Blog 16: vom Südchinesischen Meer bis an den Rand des Himalayas


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January 17th 2013
Published: January 17th 2013
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Ok – zugegeben. Bis zum Himalaya sind es noch ein paar Hundert Kilometer – aber das ist in China keine Distanz mehr.

Als ich noch in Peking meine Reiseroute für die weiteren Städte in China festgelegt habe, war die erste Priorität: nur noch in warmen Gegenden rumreisen. Da ich während meines Pekingaufenthaltes schon durch Workshops oder Wochenendtrips nach Tianjin, Xian und Shanghai fliegen konnte, waren ein paar Städte im nördlicheren Teil Chinas schon abgedeckt. Deswegen beschloss ich, mich hauptsächlich nur im Süden Chinas zu bewegen. Nachdem mein Plan in Hong Kong mit wunderbar angenehmen Temperaturen aufzugehen schien, wurde ich nach meinem eineinhalb wöchigen Aufenthalt in dieser tollen Stadt bei meiner Weiterreise nach Guilin eines besseren belehrt. Trotz intensiver Recherchearbeit meinten selbst die Hostelmitarbeiter in Guilin, dass es wohl der kälteste Winter seit Jahren sei. Herzlichen Glückwunsch! Und warum genau nochmal in dem Jahr, in dem ich China bereise? Naja, schließlich war ich nicht der einzige Leidensgenosse, der wieder mit Temperaturen um die Null Grad zu kämpfen hatte, denn offensichtlich hatten die anderen Hostelgäste dieselben Informationen wie ich gesammelt. So nutzte ich die 6 Tage in der, wenn es nicht andauernd bewölkt war und regnete, landschaftlich wunderschönen Gegend, um ein bisschen zu relaxen.

Das Highlight meines Aufenthaltes in Guilin war trotz des eher mäßigen Wetters eine vierstündige Bootsfahrt von Guilin nach Yangshuo, einem idyllischen Nachbarort. Schon als wir das Boot bestiegen, hoffte ich nur, dass mich unser englischsprechender Guide nicht zu einer Gruppe Chinesen an den Tisch setzte (nicht, weil ich sie nicht mag, sondern einfach, weil ich mich gerne etwas unterhalten hätte). Gleich zu Anfang teilte er uns mit, dass wir die Touri-Gruppe „Panda-Team“ seien und einen bestimmten Aufkleber auf unserer Jacke tragen sollen, damit er uns auch immer gleich wieder erkennt – für einen kurzen Moment lang dachte ich, ich bin wieder zurück im Kindergarten – aber schlussendlich haben wir uns gemeinsam darüber lustig gemacht.

Glücklicherweise setzte er mich zu einer Rentnergruppe aus Norwegen und einer französischen Familie, die auch im selben Hostel übernachteten wie ich. Es entstanden schließlich nette Gespräche, und jeder erzählte seine Geschichte, warum er in Guilin gelandet ist. Die später kennengelernte kanadische Rentnerin, hatte jedoch meiner Meinung nach die beeindruckenste aller. Sie ist mir ihrem Mann schon seit 7 Jahren auf einem Katamaran durch die Welt unterwegs – wenn das mal nichts ist.

In Yangshuo angekommen lernte ich auch prompt eine englische Familie kennen. Wir stellten relativ schnell fest, dass es in diesem Ort bei Regen nicht allzu viel zu machen gab – bis wir an einer Touri-Kneipe mit der großen Reklame vor der Tür: „Münchner Hofbräu“ vorbei kamen – ganz ehrlich? Musste man mir in dem Moment nicht zweimal anbieten, in einer gemütlichen Kneipe ein deutsches Bier zu nehmen.

Nun gut, mit einem italienischen Paar, einem Amerikanischen Weingutsbesitzer und seiner Nichte bestand die zweite Tageshälfte schließlich darin, auf einem Bambus-Floß einen kleineren Fluss entlang zu schippern. Hatten wir einen Spaß – trotz des schlechten Wetters ritten wir auf Wasserbüffeln und haben uns von den Bambus-Floß-Fahrern etwas über die Geschichte der Gegend erzählen lassen – was selbstverständlich auf Chinesisch war – ich habe einfach mal angenommen, dass es um die Geschichte ging. Auf dem Rückweg war es mir schließlich zu langweilig mich in meinem Stuhl umher schippern zu lassen. Folglich habe ich meinen Fahrer auf meinem Stuhl Platz nehmen , eine Zigarette rauchen lassen und seinen Job übernommen – zugegeben, es sah einfacher aus als es war – und es hat sicherlich auch ein paar Mal nicht viel gefehlt, bis ich den eiskalten Fluss gefallen wäre – aber zumindest wurden die restlichen Fahrer und Touris ein wenig bespaßt und ich hatte mein Workout.

Ha – natürlich darf ich es nicht vergessen, euch von einigen besonderen Beobachtungen zu berichten, in denen es um eines meiner Lieblingsthemen ging: Emanzipation.

In Deutschland ist sie immer wieder ein nettes Thema und wird wahrlich auch ausgelebt. Ich dachte immer, dass sie bei uns schon so weit vorangeschritten ist, dass es nicht mehr lange dauert, bis wir Männer uns nicht mehr zum Biertrinken und Fußballschauen treffen sondern uns bei Männerabenden gegenseitig die Füße lackieren und uns über unsere neuen Schuhe unterhalten. Haha – Freunde. Das was ich hier in China gesehen habe, sprengt aber jegliche bisher gekannte Form. Kennt ihr die provokative Äußerung des „Handtaschenträgers“? Seit ich hier bin, weiß ich woher sie kommt. Denn selbst ich wurde von einer chinesischen Verkäuferin fast schon zusammen gestaucht, warum ich die Handtasche meiner weiblichen Begleitung denn nicht trage. Nach dieser Erfahrung ist mir erst mal bewusst aufgefallen, dass bei den meisten chinesischen Pärchen der Mann die Handtasche seiner Begleitung trägt. Das war aber bei weitem noch nicht alles – dieses Verhalten könnte man ja noch aus Gentleman-Verhalten auslegen. Bei meiner nächsten Beobachtung konnte ich im ersten Moment meinen Augen nicht trauen und lag im nächsten auch schon auf dem Boden vor Lachen. Als ich an einer chinesischen Hochzeit vorbei ging, war die gesamte Hochzeitsgesellschaft in einem Park versammelt, und hielt gerade wohl so etwas wie den „Apero“ ab. Glücklicherweise lief ich gerade in dem Moment vorbei, als sich die Braut zum Brautstraußwerfen bereit machte – und da war sie auch, die Situation, in der ich meinen Augen nicht trauen wollte. Es waren nämlich nicht die weiblichen Hochzeitsgäste, die sich hinter der Braut versammelten – nein. Es waren die männlichen, die voller Vorfreude auf den Brautstrauß warteten. Da solch eine Zeremonie in China wohl eher etwas unüblich ist, ist bei der Überlieferung des Brauchs wohl einiges schief gegangen – oder die Verantwortlichen haben in den amerikanischen Filmen ein kleines Detail übersehen. Aber seitdem habe ich eine neue provokative Äußerung und bin ehrlich gesagt ziemlich stolz darauf: „Brautstraußfänger“!

Also Männer, falls es wirklich mal so weit sein sollte, dass wir kreischend hinter der Braut auf den Brautstrauß warten, sollten wir uns vielleicht überlegen, zurück-zu-emanzipieren. Aber fairerweise muss ich auch die andere Seite hier in China etwas beschreiben. Denn neben den Handtaschenträgern und Brautstraußfängern ist hier eher noch die traditionelle Art und Weise vorherrschend. Denn sobald es zu überlebenswichtigen Dingen kommt wie im Restaurant das Essen zu bestellen oder Zugtickets für einen Ausflug zu kaufen, werden die Frauen schon fast behandelt wie Luft, denn laut einer Aussage eines chinesischen Freundes werden die „wichtigen“ Dinge nur zwischen Männern geklärt. Dies wird ihm zufolge auch noch eine ganze Weile so gehen, falls es sich überhaupt mal ändern sollte – Kulturbedingt.

Nun ja, im Anschluss an diese netten Beobachtungen ging es von Guilin aus weiter in Richtung Westen, genauer gesagt nach Kunming. Und dreimal dürft ihr raten, wie ich in der Stadt „des ewigen Frühlings“ empfangen wurde – genau. Regen. Aber ändern kann man es nun mal nicht – so beschloss ich am nächsten Morgen kurzerhand einen 2 Tagestripp in das 8 Stunden entfernte Yuanyang zu machen, was an der Grenze zu Laos liegt und bekannt für seine atemberaubenden Reisterrassen ist. Um halb 2 stieg ich schließlich in den ersten „sleep Bus“ meines Lebens und wurde wie gewohnt von meinen chinesischen Freunden genauestens inspiziert. Die ersten Stunden waren relativ gemütlich – wie schon im vorherigen Blog beschrieben, sind solche Betten nicht gerade für Menschen über 1,75m ausgelegt - was auch der Grund für meine kommenden Knieschmerzen war. Aber wie sagt man so schön? Es geht immer schlimmer - denn die Knieschmerzen waren definitiv das angenehmste meiner kommenden Probleme. Selbstverständlich hatte ich das Glück, neben einem Chinesen zu liegen, der offensichtlich einen wohl etwas empfindlichen Magen hatte. Denn als es die letzten 3 Stunden nur noch auf Serpentinen in das 1700m hohe Yuanyang ging, hat er leider nicht mehr aufgehört zu kotzen - alle 5 Minuten. Und wieder dachte ich mir: Herzlichen Glückwunsch!

Nun, schließlich wartete kurz vor der Ankunft in Yuanyang die nächste Herausforderung. Denn erst dann ist mir richtig bewusst geworden, dass wir erst um 22 Uhr ankommen würden und ich bis dato noch keine Unterkunft gebucht hatte. Am Ende tat ich mich schließlich mit dem einzigen Ausländer im Bus zusammen, einem 46 jährigen Iren, der ebenfalls dasselbe Problem hatte wie ich. So beschlossen wir, die Nacht im Doppelzimmer in der erstbesten Unterkunft zu verbringen und erst am nächsten Morgen ein Hostel inmitten der Reisterrassen zu suchen. Sehr sympathischer Kerl – nur die erstbeste Unterkunft war etwas fragwürdig. Im Zimmer angekommen, war es schließlich so kalt, dass ich in meinem Schlafsack eingerollt noch meinen Atem sehen konnte – aber Abenteuer bleibt schließlich Abenteuer. Nur die Situation am nächsten Morgen wäre mir im Nachhinein gerne erspart geblieben. Als ich meinen Schlafsack öffnete, traf ich doch glatt wieder meine alten Bekannten aus Peking – Hanni&Nanni – wer sich noch daran erinnert – dies waren meine Mitbewohner in der ersten Wohnung in der Hauptstadt. Mit einem Satz sprang ich aus dem Bett und schüttelte die riesen-drecks-Kakerlaken aus meinem Schlafsack – bah – alleine die Vorstellung mit denen die ganze Nacht gekuschelt zu haben – lecker. Aber auch hier muss ich euch sagen, dass ich leider keine Fotos mehr machen konnte, denn das, was von den Viechern übrig geblieben ist, nachdem ich sie aus dem Schlafsack geschüttelt habe, war sicherlich kein Foto mehr Wert.

Diesen Guten Morgen Gruß meiner alten Freunde erst einmal verdaut, ging es dann mit meinem irischen Freund auf 2000m in ein Hostel inmitten der Reisterrassen. Herrlich. Über den Wolken, wunderbaren Aussichten und vor allem: frische Luft. Nach einem erholsamen Tag und einer weiteren kalten Nacht ging es am nächsten Morgen in 8 Stunden wieder zurück nach Kunming, bevor ich einen Tag später nach Suzhou (bei Shanghai) weiterreiste.

Suzhou ist nun schließlich die letzte Station in China, wo ich eine Freundin aus Stuttgart besuche, die dort bei Bosch ein Praktikum absolviert. Nach fast genau 4 Monaten im Reich der Mitte habe ich unglaublich viel gesehen, viel gelernt und werde diese Dinge auch sicherlich nie vergessen.

Als Resume meines China Aufenthaltes kann ich sagen, dass die Chinesen ein sehr freundliches Volk sind, sobald man mit ihnen ins Gespräch kommt. In den ländlicheren Regionen ein wenig mehr als in den Metropolen – aber alles in allem sehr sympahtisch und umgänglich. Trotzdem fiel mir tagtäglich auf, dass hier ein ziemlich starker Egoismus und Rücksichtslosigkeit vorherrscht. Natürlich kann man auf so einer Reise nicht erwarten, dass alles genau gleich abläuft wie in Europa. Aber ich rede hier nicht von kulturellen Veränderungen, wie niedrigeren Hygienestandards, fehlendes Schamgefühl, schmatzen beim Essen oder weil die Autos einen bei einem Zebrastreifen nicht über die Straße lassen – nein – damit muss man rechnen, wenn man sich auf ein Abenteuer nach Asien begibt. Ich rede von Personen, die ihre Ellenbogen einsetzen, um sich einen Platz in der UBahn zu sichern. Ich rede von Müttern, die mit ihrem Kinderwagen fast überfahren werden und von offensichtlich Verletzten auf der Straße liegenden Personen, denen keiner zu Hilfe kommt. Ich denke, dass der Hintergrund dieses Verhaltens wohl ca. 40 Jahre zurück liegt. Die Herrschaft und die Kulturrevolution unter Mao Zedong prägt die Menschen mit gegenseitigem Misstrauen noch heute – was der Grund dafür ist? Mao Zedong wird auf der einen Seite heute noch dafür geehrt, dass er China wirtschaftlich nach vorne brachte. Auf der anderen Seite wird hier aber keine Aufklärung betrieben, was er während der Kulturrevolution mit Millionen Chinesen angestellt hat. Im Vergleich dazu zeigt dies, wie wichtig es war und ist, dass man in Deutschland schon als Kind über die Nazi Zeit aufgeklärt wird. Dies bildet wohl die Grundlage dafür, dass wir untereinander offen mit diesem Thema umgehen können und das gegenseitiges Vertrauen überhaupt möglich ist.

Im Hinblick auf die letzten 4 Monate glaube ich, dass China in diesen Zeiten eines der interessantesten Länder ist, die man bereisen kann. Ich persönlich bin mit tausenden von Fragen in dieses Abenteuer Praktikum in Peking mit anschließender Tour in China gestartet – und werde dieses Land wieder mit mindestens doppelt so vielen Fragen verlassen, auch wenn es mittlerweile vielleicht andere sind.

So – mit diesen wohl etwas kritischen Worten verabschiede ich mich nun aus dem Reich der Mitte.

Taiwan is calling!

Herzliche Freude

Euer Philipp

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