Alltag in Monrovia


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Africa
July 29th 2009
Published: July 29th 2009
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Hier nochmal ein kleines Update nachdem ich insgesamt schon ueber drei Wochen hier in Monrovia bin, wahnsinn wie schnell die zeit hier rumgeht!
Wirklich viel zu erzaehlen gibt es nicht wirklich, das ganze laesst sich wohl am allerbesten als Alltag beschreiben, inclusive einer der wohl ureigensten afrikanischen beschaeftigungen: WARTEN. momentan warte ich (neben dem minutenlangen warten hier im internet bis alle seiten geladen sind) hauptsaechlich darauf dass mein chef dass mir per email die dokumente schickt die ich fuer meine arbeit brauche (angeblich sollten sie bis spaetestens montag da sein, heute ist mittwoch), und darauf dass ein student, bei dem ich evtl. die naechste zeit wohnen kann, bei meiner orga vorbeischaut. da dies aber alles auf sich warten laesst, verbringe ich momentan die meiste zeit entweder mit meinem bachelor paper (bzw auch da warte ich drauf dass ich irgendwo mal einen computer mit funktionierendem drucker finde damit ich ein paar e-journals ausdrucken kann) und mit lesen.
Wohnen tue ich zur zeit noch immer in einem “Billig”hotel, da es hier in Monrovia leider keine privaten Unterkuenfte gibt, zumindest nichts was passen wuerde. Das hotel mit dem schoenen Namen Rose Jam Motel wird ausser von mir weniger zum schlafen benutzt, sondern eher stundenweise, und mein chef hat wohl auch (obwohl er mich zu diesem hotel gebracht hat!) durchblicken lassen, dass der meiste umsatz wahrscheinlich nicht mit ‘regulaeren’ uebernachtungsgaesten gemacht wird. Aber ich kriege da zum glueck nichts von mit, das Zimmer ist in Ordnung und die Angestellten nett. Ausserdem gibt’s direkt gegenueber eine Bar, und da ich versuche im dunkeln so wenig wie moeglich alleine in Monrovia rumzulaufen, ist das schonmal viel wert! nur leider ist in dem hotel seit ende letzter woche der strom weg. Heute wird es angeblich repariert. Trotzdem muss ich sagen dass es mal interessant war, fuer ein paar tage voellig ohne strom zu wohnen. Mit der zeit gewoehnt man sich daran; statt lampe kann man auch bei kerzenlicht lesen, und auf einmal lernt man auch die plaetze zu schaetzen, wo man fuer ein paar cent mp3-player oder handy aufladen kann.
Was fuer mich hingegen eine interessante erfahrung ist, ist fuer die meisten liberianer alltag. Vorletztes Wochenende bin ich mit einem Studenten, Arthur (der auch immer hier bei der Organisation vorbeikommt) mit zu ihm nach Hause gefahren. Er wohnt mit seiner Familie in einem Vorort von Monrovia, wo man faelschlicherweise die ganze Zeit denkt, dass gleich das Meer um die Ecke kommen muesste - ueberall Sand und Palmen! Die letzten 10 Minuten mussten wir zu Fuss laufen, es gibt keine Taxis bis dort und ueberhaupt gibt es im ganzen Viertel eher weniger Autos, sodas das ganze eher an ein kleines Dort erinnert hat. Die Familie wohnt mit drei Generationen in einem liberianischen ‘Durchschnittshaus’, sind nicht reich, aber auch nicht arm. Im haus gab es weder fliessendes Wasser (was es hier in Monrovia sowieso kaum gibt, selbst in meinem Hotel nicht) noch Strom, stattdessen laufen Enten im Flur herum. In dem Haus teil sich Arthur ein kleines Zimmer (noch deutlich kleiner als meins in Maastricht) mit seinem Bruder. Wie gesagt, dies ist alltag fuer die meisten Menschen! Obwohl man dazu sagen muss, dass es fliessendes wasser hier in Monrovia sowieso kaum gibt. Weder in meinem hotel, noch bei meiner orga, noch bei meinem chef zu hause. Stattdessen wird das wasser hier in Kanistern angeschleppt, die auf Karren durch die strassen gezogen werden. Doch auch daran gewoehnt man sich.

Am Freitag vorletzte woche war ich mit einem Sportjournalisten der fast jeden Tag hier bei der Orga vorbeischaut bei einem liberianischen Erstliga-Fussballspiel (Fotos folgen); wo sonst kann man schon ein Erstliga-Fussball in Kinositzen erleben und zwischendurch mal kurz an den Spielfeldrand gehen! Da der Journalist dort fast jeden Tag bei einem Spiel ist, wird es sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sein dass ich hier im Stadion war.
Samstag abend habe ich mich mit einer Couchsurferin, die in einer kleinen Stadt hier in Liberia wohnt und das Wochenende zu Besuch in Monrovia war, in einer Bar. Das war das erste mal, dass ich abends mal laenger in Monrovia unterwegs war, die ganzen Liberianer mit denen ich zu tun habe tendieren leider eher dazu, um acht uhr oder so schlafen zu gehen. Es wurde getanzt was das zeug haelt (wo ich mich sehr vornehm zurueckgehalten habe), und zwar immer abwechselnd westafrikanische Musik und amerikanischen Hiphop/RnB/Soul (‘black music’), das letztere leider nicht ganz meine musik, die hier aber immer und ueberall laeuft. Aber wenn man die hier mal tanzen gesehen hat, weiss man wo die ‘westliche’ tanzkultur urspruenglich herkommt!
Essenstechnisch hat sich noch nicht der sonstige Alltag eingestellt, das wechselt jeden Tag. Was ich jedoch NICHT geschafft habe (und ehrlich gesagt auch nicht wirklich versucht..), ist mich auf eine typisch liberianische Ernaehrung einzustellen, was morgens, mittags, abends Reis bedeuten wuerde. So langsam kenne ich zum Glueck ein paar Stellen in der Stadt, wo man fuer wenig Geld auch etwas anderes bekommen kann, wie zb. In Fett gebackenen Teig (auf dem Weg vom Hotel zur Arbeit; Fruehstueck!), Sandwich mit Fisch, Ketchup und Salat (ich war zunaechst skeptisch, aber es schmeckt!), oder so eine Art angetaeuschten Doener, mit Salat, Majo, Ketchup und Wurst. Daneben gibt’s natuerlich trotzdem dann auch noch liberianisches Essen, obwohl es schon ein paar Sachen gibt, denen ich skeptisch gegenueber bleiben werde (fischkoepfe, huehnerfuesse usw.), aber auch da weiss ich nach drei wochen so langsam, wo man fuer eine einigermassen unverfaengliche Mahlzeit hingehen muss. Das einzige was ich hier bis jetzt beim besten Willen noch nicht finden konnte ist Kaffee! Das einzige mal als ich welchen gefunden hatte, war’s so ein ekliges Instant-Zeug mit Milchpulver - pfui! Beziehungsweise ich wuerde schon welchen ordentlichen Kaffee finden koennen, aber dies nur zu astronomisch hohen preisen in einem der teuren Hotels, und das ist es mir dann doch nicht wert - zumindest bis jetzt noch nicht.
Auch Wenn ich voraussichtlich noch einen ganzen Monat hier bin, werde ich Ende der Woche schonmal anfangen, meine Visa fuer die Weiterreise in Richtung Cote d’Ivoire und Ghana zu bekommen, man weiss nie wie lange das dauert, und bevor das am ende noch stressing wird, erkundige ich mich besser schon jetzt.
Regentechnisch hat sich das ganze uebrigens wieder weitestgehend beruhigt, die erste Woche war mit Abstand die nasseste. Eigentlich ist es ganz angenehm, es ist trotzdem die meiste Zeit bewoelkt, aber mit Sonne waere es tagsueber sowieso viel zu warm! Ist nur ein bisschen schad, weil man bei dem Wetter Strand oder so ziemlich vergessen kann, aber das muss dann eben bis Togo warten!
Politisch gesehen hat sich hier alles wieder weitestgehend beruhigt, und so sind jetzt wieder die ueblichen kleinen Skandale an der Tagesordnung. So berichtete z. B. letzte Woche eine der wenigen Tageszeitungen allen Ernstes ausgiebig darueber, dass sich die Praesidentin mit dem Teufel eingelassen haette (unterlegt mit Zitaten aus der Bibel), da sie einer Eroeffnungszeremonie gemeinsam mit traditionellen Herrschern beigewohnt hat. Der ganze Tenor von dem Artikel war, dass Liberia arm ist und nicht viel hat ausser Gottes Segen, und dass dieser Segen nun nicht auch noch von der Praesidentin verspielt werden darf. Christlicher Fundamentalismus in Aktion, und dies war bei weitem nicht der einzige Zeitungsartikel der in diese Richtung ging!


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