Der Mann auf der Parkbank


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China's flag
Asia » China » Shanghai
September 19th 2009
Published: September 19th 2009
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Ich habe den alten Chinesen im Park getroffen. Er sah mit seiner dürren Gestalt und lediglich drei zahnähnlichn Gebilden in seinem Mund mindestens so alt aus, als habe er den letzten Kaiser noch als Kind gekannt.

Von seiner Bank aus rief er mir auf Englisch zu. Da er nicht den Eindruck machte, ein Straßenhändler oder ähnliches zu sein, setzte ich mich zu ihm. Der Alte konnte erstaunlich gut englisch. Er habe dies sich selbst beigebracht, erklärte er mir stolz, durch Gespräche mit Ausländern und die BBC. Dennoch war er aufgrund der Ruine in seinem Mund nur schwer zu verstehen.

Es folgten die in solchen Fällen üblichen Fragen, woher man käme, was man beruflich tut, usw. Im Gegensatz zu anderen Leuten, war dieser Herr aber sehr gut vorbereitet. Er hatte ein kleines Taschenbuch mit Fakten und Karten über die Länder der Welt dabei und ließ sich von mir meine Heimatregion zeigen.

Er zeigte sich interessiert, wurde dann aber nachdenklicher. "Diese beiden", sagte er und deutete auf die uns gegenüber stehende Statuen von Marx und Engels, "waren die größten Verbrecher." Dann erzählte er von seinen Erfahrungen aus der Kulturrevolution. Er sei Ingenieur gewesen und die Kommunisten hätten seine Frau verschleppt. Sein Bruder und andere Familienmitglieder seien getötet worden. Er habe keine Familie mehr und auch keine chinesischen Freunde. Mit Chinesen könne er darüber nicht reden, meinte er, da diese alle für die Kommunisten arbeiten würden. Ab dann wurde es ein wenig seltsam.

Er deutete auf seinen Arm. Hier hätten ihm die Kommunisten ein tödliches Virus injiziert. Er könne damit nicht zum Arzt. Dieser sei ein kommunistischer Agent. "Aber", so erklärte er weiter, "ich lebe gesund, esse jeden Tag frisches Obst und daher lebe ich noch." Auf seine Zähne deutend, meinte er, dass er auch nicht zum Zahnarzt könne, da auch der für die Kommunisten arbeiten würde.

Er wolle in ein demokratisches Land reisen, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen. Jedoch würde er nicht so einfach einen Pass bekommen, so dass er hierfür Hilfe benötigen würde. Ich erwartete schon, er würde mich um Geld anbetteln, jedoch erbat er meine Hilfe auf andere Weise. Um eine Ausreisegenehmigung zu bekommen, benötige er die Einladung einer humanitären Organisation. Er habe sogar schon vor Jahren an Papst Johannes Paul II geschrieben, der für ihn beten wollte. Nun solle ich nach meiner Rückkehr aus China eine humanitäre Organisation kontaktieren, die ihm zu einem Pass verhelfen solle.

Er gab mir seine Adresse, wies jedoch darauf hin, dass mich der Sicherheitsbeamte am Eingang eventuell nicht einlassen würde. In diesem Falle solle ich nicht sagen, zu wem ich wolle, sondern statt dessen am Hintereingang bei einer anderen Wohnung klopfen. Auch dort solle ich nicht angeben, zu wem ich wolle, sondern in das entsprechende Stockwerk weiter und bei ihm klopfen bzw. einen Zettel unter der Türe durch schieben. Auch wenn ich ihm schreibe, sollte ich nur meinen Namen, nicht jedoch meine Anschrift auf dem Brief hinterlassen.

Schließlich bat er noch um ein gemeinsames Foto und verabschiedete sich dann von mir.

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20th September 2009

Spuren der Vergangenheit
Oh. Beeindruckende Begegnung. Eindrücklicher hätte wohl niemand die Kulturrevolution und ihre Folgen (hier als Trauma) beschreiben können.
22nd September 2009

Für mich liest sich das ziemlich -ähm- unglaubwürdig, was er erzählt hat, aber gleichzeitig erweckt es mein Mitleid mit diesem Mann...
22nd September 2009

Oh man da hast du ja eine interessante Begenung gehabt ;)

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