Frauen, die sich hier so kleiden, dass sie schon nach europäischen Maßstäben als halbnackt gelten, sich vor männlicher Aufmerksamkeit nicht retten können. Nun, manche legen es wohl drauf an und suchen so Gesellschaft. Andere wissen einfach nicht, was sie tun, da sie sich nicht mit ihrem Reiseland beschäftigt haben. Das merke ich, als ich mal eine der "Nackten" auf ihre Kleidung und deren Wirkung anspreche. Mann, was war ihr das peinlich...

Leider viel zu schnell ist unsere Zeit in Varanasi vorbei und wir müssen uns wieder auf den Weg machen. Nächste Station Lucknow. Aber Varanasi hat uns wirklich gut gefallen. Irgendwann kommen wir ganz sicher noch mal her.

Couchsurfing in Lucknow

Wieder ab in den Zug. Inzwischen sind wir routinierte Zugreisende und finden uns problemlos in den Bahnhöfen und auf den Bahnsteigen zurecht. So kommen wir ohne nennenswerte Erlebnisse nach Lucknow, wo eine Premiere der besonderen Art ansteht. Anders als an unseren anderen Stationen haben wir für Lucknow keine nette Unterkunft über Tripadvisor finden können und so probieren wir es mit Couchsurfing. Die perfekte Wahl! Wir landen bei der Familie von Deepanju die uns nicht nur bloß eine Couch sondern gleich ein ganzes Zimmer mit eigenem Badezimmer bietet und das ganze gratis, denn das ist der Clou am Couchsurfen: man wohnt kostenlos bei Privatleuten. Wir haben die perfekte Basis gefunden, um Lucknow zu erkunden.

Lucknow liegt eher abseits der typischen Touristenrouten und auch wir haben hauptsächlich hier einen Stopp eingelegt, weil uns die Zugstrecke von Varanasi nach Amritsar, unserem nächsten Ziel, zu weit ist. Außerdem gibt es durchaus ein paar Sachen zu erkunden, die ganz interessant klingen: die Bara Imambara ein Mausoleum das an einen schiitischen Heiligen erinnert und die Ruinen von "The Residency", einer englischen Garnison, die an die Kämpfe im Rahmen des indischen Aufstands gegen die englischen Kolonialherren im Jahr 1857 erinnert.

Die Bara Imambara erweist sich als erheblich überteuert für das, was es zu sehen gibt. Klar, die labyrinthischen Gänge des Gebäudes zu erkunden ist ganz interessant und der Blick vom Dach des Komplexes auf die benachbarte Moschee und die umgebenden Gärten ist wirklich eindrucksvoll, aber der Eintrittspreis von 500 Rs bei weitem zu hoch. Angeblich hat die Bara Imambara eine der größten Gewölbehallen der Welt aber ich finde die Halle mit dem Grabmal des Heiligen und den umgebenden Andachtsplätzen hat eher den Charme einer Turnhalle. Es ist Freitag und Tausende von Gläubigen strömen in die Moschee. Während wir die Dächer der Imambara erkunden spaziert ein steter Strom zumeist weiß gekleideter Männer in das Gebäude. Frauen sieht man nur wenige. Irgendwann ist die Moschee voll und nun füllt sich auch noch der mit Zeltplanen beschattete Vorplatz, bis die Männer in dichten Reihen nebeneinander sitzen und gebannt er Predigt des Imam lauschen.

Am besten gefällt mir auf dem Gelände hier der alte Stufenbrunnen, den man frei erkunden kann und dessen Bausubstanz schon merklich bröckelt. Ganz im Gegensatz zu allen andern Stufenbrunnen, die wir bisher sahen ist dieser hier rund. Leider ist es nicht wirklich fotogen, so dass ich kein Bild von seiner ungewöhnlichen Erscheinung mache. Kühle düstere Etagen verbunden durch enge Treppen führen hinab. Es riecht feucht und modrig, aber Wasser steht hier keines mehr, denn der letzte Regen ist schon zu lange her. Derzeit sammelt sich unten nur noch Müll. Vielleicht sieht das am Eden der Regenzeit anders aus. Enttäuscht kehren wir um und wagen uns wieder ans Tageslicht.

Viel besser als die Bara Imambara gefällt uns das Gelände um "The Residency". Die Ruinen der einstigen Garnison liegen verteilt in einem weitläufigen Park. Einschläge von Gewehr- und Kanonenkugeln erinnern noch an die Kämpfe und die Belagerung während des Aufstands. Wer genauer wissen mag, was seinerzeit passiert ist, kann das hier sehr ausführlich nachlesen. Wir bringen einige Stunden hier zu. Um die Mittagszeit ist es inzwischen sehr heiß, aber zum Glück gibt es einen Wasserhahn an dem man seine Flaschen auffüllen kann.

Ein paar schwarz verschleierte muslimische Frauen mit ihren kleinen Kindern kommen vorbei und grüßen uns. Wie halten die das unter dem dunklen Stoff nur aus? Etwas später sehen wir die vier wieder. Sie haben sich auf einer Wiese im Schatten niedergelassen und plaudern miteinander, die Schleier abgelegt, darunter Salwars ins leuchtenden Farben. Als sie uns sehen, winken sie uns zu sich. Wir sollen uns zu ihnen setzen. Leider sprechen sie kaum Englisch, so dass nicht viel Unterhaltung zustande kommt, aber eine ganze Weile sitzen wir gemeinsam da und genießen den Nachmittag. Irgendwann sammeln sie ihre Kinder wieder ein, werfen sich die schwarzen Stoffbahnen wieder über, winken und spazieren davon. Wir bleiben noch recht lange im Park, spazieren herum, erkunden die zerschossenen Ruinen, werden fotografiert. Keine besonderen Vorkommnisse.

Bevor wir uns ein TukRuk zurück zu unserer Gastfamilie nehmen, kehren wir in einer kleinen Teebude in der Nähe von "The Residency" ein. Wo so viel los ist wie hier muss der Tee einfach gut sein. Wir werden nicht enttäuscht und der schnauzbärtige Teemeister freut sich sichtlich, als wir uns auf seinen wackligen Bänken niederlassen. Es ist schmuddlig und duster, aber der Tee ist köstlich. Wie immer dauert es nicht lange, bis sich irgendjemand uns anspricht und bald sitzt Thorsten mit einem Herren vertieft über unserem Kauderwelsch-Hindi-Buch beim Versuch, ein paar Brocken Hindi zu lernen. Ich beobachte derweil den Chef beim Tee machen. Wie am Fließband geht das... Wasser und Milch aufkochen, eine Ladung Tee und ordentlich Zucker dazu werfen, mit einem Glas ein Stück Ingwer platt hauen und in den Topf werfen, etwas Teegewürz kommt auch noch in den Topf, das Gebräu eine kleine Weile brodelnd kochen lassen, durch ein Sieb gießen, Wasser für die nächste Ladung ansetzen, den Tee in Gläser gießen und verkaufen und gleich wieder von vorne . Hier gibt es ein
">VIDEO von unserem Teemeister.

Nächster Stop: Amritsar

Schon ist mehr als die Hälfte unserer Reise um und unsere letzte und zugleich Zugfahrt steht an: es geht in 17h von Lucknow bis nach Amritsar. Währen wir auf dem Bahnhof auf unseren Zug warten passiert
TeemeisterTeemeisterTeemeister
etwas, das man mit einem Augenzwinkern als erste und bislang einzige sexuelle Belästigung unserer bislang 4 Indienreisen bezeichnen kann. Nein, nicht ich werde belästigt. Stattdessen wird Thorsten von einem schwulen jungen Kerl angemacht. Schon während sich dieser uns über den Bahnsteig nährt ist offensichtlich, dass er ganz sicher nicht hetero unterwegs ist. Holla, dass man auch in Indien derart tuntig daher stolziert. Verstohlen mustert er uns eine Weile, dann fasst er sich ein Herz und spricht Thorsten an. Während er ihn anhimmelt und ein paar schüchterne Worte fallen lässt sammelt er wohl seinen ganzen Mut und erklärt dann "but you must know, I am gay". Nein wirklich? Wären wir nie drauf gekommen. Nach einem "you are really gorgeous" macht er sich davon. Die ganze Episode dauert keine 2 Minuten, dann zieht er weiter. Wir bleiben erstaunt und amüsiert zurück. Was war das jetzt?

In Amritsar treffen wir uns wieder mit Ajay. Zusammen werden wir dann noch 10 Tage mit dem Auto den Norden erkunden. Da oben ist das Vorankommen mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufwendig und zeitintensiv und die Straßenverhältnisse z. T. so abenteuerlich, dass ich mich nur ungern einem fremden Fahrer anvertrauen würde. Nein, dann lieber mit Ajay los, bei
wieder unterwegswieder unterwegswieder unterwegs
ihm wissen wir wenigstens, dass er gut und sicher fährt und außerdem ist er ein netter Kerl und es macht Spaß mit ihm unterwegs zu sein.

Die Zugfahrt zieht sich und verläuft ereignislos. Amritsar erweist sich als staubige, laute Stadt mit vielen Einbahnstraßen an die sich die Fahrer erstaunlicherweise halten und sehr wenig Kühen. Irgendwie ungewöhnlich. Aber wir wollen uns hier ohnehin nicht lange anhalten. Heute einen Ausflug zur Wagah Border, der Grenze nach Pakistan, morgen ein Besuch im berühmten Goldenen Tempel der Sihk und dann ab nach Norden.^

Wagah Border

Tja, was soll ich sagen? Ein Besuch an der Grenze nach Pakistan mit der allabendlichen MIlitärparade und dem Ritual der Grenzschließung ist ein Erlebnis, das sich kaum mit Worten beschreiben lässt. Wer lieber Bilder statt Worte für einen ersten Eindruck möchte, der gebe bei youtube einfach mal Wagah Border ein. Da finden sich dann unzählige Videos von dem, was wir hier erleben. Wenn man sich die ansieht versteht man, warum das Spektakel hier etwas ganz eigenes ist.

Von unserem Hotel bis zur Grenze sind es gut 30 km, davon die meisten auf einer schnurgeraden, gut ausgebauten Straße nach Westen. Im Hotel wollte man uns den
die Staatsmacht ist müdedie Staatsmacht ist müdedie Staatsmacht ist müde
Trip hierher für 1.200 Rs verkaufen. Zu teuer, selbst für Auto nebst Fahrer. Also organisieren wir uns auf eigene Faust ein TukTuk und zahlen letztlich nur 600 Rs. Mit einem Sammeltaxi ist die Strecke auch für 100 Rs zu haben, aber die Aussicht, 30 km eingequetscht mit möglichst vielen anderen Fahrgästen zuzubringen reizt uns dann doch nicht. Wobei die Strecke im TukTuk auch kein reines Vergnügen ist, denn die Piste ist staubig und so lange wir noch in der Stadt unterwegs sind, rauben Abgase einem den Atem. Und der Anblick macht traurig, denn neben der Straße liegen frisch gefällte uralte Banyam Trees. Warum fällt man diese wunderbaren Bäume? Ohne sie wird es nur noch heißer, trockener, staubiger. Leider begegnet uns dieses Bild immer wieder auf unseren Reisen durch Indien. Die Bäume müssen weichen, damit man die Straße verbreitern oder mehr Häuser bauen kann. Wo die alten Alleen noch stehen ist es darunter angenehm kühl. Sind sie weg, bleiben nur staubige Buckelpisten und ausgedörrte Landschaft.

Lässt man die Stadt hinter sich, wird die Luft etwas besser. Wir sind nicht alleine unterwegs, eine richtige Völkerwanderung ist im Gange. Autos, Busse, TukTuks, Motorräder, tausende Menschen haben alle dasselbe Ziel: Wagah Border. Einen
ZeitungspauseZeitungspauseZeitungspause
Kilometer vor der eigentlichen Grenze ist für alle Schluss. An einem riesigen Parkplatz müssen die Autos zurück bleiben, die Massen strömen zu Fuß weiter. Imbissbuden und Wasserstände säumen den Weg. Außerdem werden patriotische Souvenirs angeboten, von Flaggen über Videos der Zeremonie bis hin zu Plastikwaffen für die Jungs. Verlaufen kann man sich nicht, es geht nur in eine Richtung weiter. Bevor man die Tribüne der Grenzstation erreicht muss man diverse Sicherheitskontrollen passieren. Am 02.11.2014 gab es auf pakistanischer Seite einen Selbstmordanschlag mit mehr als 60 Toten und so verfeindet wie die beiden Länder sind, geht man auch auf indischer Seite lieber auf Nummer sicher.

Immerhin, hier profitieren wir mal davon, westliche Touristen zu sein. Normalerweise bedeutet das in Indien in erster Linie, dass man deutlich erhöhte Eintrittspreise zahlen muss und als willkommene Einnahmequelle betrachtet wird. Hier aber muss man keinen Eintritt zahlen und da den Indern daran gelegen ist, sich als gastfreundliche Patrioten zu präsentieren, darf man als Foreigner auf der VIP Tribüne Platz nehmen. Praktisch, denn so können wir an den wartenden Massen an den Sicherheitskontrollen vorbei ziehen und durch einen separaten Checkpoint bevorzugt eintreten. Hinein ins organisierte Chaos.

Unser Platz ist prima. Perfekter Blick auf die
Wagah Border - aufwärmen mit Bollywood TanzWagah Border - aufwärmen mit Bollywood TanzWagah Border - aufwärmen mit Bollywood Tanz
Tribünen auf der indischen Seite auf die noch immer weiter Besucher strömen und hinüber nach Pakistan. Das Bild dort ist fast ein Spiegelbild unserer Seite, nur dass dort Männlein und Weiblein muslimisch korrekt voneinander getrennt auf den Zuschauerrängen sitzen, die Frauen fast alle mit Kopftuch und teilweise auch komplett verschleiert. Die Stimmung brodelt. Während drüben gebetsartige Ansagen über das Publikum schallen bringt man sich auf indischer Seite mit den neuesten Hits aus den aktuellen Bollywoodfilmen in Stimmung. Jeder, der sich dazu berufen fühlt, kann sich den Tanzenden auf der Straße anschließen. Am Ende tanzen einige dutzend Frauen und Mädchen eine filmreife Choreografie auf der Paradestrecke. Noch immer strömen weitere Gäste herbei. Soldaten mit Spürhunden und Suchgeräten gehen die erste Reihe ab. Keine Bomben, es kann los gehen. Jetzt wird's ernst. Die Wachsoldaten scheuchen die Tanzenden zurück auf ihre Plätze - gar nicht so leicht, denn in der Zwischenzeit sind ein paar Hundert Leute dazu gekommen - und der offizielle Einheizer nimmt seinen Job auf. Da die Zeremonien auf beiden Seiten zeitlich perfekt aufeinander abgestimmt sind, enden drüben die Gebete und der dortige Sprecher macht sich ebenfalls bereit.

Nun beginnt eine Art Duell in Patriotismus. Der Einheizer ruft irgendetwas und
Eine Frau gibt den Takt anEine Frau gibt den Takt anEine Frau gibt den Takt an
das Publikum auf unserer Seite brüllt aus voller Brust "Bharat" und "Hindustaaaaaan" (was beides Indien heißt) während die andere Seiten mit eigenen Ansagen und ohrenbetäubendem "Pakistaaaan" antwortet. Was gebrüllt wird verstehen wir nicht, aber die Bedeutung ist klar. WIR sind die Besten. Nein WIR. WIR sind toller. Nein WIR sind die allertollsten. usw usw usw. Das ganze in wahrhaft ohrenbetäubender Lautstärke. Der Einheizer nimmt seinen Job sehr ernst und brüllt ins Mikro als müsse er ohne auskommen und die tausendfache Antwort ist auch ohne Lautsprecher schon laut genug. Und dabei hatten sich meine Ohren gerade erst von der Ganga Aarti in Varanasi erholt. Aber das war noch längst nicht alles. Jetzt geht es erst richtig los.

Auf einem Podest über der Paradestraße thront ein Schlagzeug. An diesem nimmt - Überraschung - eine junge Soldatin in Tarnanzug Platz. Sie gibt hier den Takt an, denn sie begleitet alle folgende Marschschritte mit passendem Getrommel. Bis hierher war die ganze Veranstaltung nur etwas schräg und sehr laut, aber was jetzt kommt ist wirklich abgedreht, ganz so, als hätten Monty Python das Drehbuch geschrieben und die Choreografie erdacht. Am ehesten lässt es sich als Duell im zackig Marschieren und die Beine besonders Hoch
Hoch das BeinHoch das BeinHoch das Bein
werfen umschreiben, wobei man auf indischer und auf pakistanischer Seite zeitlich perfekt aufeinander abgestimmt ist. Kein Wunder, die üben ja auch jeden Tag.

Als erstes marschieren auf indischer Seite ein paar fesche Soldatinnen auf das Grenztor zu und öffenen es. Eine Botschaft an die verschleiderten Schwestern auf der anderen Seite? Schaut her, was hier bei uns möglich ist? Danach drehen beide Seiten so richtig auf. Alleine oder in Paaren marschieren die jeweils größten und eindrucksvollsten Gardesoldaten aufeinander zu. Kurz vor der Grenze wird gestoppt, sich drohend angebrüllt und zackig das Bein in die Höhe gerissen. Je höher desto besser. Manche es sogar mit der Fußspitze den Fächerpuschel auf dem Kopf zu berühren. Begleitet wird das Ganze von gebrüllten Ansagen des Einheizers und vom Jubel des Publikums.

Wir wissen schon lange nicht mehr, ob wir vor Staunen den Kopf schütteln oder lachen sollen. Schräg ist die beste Umschreibung. Das seltsame Gehabe wiederholt sich einige Male und endet dann damit, dass die Fahnen beider Seiten über der Grenze eingeholt werden. Dabei scheint das Ziel zu sein, die eigene Fahne zum einen so langsam wie möglich hinunter zu lassen, dabei mit der Gegenseite synchron aber keinesfalls als erster unten zu sein.
gleiches Spektakel in Pakistangleiches Spektakel in Pakistangleiches Spektakel in Pakistan
Am Ende ist die indischer Fahne eine Sekunde zu früh unten und Pakistan überschlägt sich vor Jubel. Die Fahnen werden gefaltet und von 4 eindrucksvollen Kerlen mit zackigen Schritten davon getragen. Noch etwas aufeinander zu marschieren und Drohgebärden, dann werden die Grenztore so energisch und laut wie möglich zugeschlagen. ZACK, vorbei. Binnen Minuten werden die Zuschauerränge von den Wachsoldaten geräumt und die Menschenmassen spazieren zu den Autos zurück. Wir mittendrin, noch immer verwundert in was wir da hinein geraten sind. Welcher Choreograph hat sich das nur in welchem Drogenrausch ausgedacht?

Auf dem Rückweg bewahre ich noch eine europäische Touristin vor weiteren unschönen Erfahrungen. Sie ist mit ihrem Mann unterwegs und mit Spaghettitop und Shorts so leicht bekleidet, dass sie sogar daheim schon auffallen würde. Jeder Kerl an dem sie vorbei geht sieht ihr fast sabbernd nach. Sie zieht massenhaft ungewollte Aufmerksamkeit auf sich. Ich spreche sie an, frage sie ob das ihre erste Indien Reise ist. Ist es. Ob ihr bewusst ist, dass ihre Kleidung hier eher unter "nackt" fällt. Ist es nicht. Sie schaut mich verwundert an. Jetzt scheint ihr so einiges klar zu werde und ihr Aufzug ist ihr sichtbar peinlich. Wortlos stürzt sie davon und hetzt
Tempel und SeeTempel und SeeTempel und See
zum Auto. Ihr Mann nickt mir noch dankbar zu ehe er ihr nach eilt.

Goldener Tempel

Der Harmandir Sahib, wie der goldene Tempel eigentlich heißt, ist eines der Ziele das man schon zu kennen glaubt, lange bevor man da ist. Wie das Taj Mahal hat man ihn schon hunderte Male im Fernsehen, in Büchern, auf Postkarten gesehen bevor man endlich davor steht. Und wie beim Taj ist auch ist hier der erste "life" Blick trotz aller Bilder im Kopf einfach atemberaubend. Diesen Ort muss man gesehen haben.

Allerdings ist frühes Aufstehen angesagt, damit man den Platz genießen kann, ehe es zu voll wird. Nur dass hier nicht Touristen das Gros der Menschenmassen ausmachen sondern gläubige Sikh. Also klingelt um 5:30 Uhr der Wecker. Wir wollen um 6 Uhr losgehen. Unser Hotel "Roompa" liegt nur 20 Minuten Fußweg vom Tempel entfernt und mit einer Rickscha schafft man die Strecke im Handumdrehen.

Kurz vor dem Tempel wollen uns fliegende Händler Tücher verkaufen. Drinnen bräuchte man welche, aber es gäbe keine. Wir wissen es besser. Es gibt sie sogar kostenlos. Und auch sonst: kein Eintritt, keine Sicherheitsschleusen, Keine Taschenkontrollen. Was für ein Kontrast zu dem Spektakel gestern an der
WachmannWachmannWachmann
Grenze. Man gibt seine Schuhe und, wenn man mag, seine Tasche ab und bedeckt seinen Kopf. Wer kein eigenes Tuch (wieder zücke ich mein Allzwecktuch) dabei hat nimmt sich einfach eines der kostenlos bereitgestellten Tücher. Unnötig vorher ein Tuch zu kaufen, es sei denn, man will es als Andenken mitnehmen. Hier drinnen gibt es einen riesigen Berg zur Auswahl in Designs für jeden Geschmack - von knallorange, wie daheim die Uniform der Müllmänner is, bis kunterbunt wie 70er Jahre Tapete. Farbenfrohes Indien.

Schon jetzt, um halb 7, ist unheimlich viel los. Der Tempel ist fast rund um die Uhr geöffnet und immer gut besucht. Ein beruhigendes Murmeln oder Singen schallt aus Lautsprechern über die Anlage, auf zwei großen LED Schirmen wird der Text in Hindi und in der Englischen Übersetzung angezeigt. Das sonore Gemurmel ist sehr angenehm, aber der Inhalt für uns Atheisten mal wieder sehr abgedreht. Eine stille, sehr friedliche Stimmung liegt ober dem Ort und obwohl schon Tausende von Menschen da sind hört man keine lauten Stimmen, gibt es keine Hektik, keinen Lärm. Bedächtige Ruhe. Selbst die kleinsten Baby und - fast noch erstaunlicher - auch alle halbstarken Jungs benehmen sich vorbildlich. Kein Gequengel, selbst in der
Fische im heiligen TeichFische im heiligen TeichFische im heiligen Teich
langen Schlagen zum Haupttempel. Eine ganz besondere und sehr angenehme Stimmung liegt über allem.

Wächter in gelben Roben mit einem Speer als Waffe schreiten, natürlich barfuß, umher und halten ein Auge auf die Besucher. Sie haben nichts zu tun. Auch als es voller wird bleibt die Stimmung ruhig und entspannt. Riesige Goldfische oder Koi Karpfen schwimmen im klaren Wasser. Anders als in den heiligen Becken in Hindutempeln werden hier wohl keine Futterspenden ins Wasser geworfen. Auch treibt keinerlei Müll im Wasser. Manche Besucher verharren im Gebet, den Blick auf den Goldenen Tempel gerichtet, andere baden Wasser des Beckens, das den Tempel umgibt. Die Männer entkleiden sich bis auf die Unterwäsche bevor sie in das kalte Wasser eintauchen. Für die Damen gibt es einen vor Blicken geschützten Bereich, einen kleinen komplett ummauerten Bereich mit eigenem Zugang zum Wasser. Rundherum vor Blicken geschützt können so auch die Frauen ihr rituelles Bad nehmen - "Holy Dip only for ladies" verkündet ein Schild.

Bis auf das Bad im heiligen Wasser verhalten wir uns auch nicht viel anders als die anderen Besucher. Im Uhrzeigersinn schreitet man gemächlich um den Tempel, genießt den Blick, macht Fotos, setzt sich in eine ruhige Ecke lauscht den
Goldener TempelGoldener TempelGoldener Tempel
gemurmelten Weisheiten und beobachtet das Treiben um sich herum. Natürlich sind die Sikh auch nicht weniger fotoverrückt als andere Inder und so bleiben wir auch hier nicht ganz vom üblichen "one picture please" verschont. Allerdings ist auch dies hier viel entspannter und weit weniger aufdringlich als "draußen". Erst nach Blickkontakt und freundlichem Lächeln wird gefragt. Wir haben nichts dagegen, schließlich bekommen wir so auch ein Bild von uns selbst in unserer eher ungewöhnlichen Aufmachung. Und, so bald wir uns irgendwo hin setzen lässt man uns in Ruhe. Und Sitzen und Schauen kann man hier gut.

Die Sikh sind ansehnliche, stattliche Gestalten. Turbane in allen leuchtenden Farben, eindrucksvolle Bärte, stolze Haltung. Recht kriegerische Gestalten zum Teil, mit ihren offen getragenen Dolchen. Und auch die Frauen sind ebenso ansehnlich. Wir Sitzen und Schauen.

Der Blick auf den Tempel ist atemberaubend schön. Je höher die Sonne steigt, desto strahlender leuchtet seine goldene Hülle. Erst ist es noch ein sattes rötliches Gold aber bald strahlt er blendend hell. So schön! Auf dem Weg, der in sein Inneres führt stehen Hunderte Menschen geduldig in der Schlange und rücken langsam Schritt für Schritt vor, bis sie endlich eintreten können. Wir verzichten auf den Blick
one picture pleaseone picture pleaseone picture please
ins Innere. Nach langem Anstehen steht uns nicht der Sinn, schließlich treffen wir uns gegen Mittag mit Ajay um dann mit dem Auto in Richtung Himalaya weiter zu ziehen.

In der riesigen Küche des Tempelbereichs werden in gigantischen Kesseln täglich Mahlzeiten für etwa 40.000 Besucher zubereitet und jeder ist eingeladen, kostenlos natürlich (Spende willkommen, aber kein Muss). Wir können uns nicht recht aufraffen. Es ist grad Frühstückszeit und umso sehr wir das indische Essen leben, so wenig können wir den indischen Frühstücksgewohnheiten abgewinnen. Auch ist uns das Gewusel im riesigen Speisesaal ist uns einfach zu unübersichtlich. Und da uns ohnehin etwas die Zeit davon läuft, verzichten wir. Ein Fehler, wie ich inzwischen weiß.

Nach dem Besuch im Goldenen Tempel schauen wir noch in einem kleinen Park ganz in der Nähe vorbei, de Jallianwala Bagh. Heute ein friedlicher Garten mit blühenden Büschen, grünen Wiesen, umher spazierenden Pärchen, Schulklassen und Touristen. Am 13. April 1919 war dieser friedliche Ort allerdings aber Schauplatz eines furchtbaren Massakers, bei dem 379 Menschen getötet und 1.200 verletzt wurden. Details kann man z. B. hier https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Amritsar nachlesen. Wer den Film Gandhi kennt, der wird sich an die Szenen erinnern, in denen die Briten die friedlich
neue Zahnbürste gefällig?neue Zahnbürste gefällig?neue Zahnbürste gefällig?
demonstrierenden Menschen niedermetzeln. Noch heute sieht man die Einschusslöcher in den Mauern und man kann einen Blick in den Brunnenschacht werfen, in den sich die verzweifelten Menschen stürzten, um sich zu retten und aus dem man am Ende über 100 Leichen geborgen hat. Bedrückend.

Auch wenn Amritsar, vom Goldenen Tempel und der schrägen Zeremonie an Wagah Border abgesehen, eher eine wenig einladende Stadt mit zu viel Verkehr, schlechter Luft und viel Staub ist, macht es dennoch Spaß, durch die verwinkelten Gassen zu spazieren und einige Blicke auf den ganz normalen indischen Alltag zu erhaschen. Rattengift gefällig? Ein Mann schiebt einen ganzen Karren mit vielen kleinen Tüten voller Gift vor sich her. Wer schon immer zum Mörder werden wollte, hier ist die Nachschubversorgung gesichert. Gleich nebenan kann man sich eine neue Zahnbürste besorgen. Nicht einzeln eingepackt im Laden, sondern ebenfalls lose auf einem Karren. Ein riesiger Berg kunterbunter, neuwertiger Zahnbürsten. Na, wollen wir mal hoffen, dass der Karren nicht vorher dem Rattengift Mann gehörte.

Gegen Mittag treffen wir Ajay. Für diesen Trip ist unsere solo-Zeit vorbei und statt in Züge laden wir unser Gepäck jetzt wieder in seinen Toyota Innovan. Wir wollen in den Norden in die Ausläufer des
mit Ajay unterwegsmit Ajay unterwegsmit Ajay unterwegs
Himalaya und bevor wir uns mit einem fremden Fahrer in das turbulente Treiben auf den engen Serpentinen stürzen, greifen wir doch lieber auf unseren sicheren und verlässlichen Ajay zurück. Und außerdem ist es immer ein großer Spaß mit im unterwegs zu sein.

McLeod Ganj

Als erstes geht es es nach Dharamsala oder genauer gesagt nach McLeod Ganj, dem Ort, in dem der Dalei Lama seine Exilheimat gefunden hat und der sich zu einem touristisch angehauchten Klein-Tibet entwickelt hat. Mönche in orangeroten Roben gehören ebenso zum üblichen Bild wie herumspazierende Traveller. Die meisten der Einwohner sehen so ganz anders aus, als wir es nach den bisherigen Orten gewohnt sind. Eindeutig asiatische, tibetanische Züge. Runde Gesichter, mandelförmige Augen, tibetanische Tracht statt Saris. Gut, für die wäre hier eh zu kalt. Nicht nur die Menschen sehen hier nicht sehr indisch aus, dasselbe gilt auch für die Straßenhunde. Statt der hageren, sandfarbenen Gesellen mit kurzem Fell und zierlichem Körper trifft man hier auf große, massige Hunde mit dichtem wolligen Fell. Ein wärmender Mantel ist wichtig beim hiesigen Klima.

Es ist fies kalt. Grau, feucht und kalt. Dichter Nebel hängt einen großen Teil des Tages an den Berghängen und in den Wäldern,
McLeod GanjMcLeod GanjMcLeod Ganj
die Sonne kommt nicht raus. Ich bin erkältet und unleidig. Wir bleiben 2 Tage aber so richtig hell wird es die ganze Zeit nicht. Keine Chance, das viel gelobte Panorama und die leuchtend bunten Häuser zu genießen. Kein Blick auf die schneebedeckten Bergriesen. Wir sehen Nebel und in wollene Gewänder verpackte Menschen. Es sei viel kälter, als zu dieser Jahreszeit üblich. Gut, das hilft uns auch nicht.

In schönen Wetter wäre es hier sicher nett. Der Ort liegt auf über 2.000 m Höhe an mit Nadelbäumen bewachsenen Bergen. Die Landschaft erinnert mich etwas an die Schweiz oder bergige Regionen Deutschlands, nur dass die Häuser sind wie gestapelte bunte Schachteln an den Hang gebaut sind. Steile Wege, die meisten zu schmal für mehr als Fußgänger und Mopeds, führen zwischen ihnen hin und her und auf und ab. Der Wald jedenfalls erinnert an daheim, nur dass manche der hiesigen Tannen höher und größer sind, als man sie bei uns je sieht.

Als wir ankommen und endlich die vielen Serpentinen hinter uns gebracht haben stehen wir mitten in einem selbst für Indien ungewohnten Verkehrschaos. Am zentralen Platz von McLeod Ganj, da wo sich alle (also drei) Straßen treffen, wird der Straßenbelag
Tempel - McLeod GanjTempel - McLeod GanjTempel - McLeod Ganj
erneuert. Im Klartext heißt das, man gießt 3 x 3 m große Betonflächen, immer schön eine nach der anderen. Anschließend muss der Beton erst mal trocknen, die Autos dann eben mal einen oder zwei Tage warten und die Fußgänger abenteuerliche Umwege durch die Häuserschluchten und zum Teil auch durch die Häuser hindurch nehmen. Uns irritiert das nur kurz, schließlich kommen wir noch zu unserem Guesthouse durch und bis wir wieder fahren sei die Straße wieder fertig, heißt es.

Als wir nach 2 Tagen, die wir ohne berichtenswerte Aktivitäten verbrachten (Erkältung im Urlaub ist doof!) wieder fahren wollen kommt das böse Erwachen. Nein, die Straße sei noch nicht wieder befahrbar. Der Beton müsse noch aushärten. Aber - no problem, this is india - es gibt einen anderen Weg. Wir sollen einfach der Straße an unserem Guesthouse weiter folgen, den Berg noch ein wenig rauf und dann durch den Wald wieder runter. Ist ein bisschen steil und holprig aber - no problem - da kommen wir runter. Wir wagen es...

Die Straße erweist sich bald als kaum mehr als eine festerer Waldweg, der sich in steilen, engen Kehren den Berg hinab windet und wir laufen ständig Gefahr, irgendwo aufzusetzen. Eindrucksvolle
Mönche - McLeod GanjMönche - McLeod GanjMönche - McLeod Ganj
Schlaglöcher gilt es zu umschiffen und zu allem Ärger gibt es auch noch Gegenverkehr. Unser armer Ajay muss heute wirklich zeigen, was er kann.

Puh, wir alle waren doch sehr froh, als wir endlich wieder die Straße erreichten. Die ist zwar auch nur eine steile Betonpiste voller Serpentinen, aber verglichen mit der Forstpiste ein Genuss. Jedenfalls merkt man die Straßen am Abend im Nacken. Es geht eigentlich nie geradeaus, sondern immer kurvig hin oder her. Hin und wieder ist die Straßendecke einfach weg und man findet sich auf einer Buckelpiste wieder. Das Klima hier ist Gift für Straßen. Ständig und überall muss geflickt werden. Und nicht nur der Straßenbelag macht dabei Ärger.Mal sind die Hänge neben der Straße fester Fels, mal nur Sand und Geröll, das sich vor Urzeiten in einem Flussbett abgelagert hat. Letzteres ist alles andere als stabil und besonders nach Regenfällen kommt es oft zu Erdrutschen. Und da diese Schichten durchaus bis zu 10 oder mehr Meter dick sind, kann da einiges rutschen.

Der Gegenverkehr ist auch ein Abenteuer für sich. LKW und Busse rasen, als gäbe es kein Morgen und alle anderen, schwächeren Verkehrsteilnehmer tun gut daran, schnell Platz zu machen. Aber es passieren
Unfall? Umfall!Unfall? Umfall!Unfall? Umfall!
nicht nur haarsträubende sondern auch amüsante Sachen: An einer steilen Straße trafen wir auf ein eher ungewöhnliches Hindernis: Ein kleiner TukTuk-Laster hatte es wohl mit der Beladung etwas übertrieben und war beim Anfahren nach hinten über gekippt. So stand er nun hochkant auf der Straße, das Führerhaus zum Himmel gereckt, und seine kostbare Ladung aus Obst und Gemüse ergoss sich über die Fahrbahn und kullerte zu großen Teilen davon. Als wir ankamen kletterte der Fahrer gerade reichlich verdutzt aber unverletzt herab und bald machten er und allerlei Anwohner sich daran, die verlorene Ladung wieder einzusammeln.




Mandi und mehr

Die Strecke nach Shimla, unserem nächsten Ziel, ist zu weit, um sie in einem Tag zu schaffen und so legen wir nach 6 1/2 Stunden und 150 km in Mandi einen Zwischenstopp ein. Die Straßen sind einfach zu eng und zu "speziell" um mehr Strecke entspannt fahren zu können.

Mandi ist eine kleine angenehm untouristische Stadt in Himchal Pradesh und recht eindrucksvoll an Zusammenfluss zweier Flüsse gelegen. Derzeit führen diese eher wenig Wasser aber die breiten Schwemmflächen voller Kieselsteine und Felsbrocken lassen ahnen, wie es hier in nasseren Zeiten zugehen mag. Eine ganze Reihe von Brücken
Victoria Bridge - MandiVictoria Bridge - MandiVictoria Bridge - Mandi
führt über die Flussarme, die die Stadt umschließen, darunter die sehenswerte Victoria Bridge mit ihren an englische Burgen erinnernde Türme mit Zinnen und je vier kleinen Ecktürmchen. Ich fühle mich an die Türme von Carcassonne erinnert. Über sie kommen wir aber nicht auf die andere Seite. Mit Einbahnstraßen versucht man das Verkehrschaos in der engen Stadt zu entschärfen und so geht es hin über eine andere Brücke und nur auf dem Weg aus Manali heraus fährt man über die Victoria Bridge.

Neben vielen engen Gassen voller Geschäfte, die zum Bummeln einladen hat Mandi auch noch eine sehr ungewöhnliche Mall zu bieten. Dieses Einkaufszentrum umschließt einen zentralen Park mit einem pagodenartigen Uhrturm, grünen Wiesen und einem bietet auf zwei Etagen Dutzende verschiedener Geschäfte vom Juwelier bis zum Schumacher und allerlei Restaurants. Von oben erinnert die Mall an ein Parkhaus aber drinnen kann man nett umher bummeln. Wir machen in einem kleinen Imbiss Halt, ein Fehler wie sich später zeigen sollte. Meine Thupatta genannte scharfe Nudelsuppe blieb ohne Folgen, aber Thorstens vegetarischer Burger solle sehr durchschlagende Wirkung haben.

Schräg an Manali ist, dass es massenweise Verkehrspolizisten gibt, deren komische Kopfbedeckungen an Cowboyhüte erinnert, deren eine Seite man oben fest getackert
Shopping Mall - MandiShopping Mall - MandiShopping Mall - Mandi
hat. Sie regeln unter lautem Einsatz ihrer Trillerpfeifen den Verkehr und - jetzt kommt das schräge - alle Verkehrsteilnehmer leisten artig ihren Anweisungen folge und niemand tanzt außer der Reihe oder fährt gegen den Strom. Das hier im Land der absoluten Verkehrsanarchie? Ich bin baff!

Wir nächtigen in einem kleinen Hotel außerhalb Mandis, denn alle Unterkünfte in der Stadt waren uns bei weitem zu teuer für das, was sie boten. Stattdessen haben wir jetzt ein kunterbuntes Zimmer mit Blick auf den Fluss. In der Nacht gewittert es heftig. Der Himmel bietet eine eindrucksvolle Lightshow und am Morgen ist der Wasserstand des Flusses deutlich angestiegen und das Wasser nicht mehr graugrün sondern schlammbraun. Diesen Anblick kann ich am Ende deutlich länger genießen, als ursprünglich geplant - in der Nacht hat Thorstens Burger Folgen. In der Nacht hat er Fieber und Durchfall. Wir verschieben die Weiterreise um ein paar Stunden. Am Mittag scheint es besser zu gehen und wir brechen doch Richtung Shimla auf.

Die Fahrt ist anstrengend, an schnelles Vorankommen ist nicht zu denken. Die Straße ist schlecht und der Regen der letzte Nacht hat hier und da zu Erdrutschen geführt und überall sind Pfützen von denen manche eher
Beas River nahe MandiBeas River nahe MandiBeas River nahe Mandi
Seen sind. Die Straße ist eine einzige Abfolge von Schlaglöchern und derzeit sind alle Schlaglöcher voll Wasser. Unmöglich vorher zu ahnen, wie tief sie sind. Der indische Straßenverkehr gewinnt einen weiteren Spannungsmoment dazu. Durchfahren? Umfahren? Letzteres bringt einen dem Gegenverkehr ungemütlich nahe und der besteht hier aus unzähligen LKW die die nahe Zementfabrik ansteuern und die sich von keiner Pfütze dieser Welt ausbremsen lassen.

Hier sehen wir auch den ersten und einzigen richtigen Unfall der ganzen Reise: Kleinwagen gegen LKW. Der Gewinner war von Anfang an klar, der Verlierer hatte eine völlig zermatschte Front. Daheim ein Totalschaden, hier wahrscheinlich bald wieder repariert. Alle Insassen waren wohlauf und standen plaudernd am Ort des Geschehens. An anderer Stelle passierten wir auf den Serpentinen drei Sikh am Straßenrand, die mit einer langen Planke versuchten, ihren Kotflügel wieder so weit auszubeulen, dass ihr Wagen wieder fahrtauglich wird. Hier hatte sich der Unfallgegner schon längst wieder davon gemacht.

Shimla

Über Stunden geht es nur bergauf, bergauf, bergauf. Stellenweise führt die Straße oben auf Berggraten entlang, grüne, dicht bewaldete Täler zu beiden Seiten, deren Bäume uns erstaunlich bekannt vorkommen: Tannen, Kiefern, Pappeln. Dazu tief hängende Wolken. Viel Panorama und gar Fernsicht gibt es
ShimlaShimlaShimla
mal wieder nicht. Nach vielen Stunden erreichen wir Shimla.

Das begrüßt uns mit einem furchtbaren Stau (ist wohl alltäglich) und extremen Parkplatzproblemen. Die Häuser sind auf Stelzen über den Hang gebaut. Autos kann man auf den steilen Straßen kaum parken, also stellt man sie im Zweifel auf den Dächern der Gebäude ab. Ein Grauen für jeden Statiker. Kurz frage ich mich, wie oft wohl eine solche Konstruktion wie ein Kartenhaus zusammen fällt und im nächsten Tal landet, aber wenn ich ehrlich bin will ich gar nicht weiter drüber nachdenken.

Europäische Sicherheitsbedenken lässt man in Indien besser gleich im Koffer. Nein, am Besten gleich ganz daheim. Bloß nicht über die Statik nachdenken und nicht über die haarsträubenden Elektroinstallationen, die man überall sieht. This is India, no Problem. Mit der Einstellung kommt man einfach am Besten klar. Das erklärt auch, warum um uns herum alle ganz gelassen blieben, als sich neulich in Varanasi in einem dieser Kabelknäuel ein Kurzschluss nebst lautem Knall ereignet und alle Umstehenden plötzlich in blauem Funkenregen standen. Die Händler und Passanten blickten kaum auf, nur wir haben uns erschreckt. Für sie ist es Alltag.

Jetzt schlagen bei Thorsten die Burger-Folgen so richtig zu. Zum Glück
Messerschleifer in ShimlaMesserschleifer in ShimlaMesserschleifer in Shimla
erst hier in Shimla und nicht unterwegs. Hatten wir bislang dreieinhalb Indien Reisen ganz ohne ernsthafte Verdauungsprobleme geschafft, kommt es jetzt ganz übel. Wir lernen - ich durch Ansehen, Thorsten am eigenen Leib - eine Lebensmittelvergiftung ist kein Spaß und wenn der Körper beschließt "das muss jetzt alles raus", dann kann es auch mal ungemütlich werden. Wahrhaft durchschlagende Wirkung! Ich verzichte auf Details...

Shimla ist eine Touristenhochburg und so wimmelt es vor Schleppern, die Gäste in die Hotels lotsen wollen. Spießrutenlaufen mal anders. Und das, wo wir doch eigentlich nur endlich eine Unterkunft wollen. Thorsten muss ins Bett und ich mag auch endlich ankommen. Und man ist nicht in der besten Verhandlungsposition, wenn einer der Reisenden alle paar Minuten aufs WC rennen muss. Letztlich ziehe ich mit Ajay alleine los. Thorsten parken wir in einer Hotellobby nahe des WC. Aber als wir nach ein paar vergeblichen Besichtigungen nichts besseres/günstigeres finden, bleiben wir im Hotel Surya. Thorsten kommt ins Bett und ich hab Zeit für meine Notizen.

Nach einer unruhigen Nacht ist das Schlimmste überstanden. Das Fieber ist weg und die WC Spurts werden seltener. Wie gut, dass uns diese Episode nicht während einer unserer Zugreisen passiert ist. Am
bunte Turbanebunte Turbanebunte Turbane
Nachmittag wagt sich Thorsten wieder vor die Tür und wir erkunden Shimla.

Sehr touristisch ist es hier aber irgendwie auch recht nett. Wieder einer dieser Orte, der wie gestapelte Streichholzschachteln auf den Bergkamm klebt, allerdings im XXL Format, denn hier wohnen 170.000 Menschen. Herzstück ist die "The Mall" genannte Flaniermeile auf dem Bergrücken auf der sich allerlei Markenläden von Adidas bis Puma aneinander reihen, dazu Cafés, Restaurants, Imbisse.
Eine bunte Mischung aus Händlern und Touristen sorgt für interessante Begegnungen. Die Touristen sind fast ausschließlich Inder aus der gebildeten Mittelschicht. Die Frauen oft sehr westlich gekleidet. Sind sonst Hosen und Jeans die absolute Ausnahme, sieht man sie hier ständig. Es fällt auf, wie hellhäutig die meisten der indischen Damen sind. Ob da nicht Chemie nachgeholfen hat? Schließlich besteht ein guter Teil der abendlichen Fernsehwerbung aus Spots für Hautaufheller diverser Marken.

Amüsant ist, dass die für uns angenehmen 22 °C wohl von vielen der Ausflügler als furchtbar kalt empfunden werden. Wollene Schals und dicke Strickjacken, wohin man auch blickt. Sogar Frost taugliche Steppjacken und Kinder mit Handschuhen sehe ich. Bei 22 Grad! Wir dagegen schlendern in T-Shirt und dünner Hose herum, amüsieren uns und kommen in der Sonne arg ins
Unterwegs in ShimlaUnterwegs in ShimlaUnterwegs in Shimla
Schwitzen.

Neben den eher teuren Länden in "The Mall" gibt es weiter den Hand hinab einen weiteren Handelsbereich, genannt "Lower Bazar". Mag man nicht die längere Strecke über die Straße gehen, kann man über lange, steile Treppen direkt hinabsteigen. Schweißtreibend! Da Shimla weitgehend für den Straßenverkehr gesperrt ist, transportieren Träger alle nur denkbaren Güter die steilen Treppen und engen Gassen hinauf. Von Säcken mit Obst und Gemüse bis hin zu sperrigem Baumaterial und Holzbalken. Was für ein harter Job!

Ganz Shimla ist, nicht nur für indische Verhältnisse, sehr, sehr sauber. Überall warnen Schilder davor, seinen Müll in die Gegend zu werfen, oder auf die Straße zu spucken. Das kann teuer werden! Letztlich ist die Müllbegrenzung auch eine Maßnahme, der Affenplage Herr zu werden, denn die Rhesusaffen sollen hier ganz besonders diebisch und lästig sein. Uns lassen sie zum Glück in Ruhe, aber oft sehen wir sie am Straßenrand herum lungern und die vorbeiziehenden Passanten neugierig mustern. Fellige Straßendiebe.

Nicht nur an den Ständen im Lower Bazar werden alle essbare Einkäufe werden dick in Zeitungspapier verpackt. Mehr noch, als der Melonenverkäufer bei meinem Einkauf sieht, dass ich die vorher gekauften Mangos ohne Verpackung umher trage (das Papier war
Träger in ShimlaTräger in ShimlaTräger in Shimla
irgendwann vorher zerrissen), nimmt er mir diese ab und verpackt sie ordentlich neu. Am Ende steckt er alles in eine blickdichte Stofftüte und gibt uns noch ein "beware of the monkeys" mit auf den Weg. Zum Glück haben die Affen den Trick mit dem Zeitungspapier noch nicht durchschaut, denn auf dem Rückweg müssen wir an einigen Gruppen vorbei, die uns interessiert betrachten - wie die Auslagen im Supermarkt. Übrigens: bloß nicht zurückgucken oder gar anstarren. Das wird als Aggression verstanden und kann ungemütliche Folgen haben.

Chadigarh Rock Garden

Eher spontan setzen wir einen Abstecher nach Chandigarh auf die Reiseroute. Vom hier gelegenen "Rock Garden" habe ich schon mehrfach gehört. Das ist wieder eine dieser schrägen Entdeckungen, die uns ganz besonders gefallen: https://en.wikipedia.org/wiki/Rock_Garden_of_Chandigarh

Auf einem verlassenen Stück Brachland hat sich hier ein Regierungsbeamter namens Nek Chand eine Fantasiewelt mit Fabelwesen und zahllosen seltsamen Gebäuden und Skulpturen erschaffen. Dabei verbaute er alles, was ihm an Rohstoffen in die Finger kam und irgendwie verwendbar schien. Von Bauschutt und Abfall aus zerbrochenen Haushaltsgütern über Kacheln und kaputtem Geschirr, Elektroschrott, Schlackebrocken, Zerschlagene Waschbecken bis hin zu Plastikarmbändern, Murmeln, Kieselsteinen, Flaschen und alle anderen nur (un)denkbaren Materialien.

Dabei werkelte er in seiner
Unterwegs in Chandigarh Rock GardenUnterwegs in Chandigarh Rock GardenUnterwegs in Chandigarh Rock Garden
Freizeit über 15 (!) Jahre unbemerkt vor sich hin, bevor offizielle Stellen auf ihn aufmerksam wurden. Beinahe wäre das ganze Arreal dann abgerissen worden, aber zum Glück erkannten die verantwortlichen Beamten noch rechtzeitig das Potenzial dieses Gesamtkunstwerks. So blieb es erhalten und man kann heute für gerade mal 20 Rs in eine andere Welt eintauchen. 20 Rs, das ist der Gegenwert eines Alu Tikki oder von 2-4 Chai, also selbst für indische Verhältnisse fast nix. Und, was uns sonst fast nie in India begegnet: hier zahlen wir Westler mal denselben Eintritt, wie die Einheimischen und nicht gleich das 10fache.

Das, was man dafür geboten bekommt, ist unglaublich! Ein weitläufiges Gelände aus verwinkelten Passagen, Höfen, Torbogen und Durchgängen wartet darauf erkundet zu werden. Oft kann man sich nur gebückt und sehr vorsichtig über unebenen Boden in den nächsten Bereich vorwagen und man weiß nie, was einem an der nächsten Biegung begegnet. Die Streckenführung ist so geschickt und die Wege sind so variabel angelegt, dass man ganz automatisch langsam und bedächtig unterwegs ist. So bekommen man all den großen und kleinen Entdeckungen unterwegs ganz automatisch die verdiente Aufmerksamkeit.

Manchmal gibt es nur einem möglichen Weg, manchmal gleich mehrere von denen
Begegnung in Chandigarh Rock GardenBegegnung in Chandigarh Rock GardenBegegnung in Chandigarh Rock Garden
sich im weiteren Verlauf aber alle, bis auf einen, als Sackgassen erweisen. Bis man den richtigen Weg gefunden hat, geht man auf eine Entdeckungsreise der besonderen Art. Überall unerwartete Ausblicke. Es gibt Wasserläufe, Türme, enge Treppen, sogar einem künstlichen Wasserfall. An den Wänden ranken mal organisch anmutende aus Beton geformte Geländer und Wurzeln, dann wieder sind ganze Flächen mit zerbrochenen Steckdosen oder Lampenfassungen verkleidet.

Wer hätte erwartet, dass eine Schöpfungen aus so viel Abfall und Schrott so etwas ästhetisch und sogar gut aussehen kann? Es gibt einen Wunschbrunnen, tribühnenartige Sitzbereiche mit Wänden aus zerbrochenem Geschirr und Badezimmer-Kacheln in 70er Jahre Pastellfarben. Dass man aus Schutt und Abfall so ästhetische Gebilde schaffen kann.

Besonders der Wasserfall zieht die Foto begeisterten Inder in Scharen an. Man balanciert durch das flache Wasser auf den rutschigen Felsen und schießt unzählige der unvermeidlichen stell-dich-mal-dahin Fotos. Da wird theatralisch in filmreifer Bollywood Manier posiert, Tanzszenen werden improvisiert, die jungen Kerle albern herum und überbieten sich mit immer gewagteren Posen nahe der Wasserwand. Und natürlich darf auch viel Wasser spritzen inklusive schrill kreischender Mädchen nicht fehlen. Klar, dass auch wir wieder ein gefragtes Fotomotiv sind, besonders da sich hierher scheinbar kaum ein Westler verirrt. Während
Betrunkene Elche?Betrunkene Elche?Betrunkene Elche?
der ganzen Stunden, die wir hier umher streifen sehe ich nur noch zwei andere weiße Gesichter.

Ein neuerer Bereich, "Phase 3" genannt, ist eher sowas wie ein Vergnügungspark. Es gibt Imbissbuden und Attraktionen für Kinder, besonders das Kamel zum Herumreiten zieht ihre Aufmerksamkeit an. Außerdem gibt es hier eine lange Reihe hoher Schaukeln auf denen sich fast nur Erwachsene tummeln. Mit flatternden Saris und wehendem Haar haben insbesondere die Frauen ihren Spaß. Aber auch Thorsten ist nicht bremsen und bald schaukelt er mit den anderen um die Wette während ich einen Überschlag fürchte und mich frage, wie stabil diese langen Ketten und der bröckelnde Betonbogen der Aufhängung wohl sind. Aber alles hält und wir ziehen weiter.

Nach den Bereichen mit der Natur und Gebäuden nachempfundenen Strukturen erreicht man auf dem Weg zum Ausgang ein Gelände, in dem sich die berühmten Figuren des Rock Garden tummeln. Und was für Figuren! Ganze Armeen aus tierischen und menschlichen Gestalten säumen die Wege zum Ausgang hin. Da gibt es hunde-, katzen- und kuhartige Wesen, große Vögel aus weißen Scherben und eine Gruppe von etwas, das sich am ehesten als Gruppe betrunkener Elche umschreiben lässt.

Dutzende Figuren von Männern, Frauen und Kindern
Der Murmelmann in ChandigarhDer Murmelmann in ChandigarhDer Murmelmann in Chandigarh
stehen herum, alle aus Scherben und anderem Schutt und alle mit individuellem Gesichtsausdruck. Fast schon unheimlich, wie durchdringend manche von ihnen einen ansehen. Manche schauen gelangweilt drein, andere provokant und frech. Einer hält mit entspanntem Gesitchsausdruck eine Bierflasche in Händen. Manche Gruppen erscheinen auf den ersten Blick völlig gleich. Erst bei genauerem Hinsehen sieht man, dass auch sie alle verschieden sind - verschinden farbige Scherben sorgen für unterschiedliche Augenfarben und Blicke.

Es gibt Tänzerinnen mit Kleidern aus zerbrochenen Plastikarmbändern, Figuren aus Scherben und welche, die mit Kronkorken bedeckt sind. Ganz am Ende, kurz vor dem Ausgang entdecke ich ein ein Männchen aus grünen Glasmurmeln. Das ist mein letztes brauchbares Foto des Tages, denn leider wird es zunehmend zu dunkel zum Fotografieren. Hier könnten wir noch einen ganzen Tag verbringen und staunend weitere Erkundungen machen. Der Chandigarh Rock Garden ist jedenfalls eine der ganz großen Entdeckungen dieser Reise!

Mussoorie

Die Fahrt hierher ist lang und zieht sich. Besonders die letzten 15 km scheinen kein Ende zu nehmen. Über endlose Serpentinen geht es bergauf, bergauf, bergauf. Am Straßenrand wechseln sich verbogene Leitplanken und dicke Beton-Begrenzungssteine ab und beides sieht nicht so wirklich vertrauenswürdig aus und dahinter geht es tief
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und steil abwärts.

Die indische Fahrweise sorgt für gelegentliche Adrenalinschübe, denn scheinbar eignen sich Kurven ganz besonders gut für Überholmanöver und wenn da gerade ein langsames Auto einen noch langsamen LKW überholt spricht doch nichts dagegen, dass ein schnelleres Auto die beiden gleich auf einmal überholt. In der Kurve? Klar! Schließlich hat man sich doch durch Hupen angekündigt. Das verrückteste an dem System? Es funktioniert - zumindest in den allermeisten Fällen.

Die, bei denen es nicht funktioniert hat, kann man auf den Schrottplätzen bewundern, die gelegentlich am Straßenrand auftauchen. Es wird verwertet, was sich verwerten lässt und der Rest verrottet dann in Gesellschaft weiterer unglücklicher Autokumpels. Da sind zum Teil ganz schön demolierte Exemplare dabei und wenn es sich dabei um übelst deformierte LKW handelt will man gar nicht so genau wissen, wer der Gegner war. Eine Felswand? Ein anderer LKW? Ob der Fahrer überlebt hat. Schauderliche Gedanken! Wobei, Unfälle sahen wir auf unseren ca. 230km heute keine, nur einen von der Straße abgekommenen überladenen Zuckerrohrtransporter und einen unglücklichen Ambassador dem irgendwas die Radaufhängung gebrochen hatte. Das war wohl ein Schlagloch zu viel.

Leider ist es diesig, so dass wir keine Fernsicht haben, nur den Ausblick auf
MussoorieMussoorieMussoorie
die Straße, die sich wie eine lange graue Schlange durch den Wald den Hang hinauf windet. Statt der Pinien und Kiefern aus Dharamsala gibt es hier andere Bäume die an Eichen und Eukalypthus erinnern. Ob wir überhaupt einen Bilck auf den Himalaya erhaschen werden?

Schon auf den ersten Blick ist Mussoorie viel netter und entspannter als Shimla. Keine nervigen Schlepper, die uns in Hotels lotsen wollen, keine aufdringlichen Ladenbesitzer. Nur auf diebische Affen muss man natürlich auch hier achten. Nichts essbares offen in den Händen tragen!
Die Stadt ist voll und ganz auf indische Touristen ausgelegt, dabei aber sehr entspannt. Wir spazieren die Einkaufszone "the Mall" und sehen den zahlreichen indischen Hochzeitsreisenden dabei zu, wie sie sich gegenseitig fotografieren.

Die Souvenirbuden sind ganz und gar auf indische Gäste ausgelegt. Keine Pluderhosen und buten Tops für westliche Besucher wie in Dharamsala sondern warme Schals, Wollpullover, dicke Socken, lange Unterhosen und Wintermützen. Uns kommen die ca. 25 Grad angenehm warm vor aber die indischen Besucher packen sich in warme Klamotten als wäre es tiefster Winter mit Minusgraden.

Für die Kinder gibt es kitschiges Spielzeug aller Art, Plastikschwerter sind bei den Jungs sehr beliebt, aber es gibt auch Spielzeugautos, Seifenblasenpistolen
SnackbudeSnackbudeSnackbude
und kunterbunte Bälle. Für Mädchen ist das Angebot sehr viel überschaubarer - Haarschmuck und Armreifen.
Fürs leibliche Wohl ist natürlich auch gesorgt. Snackbuden bieten Maggi-Noodles, Chips, Zuckerwatte und vieles mehr und ein paar Meter weiter werden Samosa und andere Köstlichkeiten frisch frittiert.

Für 75 Rs kann man mit einer Seilbahn auf den "Gun Hill" hinauffahren und den Ausblick über die Dächer genießen. Eine kurze aber sehr steile Fahrt. Wahrscheinlich hätte man von hier eine atemberaubende Aussicht, wenn es nicht so diesig wäre.

Es gibt ein paar einfache Kinderkarussels und ein kleine Restaurants. Alles ist arg heruntergekommen und scheint seine besten Zeiten schon lange hinter sich zu haben.. Vor 15 Jahre, war das hier sicher mal ganz nett, heute erinnert mich die staubige, verblichene Optik eher an ein 70er Jahre Roadmovie. Fehlt nur noch die passende Musikuntermalung.Wobei, auch hier gibt es noch unterhaltsames zu sehen: Sehr beliebt bei den indischen Touristen ist es, sich in historische Kostüme stecken und fotografieren zu lassen. Die Kostüme sehen zwar eher nach Lametta und Weihnachtsdekoration aus, aber die Fotografen mit ihrem Mustermappen voller Bilder machen gute Geschäfte.

Wir schlendern die Camel Back Road entlang, einen etwa 5 km langen, angenehm schattigen Spazierweg
Hunger?Hunger?Hunger?
ohne viel Steigung mit netten Ausblicken. Ihren Namen hat die Straße von einer Felsformation, die wie ein sitzendes Kamel aussehen soll. Wir konnten den Felsen nicht finden, aber die Ähnlichkeit soll auch nicht wirklich ausgeprägt sein. Aber die Aussicht ist dennoch hübsch. Bunte Häuser blitzen zwischen den Bäumen auf, gelegentlich sieht man ein Stückchen steile Straße einen der Hügel hinaufklettern. Auf halber Strecke passiert man einen Friedhof der Engländer mit einer kleinen Kirche davor. Nur mit dem Blick auf den Himalaya wir es wieder nix. Den sieht man nur in den Wintermonaten lernen wir. Wir müssen wohl noch mal wiederkommen.


Rishikesh


Aber erst mal geht es nach Rishikesh, unserer vorletzten Station bevor es über Delhi wieder heim geht.
Die Stadt ist zwar voll und ganz auf westliche Yogatouristen eingestellt, entpuppt sich aber als sehr entspannter Ort ganz nach unserem Geschmack und das obwohl mit Yoga so gar nix am Hut haben.

Wir mieten uns in einem kleinen Guesthouse ein, nahe der Brücke beim Neelkanth Tempel ein, die man auf vielen Fotos der Stadt sieht. Eine Hängebrücke über deren Stahlseile Affen tollen, über die sich Mopeds durch die flanierenden Fußgänger schlängeln und auf der auch mal eine
Verkehrsteilnehmer in RishikeshVerkehrsteilnehmer in RishikeshVerkehrsteilnehmer in Rishikesh
der vielen heiligen Kühe ein Nickerchen einlegt. Vor den Affen muss man sich - wie immer - in acht nehmen. Sie sind eine Bande großer und kleiner Diebe, die sich gerne bei unaufmerksamen Passanten bedienen. Eis? Chips? Kekse? Immer her damit!

Die Gassen um uns herum sind Fußgängerzone und so ist es herrlich ruhig fast ganz ohne Hupen. Und nur wenige Minuten entfernt fließt der Ganges. Trotz derzeit eher niedrigem Wasserstand ein eindrucksvoll breiter Strom der sehr rasch vorbei fließt und über Felsen am Ufer sprudelt. Wie heftig es hier nach der Schneeschmelze zugeht kann man an den breiten Kiesbetten und den blank polierten Felsblöcken erahnen, die der Strom hoch am Ufer abgelagert hat. Das Wasser ist milchig grün von all dem zerriebenen Gestein, das der Fluss aus dem Himalaya mitgebracht hat und so weit oben am Flusslauf auch noch sauber. Sauber genug, dass selbst wir uns ins Wasser wagen. Ich nur mit den Füßen, Thorsten sogar ganz. Mir ist das Wasser zu kalt. Man merkt, dass es geradewegs aus den Bergen kommt. Eiskalt!

Ganz abenteuerlustige Besucher können auf dem rasanten Strom Rafting Touren unternehmen, aber das ist nichts für uns. Auch die angebotenen Trekking Touren in die
TempelTempelTempel
Umgebung reizen uns nicht. Ich wäre ganz zufrieden damit, einfach durch den Ort zu bummeln und das bunte Treiben zu beobachten, aber Thorsten will hoch hinaus. Hoch hinaus um dann tief hinab zu springen. Nahe bei Rishikesh bietet eine neuseeländische Company nämlich Bungeejumping an und da der Herr das schon immer mal ausprobieren wollte ist das Programm für den nächsten Tag gebongt. (http://jumpinheights.com). Immerhin ist der Spaß hier in Indien mit einem Preis von umgerechnet rd. 50 € einigermaßen günstig.

Aber vor dem Sprung wartet eine abenteuerliche Anfahrt. Die 85 m hohe Plattform von denen die Sprünge stattfinden liegt in einem 1,5 h entfernten Tal und die Zufahrt hat es in sich. Die Straße wird schmaler und schmaler und ist irgendwann nur noch eine holprige Piste und die ist dann plötzlich auch noch von Bauarbeiten blockiert. es hatte wohl einen Erdrutsch gegeben und ein Bagger ist dabei, die Spuren zu beseitigen oder die Buckelpiste noch buckliger zu machen. Warten bis sie fertig sind ist keine Option, wir haben einen Termin. Also stürzt sich unser unerschütterlicher Ajay auf die Piste und holpert mit uns im Schritttempo über dicke Steine und tiefe Löcher. Meine Nerven!


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BungeeBungee
Bungee
Bad im GangesBad im Ganges
Bad im Ganges
kleiner Diebkleiner Dieb
kleiner Dieb
großer Dieb in Rishikeshgroßer Dieb in Rishikesh
großer Dieb in Rishikesh
VegVeg
Veg
Tea Boys in Old DelhiTea Boys in Old Delhi
Tea Boys in Old Delhi
Gewürzmarkt, Old DelhiGewürzmarkt, Old Delhi
Gewürzmarkt, Old Delhi
GroßhandelGroßhandel
Großhandel
feurigfeurig
feurig
Karren warten auf ihren EinsatzKarren warten auf ihren Einsatz
Karren warten auf ihren Einsatz
Noch mehr KarrenNoch mehr Karren
Noch mehr Karren
Kabelsalat 2Kabelsalat 2
Kabelsalat 2
KünstlerKünstler
Künstler
GewuselGewusel
Gewusel
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