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Der Shenandoah Nationalpark ähnelt dem Blue Ridge Parkway sehr. Dennoch genossen wir die grüne Berg- und Waldvielfalt sehr, wussten wir doch, dass wir uns bald in Großstadt-Häuserschluchten wiederfinden würden.
Einen Übernachtungsplatz fanden wir in Harrisonburg auf dem Walmart-Parkgelände. Am ersten Tag fiel uns gleich ein überdachter Parkplatz für Kutschen und andere Pferdegefährte (die Amis nennen sie allgemein Buggys) auf. Auf Nachfrage teilte man uns mit, dass hier in der Umgebung Mennonitensiedlungen sind. Es mutet schon ein bisschen seltsam an, wenn man die Familien abends beim Einkauf traf. Die Frauen trugen lange Kleider, manchmal mit einer Haube, wie aus dem Film „My little farm“ entsprungen. Die Mädchen sah man ebenfalls in knöchellangen Kleidern, ihre Brüder mit Hosenträgerhose und Strohhut bekleidet. Manche Jungs sprangen einfach barfuß herum. Einen Buggy habe ich während der drei Tage in Harrisonburg nicht gesehen. Dazu muss aber gesagt werden, dass auch nicht alle Mennoniten nach den strengsten Glaubensriten leben.
Die Mennoniten gehören wie die Amischen oder die Hutterer der Täufer-Bewegung an, die sich aus der protestantischen Glaubensrichtung im 16. Jahrhundert in der Gegend um Zürich in der Nordschweiz gebildet hat. „Täufer“ deswegen, weil die Überzeugung vorherrscht, dass man erst dann der Kirche beitreten sollte, wenn man
sich bewusst dem Glauben anschließt. Und daher wird die Taufe erst im Erwachsenenalter vollzogen. Dies widersprach dem herkömmlichen protestantischen Glauben mit praktizierender Kindstaufe und die „Täufer“ wurden verfolgt und zum Feind von Staat und Kirche erklärt. Somit gehörten sie auch zu den ersten nach Nordamerika auswandernden Deutschen (um 1680). Sogenannte Old Order Mennonitengruppen leben heute noch ohne Auto, Strom und Telefon auf Bauernhöfen oder gehen einem Handwerk nach. Es hat sich ein sehr starkes Gemeinschaftsleben gebildet und die Glaubensanhänger sind pazifistisch geprägt.
Doch dies ist nur eine der vielen Kirchen und Glaubensrichtungen in den Vereinigten Staaten. Es gibt keine Staatsreligion, jeder kann in diesem religiösen Pluralismus nach seiner facon selig werden, solange er sich an die bestehenden Gesetze hält. Beobachter der politischen Bühne stellen allerdings fest, dass in Zeiten des Wahlkampfes gerne auf religiöse Werte zurückgegriffen wird, um Wählerstimmen für konservativ eingestellte Parteien einzufangen. Insofern stehen Religion und Politik schon immer in einer gewissen Beziehung zueinander.
Bei ca. 300 Millionen US-amerikanischen Einwohnern sind etwa ein Drittel Protestanten, knapp 70 Millionen Katholiken und je 6 Mill. Juden und Islam-Anhänger. Amerika war immer ein guter Nährboden für neue Religionen. In Utah finden sich sehr viele Mormonen, die sich zu der
von Joseph Smith jr. 1838 gegründeten Kirche „Jesu Christus der Heiligen der Letzten Tage“ bekennen. Unter Druck der amerikanischen Bundesregierung gab dieser Zweig im 19. Jahrhundert die Mehrfachehe auf, während kleine konservative Mormonengruppierungen heute noch polygam leben.
Wir sahen es als Verpflichtung an, der Hauptstadt Washington einen Besuch abzustatten. Zum einen verlangte ihre Bedeutung als Sitz des Präsidenten und vom Kongress entsprechende Beachtung. Zum anderen hat die Reiselektüre von Dan Brown „The lost Symbol“ (Das verlorene Symbol), die in den Gebäuden des weltgrößten Museumskomplexes "Smithsonian Museen" spielt, neugierig gemacht.
Washington D. C. liegt an der Mündung des Anacostia-Flusses in den Potomac. Die Stadt selbst zählt knappe 600 000 Einwohner, die gesamte Metropole um die 7,6 Millionen Menschen. Benachbarte Staaten sind Maryland und Virginia.
Washington D. C. – man sollte nicht den Fehler machen, das „D.C.“ zu vergessen, sonst findet man sich im gleichnamigen Staat Washington an der Pazifikküste wieder. D. C. bedeutet „District of Columbia“. Washington D. C. ist kein 51. Bundesstaat, sondern untersteht als Bundesdistrikt direkt dem Kongress der Vereinigten Staaten, hat aber auch einen eigenen Bürgermeister und den Stadtrat. Columbia stellt eine poetische Bezeichnung für die U.S.A dar. Diese Konstruktion sollte sicherstellen, dass die Bundeshauptstadt
so unabhängig wie möglich von den Bundesstaaten bleibt. Die Bürger Washingtons dürfen an der Präsidentenwahl teilnehmen. Man hat uns gesagt, dass sie aber an Senatswahlen nicht teilnehmen dürfen.
Herausragende Gebäude sind das Weiße Haus, der Kongress und das Pentagon in Arlington. Höhere Gebäude als das Kongressgebäude (Kapitol) darf es in Washington nicht geben. Daher findet man auch auf dem ganzen Stadtgebiet keinen Wolkenkratzer. Die Stadt ist also eine Planhauptstadt, die im 18. Jahrhundert erst einmal gebaut werden musste. Allererste Hauptstadt im neu gegründeten Staatenbündnis war New York (1788-1790) gewesen. Dann bekam Philadelphia (Pennsylvania) für zehn Jahre die Ehre, bis die Regierungsgebäude in Washington D. C. fertig gestellt waren.
Der erste Tag galt einem Besuch von Kongress und Weißem Haus. Wir sind von der Stadtgrenze mit den Fahrrädern angereist und haben zur Vorsicht unseren Essvorrat am Fahrrad hinterlassen. Seit 9/11 sind die Sicherheitsvorschriften verschärft worden und Rucksäcke sind im Kapitol verboten. Ich empfinde die Maßnahmen als behindernd, ebenso wie die verschärften Reisevorschriften für die USA. Es kommt noch besser: Verwundert stellten wir fest, dass uns unsere Rucksäcke bei der Rückkehr offen entgegen starrten. Alle Nahrungsmittel waren fein säuberlich entfernt worden. So weit ist die Neurose wohl schon gediehen… Ich
glaube nicht an die These vom hungrigen Stadtstreicher.
Wieder zurück ins Kapitol: Die Besucherströme im Kapitol wurden professionell gelenkt und erst einmal mit einer Filmvorführung bedient. Danach ging es zu einem kleinen Rundgang, der in der Rotunda endete. Hier findet die Amtseinführung des Präsidenten statt. Von hier geht er in den Kongress, um etwa Erklärungen zur Lage der Nation abzugeben. Ansonsten hat der Präsident keinen Sitzplatz in diesem Haus, was dem Prinzip der Gewaltenteilung gilt.
Der Kongress, das gesetzgebende Organ, besteht aus Vertretern des Repräsentanten-hauses und des Senats. Die Repräsentanten sind von Wahlmännern für eine Periode von 6 Jahren gewählt. 100 Senatoren, also jeweils zwei Abgesandte aus jedem Bundesstaat, werden für 6 Jahre direkt gewählt. Alle zwei Jahre steht jeweils ein Drittel der Senatoren zur Wahl.
Das Repräsentantenhaus besteht aus 435 direkt gewählten Abgeordneten. Die Zahl der Repräsentanten eines Bundesstaates hängt von dessen Bevölkerungszahl ab. Die Repräsentanten stehen alle zwei Jahre zur Wahl.
Drei Aufgaben hat der Kongress: Gesetzgebung, Ausübung des Haushaltsrechts und Kontrolle der Exekutive.
Wichtige Bundesgesetze wie z. B. die Steuergesetzgebung oder Gesetze zur Kreditaufnahme des Staates werden vom Kongress bestimmt. Er entscheidet über die Vergabe der Haushaltsmittel und bestimmt letztendlich damit die Konturen der Staatspolitik.
Der Staatspräsident als Organ der Exekutive kann ebenfalls über die Gesetzgebung kontrolliert werden. Paradebeispiel dafür ist die Rolle des Präsidenten als Oberbefehlshaber der Armee. Eine Kriegserklärung dagegen kann nur vom Kongress selbst erfolgen. Der Kongress kann in Ausschüssen ein Verhör von Politikern verlangen. Prominentes Beispiel ist die Affäre von Clinton mit der Praktikantin Monica Lewinsky und sein diesbezüglicher Meineid (1998). Dazu gab es ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment), was aber im Senat scheiterte.
Der Präsident vereinigt in seinem Amt die Rolle als Staatsoberhaupt, Regierungs- und Militärchef. Er wird für vier Jahre ins Amt gewählt. Barack Obama trat sein Amt im Januar 2009 an.
Andererseits kann der Präsident zu bestimmten Gesetzen ein Veto einlegen, das nur mit Zweidrittelmehrheit beider Kammern überstimmt werden kann. Gesetze kann er nicht selbst einbringen, sondern kann die Gesetzgebung nur über Abgeordnete seiner Partei im Kongress beeinflussen.
Der Präsident steht dem Regierungskabinett vor. Er hat die Richtlinienkompetenz und kann Minister entlassen. Im Executive Office sind Berater versammelt, die nicht dem Kabinett angehören.
Nachdem wir uns etwas mit der Rolle von Barack Obama beschäftigt hatten, wollten wir natürlich auch seinen Amtssitz sehen und sind zum Weißen Haus geradelt. Mehr als ein Allerweltsfoto, was einem schon reichlich durch die
Fernsehwelt bekannt war, entstand nicht. Das Weiße Haus war rundherum mit Sicherheitskräften abgeriegelt und mein schwacher Fotozoom konnte auch keine weitere Erleuchtung bringen.
Also lösten wir uns von der Vorstellung, Obama die Hand schütteln zu können und tauchten in die Geschichte der USA ein. Zuerst statteten wir dem Lincoln-Denkmal einen Besuch ab, was den Anreiz gab, in den nächsten Tagen die Daten zur US-Historie im Smithsonian Museum (of American History) aufzufrischen.
Der heutige US-Amerikaner gibt ein wenig bedrückt zu, keine lange Historie zu haben. Fängt sie doch nach seiner Ansicht erst mit der Ankunft von Christoph Kolumbus (1492) an. Wir Europäer meinen dazu großherzig, dass ja die ersten Siedler aus Europa kamen und sich die amerikanische Geschichte damit auf der anderen Seite des Atlantiks in die Vergangenheit fortsetzen ließe…
Wobei diese Bindung an Europa auch ihre Komplikationen mit sich brachte. Die neue Welt hatte gute zweihundert Jahre mit Kriegen um Unabhängigkeit von den Kolonialherren und Neuordnung ihrer Gesellschaft zu bewältigen, bis der neue Staatenbund der U.S.A mehr Ruhe fand.
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