Advertisement
Published: April 15th 2010
Edit Blog Post
"Pii Mai," rufen die Jugendlichen, "Frohes neues Jahr!" und mit einem heftigen "PLATSCH!" wird mir eine große Schüssel Wasser über den Kopf geschüttet (ohne Rücksicht au meine Kamera). Triefend nass setze ich meine Fahrt auf dem Mountainbike fort. Es ist Pii Mai, das laotische (und unter anderem Namen auch thailändische und kambodschanische) Neujahrsfest. Nach dem westlichen und dem chinesischen Neujahr ist dies bereits mein drittes Neujahrsfest in diesem Jahr, aber auch gleichzeitig auch jenes, welches am meisten Spaß macht. Wer um diese Jahreszeit nach Laos fährt und sich wundert, dass er nass wird, ist ungefähr so, wie jener Schlipsträger, der zur Weiberfastnacht nach Köln fährt und sich dann über seine abgeschnittene Krawatte beschwert. An jeder Ecke stehen (nicht nur) Kinder und Jugendliche mit Wassereimern, -schüsseln und großen Wasserpistolen, die bis auf die andere Straßenseite spritzen können. Egal ob Auto-, Motorrad-, Fahrradfahrer oder Fußgänger. Alle bekommen eine Ladung ab. Es ist gleichzeitig die heißeste Zeit des Jahres und jeder, der vorbeikommt ist dankbar über ein wenig Abkühlung.
Ich bin in Luang Namtha im Norden Laos'. Keine 60 Km weiter nördlich thront der Riese, China. In zwei Tagen könnte ich wieder in Kunming sein, der Hauptstadt Yunnans. Schon auf der Herfahrt war
der chinesische Einfluss spürbar. Damit meine ich nicht, dass die Straße die schlimmste Schlaglochpiste seit jener berüchtigten Busfahrt von Litang nach Kangding in Südwestchina war. Hier wohnen viele Chinesen und in der ganzen Region sind Chinesen in Geschäfte verwickelt. In Udomxai, wo ich Zwischenstation machte, wollte ich mir etwas Verpflegung im Supermarkt kaufen und musste dann feststellen, dass dies ein chinesischer Supermarkt war, mit der gleichen beschränkten Auswahl eins vergleichbaren Geschäfts in China. So kam es, dass ich zum ersten Mal seit vier Monaten wieder chinesisches Trinkwasser zu mir nahm.
Mein eigentlicher Grund, hierher zu fahren, waren aber weder die Nähe zu China noch das Lao Neujahr. Luang Namtha liegt in der Nähe die Nam Ha Nationale Schutzzone, einer Art Nationalpark um den Fluss Nam Ha mit Dschungel, verschiedenen Wildtieren (unter anderem leben hier noch Tiger) und diversen Dörfern der unterschiedlichen ethnischen Minderheiten. Je mehr Teilnehmer eine Tour hat, desto billiger wird sie für den einzelnen. Allerdings ist zu Zeit Nebensaison und es sind nicht so viele Interessierte im Ort wie Anbieter. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, fand ich schließlich ein zweitägiges Trekkingangebot mit Übernachtung, zu dem sich bereits sechs Teilnehmer angemeldet hatten.
Acht Teilnehmer ist die Maximalzahl, um den
Einfluss auf die lokale Bevölkerung und die Tier- und Pflanzenwelt möglichst gering zu halten. Unter den Teilnehmern waren je ein junges Paar aus Belgien und Holland, sowie zwei weitere Mit- und Enddreißiger, ein Engländer, der für einen Asia-Großhandel in London arbeitet und einen Australier, der von London aus mit dem Motorrad (einer riesigen BMW mit den Ausmaßen eines kleinen Raumschiffs) bis hierher gefahren ist (unterbrochen von einem kleinen Flug über Myanmar, das nach wie vor die Grenzen zu Indien geschlossen hat). Ä, unser Guide (der heißt wirklich "Ä"!), sowie sein Hilfsguide rundeten das Bild ab.
Mit einem gemieteten Tuktuk fuhren wir zunächst zu unserem Ausgangspunkt, einem Dorf an der Grenze zur Schutzzone. Dort stieß einer der Dorfbewohner dazu, der uns mit dem Mittagessen versorgen sollte. Anschließend ging es erst einmal eine Weile bergauf, steilweise war es recht steil und die Hitze war nur schwer erträglich. Ä teilte uns aber immer genau mit, wie lange die jeweiligen Abschnitte waren und wir machten regelmäßig kurze Pausen. Hilfreich war auch, dass der Pfad größtenteils durch den Wald führte und es somit schattig war. Nachdem wir den Aufstieg hinter uns hatten kamen wir zu einer kleinen mit einem Blätterdach ausgestatteten Plattform, auf der
wir unser Mittagessen einnehmen sollten. Der Touranbieter achtet darauf, dass die Touren möglichst umweltverträglich ablaufen und so wurde das Essen soweit wie möglich in Bananenblättern transportiert und diese auch als natürlich abbaubares Geschirr verwendet. Gegessen wurde im Lao-Stil: Mit der Hand knetet man ein Stückchen Klebereis zu einer Kugel und tunkt diese dann in eine scharfe Soße oder in die restlichen Gerichte und führt den ganzen Klumbatsch in den Mund. Das ist eine Riesensauerei, macht aber unheimlich Spaß.
Nach dem Essen ging es dann wieder bergab. Die Erde war ziemlich ausgetrocknet, aber dadurch, dass sie mit trockenem Laub bedeckt war, war es dennoch oft sehr rutschig und man benötigte seine ganze Konzentration, um nicht zu stürzen. Am Fuße des Hügels gelangten wir schließlich zu einem relativ großen Dorf der Khmu, das etwa 500 Einwohner zählte. De Khmu, wie alle Völker hier, leben überwiegend von der Landwirtschaft. Sie sprechen ihre eigene Sprache, die sich von der der Lao unterscheidet. Wir durften uns ein wenig in dem Dorf umsehen und konnten auch einen Blick auf die Schule werfen. Anschließend wanderten wir dann am Nam-Ha-Fluss weiter, der jahreszeitlich bedingt nur einen sehr niedrigen Wasserstand aufwies.
Am späten Nachmittag erreichten wir schließlich
unser Ziel, ein Dorf der Lanten, einer weiteren ethnischen Minderheit. Die Lanten fielen durch ihre dunkelblaue bis schwarze Kleidung auf. Die Frauen hatten alle hochgesteckte Haare, die Männer trugen dagegen meist funktionelle Kleidung. Zunächst wurde uns unsere Unterkunft gezeigt, eine große Gästehütte mit einer langen Plattform, auf der später Matten, Kopfkissen und Decken ausgelegt wurden. Darüber kamen dann Moskitonetze. Die Dörfer, in denen die Trekker übernachten, erhalten übrigens 30% der Gebühren, was sich bei knapp 20$ pro Person als wenig anhört, in einem solch armen Land wie Laos aber eine Menge ausmacht. Um die Anteile gerecht unter den Dörfern zu erteilen, wird nicht bei jeder Tour im selben Dorf übernachtet.
Zunächst hatten wir die Gelegenheit,im Fluss zu baden. Eine Dusche gab es nämlich nicht, lediglich eine Toilette. Die Einheimischen gehen üblicherweise in voller Kleidung ins Wasser, Männer zumindest mit Shorts, oft auch mit T-Shirt, Frauen grundsätzlich mit ihrem Sarong, einer Art Wickelkleid. Auch von westlichen Besucherinnen wird erwartet, dass sie zum Baden einen Sarong verwenden oder wenigstens bekleidet ins Wasser gehen. Als Mann hat man es da glücklicherweise einfacher (Sorry, Mädels). Nur die Kinder tragen je nach Lust und Laune, T-Short, Shorts oder Sarong oder laufen einfach nackig herum.
Abends bereiteten dann Ä und seine Gehilfen in der Hütte ein köstliches Abendessen zu, das diesmal mit regulärem Reis aus Tellern und mit Metalllöffeln gegessen wurde. Danach teilten wir uns zur Feier von Pii Mai mehrere Flaschen Lao Lao, dem laotischen Reiswhiskey, der aus Klebereis hergestellt wird. Wir waren eine große Gruppe und in jeder Runde gab es nur ein Schnapsglas, aber dennoch haut das Zeug ganz schön rein. Zusammen mit den Anstrengungen des Tages waren wir dann um 21 Uhr auch schon alle bettfertig.
Der Schlaf war für den nächsten Tag auch bitter notwendig. Nach dem Frühtück, gebratenem Reis mit Ei, ging es zunächst weiter am Fluss entlang. War dieser Teil des Weges noch relativ leicht zu gehen, wurde es dann nachdem wir über eine Bambusbrücke ans andere Ufer gewechselt hatten, erheblich schwieriger. Der Weg war dicht bewachsen von allerlei Gestrüpp. Es ging regelmäßig bergauf und bergab. Teilweise mussten wir durch Bäche waten teilweise über umgestürzte Bäume klettern. Landschaftlich war dies allerdings auch der schönste Abschnitt, der mitten durch den Dschungel führte. Ä zeigte uns diverse interessante Kräuter und andere Pflanzen. Leider war nicht so viel von der Tierwelt zu sehen und auch das Pflanzenreich hatte nicht
so viel zu bieten. Dies liegt schlicht und ergreifend an der Jahreszeit. In der Regenzeit ist hier alles grün und manchmal bekommt man sogar Affen zu Gesicht. Die beste Reisezeit für Laos ist das Ende der Regenzeit bzw. der Anfang der Trockenzeit im Oktober.
Unser Mittagessen erhielten wir dann am Fuße eines Hügels mitten unter großen Ameisen,Fliegen und Bienen. Zwei von uns wurden auch gestochen, während sich unsere Guides seelenruhig den Klebereis in den Mund steckten und gelegentliche mit aufgenommene Insekten scheinbar als willkommene Fleischeinlage betrachteten. Der letzte Abschnitt führte uns schließlich aus dem Wald heraus. Wir mussten durch die sengende Sonne über ausgetrocknete Reisfelder und zwischen immer noch glühende Hitze ausstrahlenden Brandflächen. Die anschließende Flussüberquerung zu Fuß - diesmal nicht der Nam ha, sondern der größere, aber nicht tiefere Nam Tha, nach dem Luang Namtha benannt ist - wäre eine willkommene Abkühlung gewesen, wenn die glatten Kiesel die nackten und geschwollenen Füße nicht so gedrückt hätten. Am anderen Ufer erwartete uns dann aber unser Tuktuk, das uns gerade rechtzeitig in die Stadt zurück brachte, um einen Einer kaltes Wasser ab zu bekommen. PII MAI!
Advertisement
Tot: 0.043s; Tpl: 0.013s; cc: 10; qc: 26; dbt: 0.0211s; 1; m:domysql w:travelblog (10.17.0.13); sld: 1;
; mem: 1.1mb