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Published: December 20th 2010
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Früh am Morgen liessen wir uns zur offiziellen Haltestelle der Busse nach Stepanakert bringen. Unser Koffer wurde zwischen verschiedensten Waren auf dem Dach platziert. In einem vollgepferchten Bus (improvisierte Bretter sorgten für zusätzliche Sitzplätze im Gang) gings los nach Karabach. Wir erreichten Stepanakert nach einer ca 5 stündigen Fahrt bei schlechtem Wetter und einer kurzen „Grenzkontrolle“ (das Visum hatten wir uns bereits vor einigen Tagen organisiert).
Die offizielle Hauptstadt der Republik Nagorno Karabakh scheint eine saubere Provinzstadt zu sein, wären nicht die offiziellen, glamourös renovierten Gebäude der Regierung und viele teure Autos mit getönten Scheiben.
Der Name Nagorno Karabach setzt sich übrigens aus dem russischen Wort "bergig" und dem aserischen Wort Karabach für "schwarzer Garten" zusammen. Die Armenier selbst nennen Karabach eigentlich Arzach (englisch transkribiert Karabakh und Artsakh), haben sich wies scheint mittlerweile damit abgefunden, dass der Rest der Welt den aserischen Namen benutzt.
In einem Tumult am Busbahnhof liessen wir uns von Aschot in seinem Auto zu einem Hotel bringen. Dies stellte sich als wahrer Glücksgriff heraus. Auf dem Weg zum Haus von Aschot begegneten wir bereits David und Eterie, einem Paar aus Frankreich in unserem Alter.
Eterie ist Armenierin und nun zum ersten Mal nach Armenien und Karabach zurückgekehrt.
Ursprünglich wohnhaft in Baku war die Familie nach dem Tod des Vaters nach Frankreich geflüchtet. Bis Eterie sieben Jahre alt war, war sie oft bei der Grossmutter im Dorf Ngi in der Nähe von Stepanakert zu Besuch.
Die Tage mit Eterie und David waren sehr emotional und schön. Wir haben am Besuch in der Heimat von Eterie teilhaben können und sind dankbar dafür. Eterie und David ihrerseits waren auch froh, in diesen bewegenden Momenten jemanden weiteres an der Seite zu haben.
Am ersten Abend gleich haben Eterie und David gross eingekauft und es gab ein grosses Schaschlik Abendessen. An dem Essen nahmen zu unserem Erstaunen unter anderem auch unser Busfahrer teil. Der Abend war sehr armenisch, gutes Essen, dazu Wodka und Wein, der jeweils nach ausgefeilten Trinksprüchen getrunken wird.
Am nächsten Morgen fuhr uns der Hausherr Aschot zum Kloster Ganzasar. Wunderschön abgelegen in traumhafter Berglandschaft ein scheinbar unendlich friedlicher und stiller Ort. Unvorstellbar, dass hier vor 18 Jahren Kämpfe tobten, aber die Einschüsse in den Mauern sprechen eine deutliche Sprache.
Auf Schritt und Tritt folgen pompöse Hotelbauten, erstaunlich gute Strassenbeläge und ganze Touristenbusse mit ausgewanderten Armeniern. Die Diaspora hilft beim Aufbau der Karabach Region. International nicht anerkannt, seit 16
Jahren Waffenstillstand, versucht sich die isolierte Region wenigstens touristisch vorwärts zu bringen. Die vielen Exil-Armenier, die 1915 von den osmanisch-türkischen Truppen vertrieben wurden, greifen tief in die Tasche, um die offiziell zu Aserbaidschan gehörende Region wieder aufzubauen.
Mit Tränen in den Augen, sahen wir kanadische Armenier in der Kirche von Ganzasar. Zum Teil waren sie zum ersten Mal in ihrer „alten“ Heimat Armenien.
David und Eterie liessen sich und ihre Ehe in der Kirche von Ganzasar segnen. In einer berührenden Segnungsfeier war die Kirche unerwartet von den kanadischen Armeniern gefüllt worden. Vor der Kirche hatten wir Ingrid und Luc getroffen. Die beiden radelten vom Doubs her los und wollen schliesslich weiter Richtung Iran.
Zusammen sind wir (zu sechst plus Fahrer Aschot) in dem Lada weiter durch Karabach gereist. Leider war dies etwas zuviel fürs Auto, während wir in Mayraberd bei Askeran speisten, musste Aschot einen Garagisten aufsuchen.
Am Abend grillierten wir einen Fisch im Garten von Aschot. Der Tisch war voll von Reisenden: David, Eterie, Luc, Ingrid, uns, Aschot und Stella sowie Micha. Den radelnden Hostelbesitzer aus Dresden hatten wir auf dem Weg nach Askeran getroffen. Im Gemisch von Französisch, Deutsch, Englisch und Russisch klang der Tag langsam aus.
Da Luc und Ingrid weiter nach Armenien zurück wollten, reisten wir wieder zu viert (plus Fahrer) umher. Im traumhaft gelegenen Dörfchen Ngi suchten wir mit Eterie das Haus ihrer Grossmutter auf. Das Haus ist unbenutzt, der aktuelle Besitzer führte uns umher und Eterie fand alte Gegenstände, die sie aus Kindheitserinnerungen noch kannte.
In Schuschi liessen wir uns eine vorzügliche Suppe zukommen. Die Stadt Schuschi die unweit von Stepanakert liegt, hat eine wechselhafte und brutale Vergangenheit. Um die letzte Jahrhundertwende eine armenisch bevölkerte Stadt, nutzten einige die Gelegenheit Anfangs des Jahrhunderts und vertrieben die Armenier und zerstörten deren Quartiere. Seither wohnten hauptsächlich Aseris in der Stadt. Im Krieg um Karabach, bombardierten die Aseris von Schuschi aus Stepanakert und töteten so in wenigen Monaten hunderte von Armeniern in den Strassen von Stepanakert. In einer brutalen Eroberung wurde Schuschi militärisch genommen und alle Aseris vertrieben. Nun wird ist die Stadt fast wieder aufgebaut. Nur vereinzelt sieht man noch rauchverkohlte Ruinen. Uns wurde erklärt, dass Siedler in Schuschi ein Haus gratis bekämen – die Leute wollten wissen, ob wir uns nicht doch vorstellen könnten, hierher zu ziehen.
Elena, eine Brieffreundin aus Stepanakert hatte uns zum Znacht eingeladen. Die ganze Familie mitsamt Grossmutter wurde aufgeboten.
Der Tisch war übervoll mit armenischen Leckereien…
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