Nachtrag 1 - Riobamba


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December 21st 2009
Published: December 21st 2009
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12.12.2009
14:10

viajando...


Gluecklich angekommen in Riobamba, wo ich mich erstmal bei einer grossen Tasse Kaffee von der Busfahrt aus Baños erhole:
Mittlerweile bin ich ja Busfahren hier gewoehnt, die zum Bersten ueberfuellten Klappergestelle, die mit Heiligenbildern tapezierten Cockpits, die gackernden Huehner auf dem Schoss der Mitreisenden, die bruellend laute Musikbeschallung und die Haudegen von Geldeintreibern, die einem - wie einst in Quito geschehen - schonmal um das Wechselgeld prellen oder - wie in Misahuallí - ihr schleimiges Bronchialsekret von innen gegen die Tuer husten. Aber heute war ich das erste Mal ernsthaft im Zweifel, ob ich am Ziel ankommen werde oder im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke bleibe.
Der Bus startete unerwartet puenktlich um 12:15 im Rueckwaertsgang und kam ganze 40cm weit, dann wurde er abrupt von einem vollbesetzten Bus der Konkurrenz abgebremst, der hinter uns in Warteposition stand. Eine Blechbeule, einige grinsende Fahrgaeste und ein paar Diskussionen und Rangiermanoever spaeter glueckte dann der zweite Startversuch mit etwa 20 Minuten Verspaetung. Kaum unterwegs, textete uns der Fahrgeldeinsammler mit einem spanischen Genuschel durch seine Zahnluecke zu, von dem ich so etwas zu verstehen glaubte wie "Strasse nicht passierbar" und "wer doch lieber in Richtung Ambato fahren will" oder so aehnlich (fuer die Richtigkeit wird nicht gehaftet). Meine Sitznachbarin legte ihr Handy beiseite, in das sie bis dato unaufhoerlich gebloekt hatte ("Holaaa amiiigo, qué tal??"), begann eine Diskussion mit dem Geldeintreiber, die irgendwann in eine kleinere Rangelei ausartete, und auch deren Sinn erschloss sich mir nicht wirklich. Waehrenddessen brauste der Bus los, offensichtlich ueber die Strasse, die nicht passierbar war: eine Baustelle, unbefestigt, ungesichert, die meiste Zeit einspurig, immer haarscharf an einem Abgrund entlang, von oben durch Steinschlaege bedroht und von unten durch instabile Haenge.

Zum Busfahrer selbst entwickelte ich drei verschiedene Theorien:
1.) er war total "chuchaqui" (haeufig verwendetes Kichwa-Wort fuer "betrunken sein" oder "einen Kater haben")
2.) er wollte diesen unerfreulichen Streckenabschnitt so schnell wie moeglich hinter sich bringen, vielleicht auch in der Annahme, bei ausreichender Geschwindigkeit abheben und nach Riobamba fliegen zu koennen
3.) er war bemueht, die Verspaetung wieder einzuholen - womit ich in ihm freilich dem ersten Ecuadorianer begegnet waere, der einen gesteigerten Wert auf Puenktlichkeit legt.

Jedenfalls betaetigte er die Hupe wesentlich lieber und haeufiger als das Bremspedal. Letzteres kam nur im Notfall, in letzter Sekunde und sehr abrupt zum Einsatz, erstere dagegen bei jeder Gelegenheit, zum Beispiel in Kombination mit dem Gaspedal vor jeder nicht einsehbaren einspurigen Kurve. Dieses Manoever kannte ich bereits aus Suriname, allerdings mit dem Unterschied, dass es in dem platten Guyana-Staat wesentlich weniger Kurven und steile Abhaenge gibt als hier in den Anden, und dass die Wahrscheinlichkeit, im Landesinneren Surinames auf Gegenverkehr zu stossen, bei <5%!l(MISSING)ag.
Wir bretterten ungebremst ueber improvisierte Bruecken, gerade so breit wie der Bus selbst, auf Serpentinen zu, um dann im Rueckwaertsgang am Abhang zu rangieren, um dem ueberraschend aufgetauchten Gegenverkehr Platz zu machen, und das alles wurde begleitet von heissen Salsa-Rhythmen. Meine bislang so lebhafte Nachbarin war mittlerweile verstummt und zupfte stereotyp und mit starrem Blick an einem Gummiband herum, die anderen Fahrgaeste waren ebenfalls ungewoehnlich still, und erst jetzt fiel mir auf, dass der Bus hoechstens zur Haelfte besetzt war, was aeusserst unueblich ist und mich sofort haette misstrauisch machen muessen: Die Einheimischen kennen ihre Pappenheimer, und vielleicht ist diese Busgesellschaft, benannt nach einem der unberechenbarsten Vulkane Suedamerikas, dafuer bekannt, ihrem Namen alle Ehre zu machen.

Der Bus quietschte und klapperte, hin und wieder roch es verdaechtig verschmort, der Fahrer nagelte das Gaspedal am Bodenblech fest und von Zeit zu Zeit wurden wir von einer Staubwolke verschluckt. Auf diese Weise durchgeschuettelt bemerkte ich nach etwa 15 Minuten erste Anzeichen von Uebelkeit, einen trockenen Mund, eine erhoehte Transpiration sowie einen beschleunigten Puls: mein Sympathikus funkte: Angriff oder Flucht, entscheide Dich! Ich ueberlegte gerade, ob ich bitten sollte, mich aussteigen zu lassen, da wurde aus der Staubpiste eine Asphaltstrasse und wir erreichten Riobamba in rekordverdaechtigen 57 Minuten (veranschlagt waren 1,5 - 2 Stunden).
Dort wurde ich ausgespuckt in das hektische Treiben eines Marktes, Haendler schrien, Huehner kraehten, Hunde bellten, Autos hupten, und ich liess mich erleichtert in das weiche Polster eines Taxis sinken.

Nun warte ich darauf, dass der Tourenanbieter nebenan seine Pforten oeffnet, denn ich habe mir in den Kopf gesetzt, in dem von ihm betriebenen Hostel am Chimborazo auf 3610 Hoehenmetern uebernachten zu wollen. Wenn das nicht klappt, muss ich weitersehen, wo ich mein Haupt zu Ruhe bette. Zur Not in einem Nachtbus in Richtung Ambato oder Guayaquil - von einer Busgesellschaft, die nicht den Namen eines aktiven Vulkans traegt.






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21st December 2009

Klingt wie in einem Abenteuerroman.... Bin froh, dass der Vulkan beim Ausbrechen seine Lava nicht so weit ausgespuckt hat und du wohlbehalten angekommen bist! Ich glaube, Berlin wird dir vorkommen wie eine idyllische Kleinstadt... :-D Wie wirst du eigentlich Weihnachten verbringen? Coole Grüße von der (noch) verschneiten Mosel, Samstag mit -18°C (hatten allerdings bei einem Besuch bei Freunden in der Nacht in höheren Lagen -22°C)
21st December 2009

@schoko
Huhu Du! Ja, zurueck zu Hause werde ich mich auf einiges wieder neu einstellen muessen, und der Berliner Stadtverkehr wird mir wahrscheinlich total zahm vorkommen. Weihnachten - schaun mer mal. Faellt fuer mich dieses Jahr wahrscheinlich einfach aus, aber das ist ja nicht so schlimm, denn es kommt ja jedes Jahr wieder. ;o) Liebe Gruesse! Alex

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