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Published: April 19th 2006
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Semana Santa! Das bedeutet hier in vielen Teilen Guatemalas den Ausnahmezustand. Plakate werden ausgehaengt, wie man Staus vermeidet oder aushaelt, das Haus sicher hinterlaesst und wie man sich im Meer zu verhalten hat (schaetz mal ist das gleiche wie hier auch, Seepferdchen nur bis zur Markierung, danach muss man mindestens den Freischwimmer haben.... und natuerlich nicht direkt nach dem Essen ins Wasser!).
An solchen Aktivitaeten nimmt allerdings nur der un- oder geringglaeubige Teil der Bevoelkerung teil, ansonsten hat die Kirche- bzw. eher haben die Kirchen- Hochsaison.
Am schlimmsten ists wohl in Antigua, aber nachdem schon in Xela in der Woche vorher staendig Weihrauch geschwenkt und wahlweise Jesus, Maria oder jemand anders durch die Gegend gezogen wurden, haben wir uns in der Osterwoche fuer das Bergland und dort Todos Santos Cuchmantin entschieden.
Ein rotweissgestreiftes Bergdorf
Todos Santos wird in allen Reisefuehrern erwaehnt, da die Leute dort eine ganz aussergewoehnliche Tracht tragen. Die der Frauen ist recht unauffaellig (dunkelblauer Rock und besticke Bluse), aber alle Maenner (vom kleinen Jungen bis zum Uraltknittergrossvater) tragen knallrote, weiss-, manchmal auch blauweissgestreifte Hosen und blauweissgemusterte Hemden mit bunten Kragen. Und runde Strohhuete, und die alten Maenner darunter oft noch eine leuchtend pinke Bandana (so ein
Tuch, falls der ein oder andere das nicht wissen sollte).
Aber ausser dass die Maenner da so aussehen, ist es vor allem ein wunderschoenes, ganz schoen hoch (ca. 3000 m) gelegenes und bis vor gar nicht langer Zeit ziemlich isoliertes Bergdorf. An touristischen Attraktionen gibt es zwei Sprachschulen und drei kleine Hotels, aber nicht eine einzige abends geoeffnete Bar.
Wir waren dort vor allem zum Wandern und um dem "Grossstadtstress" von Xela zu entfliehen. Und eben Ostern ein wenig entspannter anzugehen.
Gewohnt haben wir wieder bei einer Familie, aber diesmal war es vom Standard her ein ganz schoen grosser Unterschied zu den Familie davor. Maria (ja, schon wieder und bestimmt nicht die letzte) wohnt allein mit ihren drei Kindern in einem traditionellen Lehmhaus, das aus zwei Raeumen besteht, einem fuer die Familie und einem, der an Gaeste vermietet wird.
Huehnerrupfen nebst Zaehneputzen
Die Kueche ist in einer Art Holzverschlag und besteht aus einem kleinen Essenstisch (Europaeerbeine passen nicht drunter), einer Kochstelle mit Feuer und Vorraeten. Ab und zu verlaufen sich die Huehner hier hinein, und zu jeder Mahlzeit kam ein anderes Tier (zwei Hunde und eine Katze fuer Fruehstueck, Mittagessen und Abendessen) zum Betteln. Hm, ich
glaube am Anfang der Woche haben sich einige Huehner mehr verirren koennen, denn am Donnerstag sahen wir zwei Huehner etwas weniger lebendig (bzw. gar nicht mehr) beim Zaehneputzen wieder. Statt Spuele gibt es bei dem (und den meisten anderen Haeusern) "pilas", von denen eine- oder eine Seite- zum Waeschewaschen, Selberwaschen und Spuelen benutzt wird, die andere zur Essenszubereitung. Also: An der Waschpila ich zum Zaehneputzen, an der Essenspila Maria mit zwei in heisses Wasser eingelegten Huehnern (zwecks Federloesung, hat gut geklappt!). Aber ich will mich nicht beschweren- in der Gastfamilie von zwei Daenen, die wir in Todos Santos getroffen hatten, wurde um halb 5 morgens ein Schwein geschlachtet. Das Maedel hat sogar noch mitgeholfen die Borsten zu entfernen, und zum Fruehstueck um 8 gabs dann frisches Schweinefleisch. Das war sogar Karfreitag- so hoch in den Bergen gibt es keine Fischesstradition.
So, weiter in der Oertlichkeitsbeschreibung: Neben der Kueche fuehrt ein Weg zum Plumpsklo, einer Wellblechhuette mit zerfetzter Folie als Waende und einer kleinen Holzkiste zum Draufsetzen.
Die Tschuj
Unterhalb des Klos ist aber das tollste Accessoir des Hauses: Die (?) "Tschuj". Eine Tschuj ist eine Art Mini-Haus, traditionell ebenfalls aus Lehm, das so eine Art Sauna ist. Innendrin
sind Holzbaenke zum Sitzen (stellt es euch nicht zu gross vor, man muss sich zum Reingehen buecken und kann gerade mal zu zweit dort sitzen), eine Feuerstelle mit Steinen darueber und einem grossen Kessel, in dem Wasser erhitzt wird.
Die Tschuj wird einige Stunden vor der Benutzung vorbereitet, das heisst das Feuer angemacht, so dass es dann abends schoen warm darin ist (ich schaetze mal so 40 Grad, etwa, sehr angenehm) und dass Wasser kochend heiss. Zusaetzlich nimmt man dann eine Schuessel mit kaltem Wasser mit hinein und eine zum Mischen, so dass man sich sein Waschwasser mit der gewuenschten Temperatur kredenzen kann. Ich habe eine Tschuj mitgemacht, und das war richtig schoen- draussen kuehl (in einigen Naechten hatten wir glaube ich nicht mehr als 4 oder 5 Grad), dunkel und still, innen glueht das Feuer und eine Kerze brennt.
Ja, Duschen gab es dort auch fast gar nicht. Selbst wenn neue Haeuser gebaut werden ist es fuer die Leute einfach seltsam und unpraktisch, die Spuele im Haus zu haben, und wer will schon ein Klo im Haus? Irgendwie auch nachvollziehbar.
Unterwegs in den Bergen
Die meisten Tage haben wir vom Ort aus Wanderungen unternommen, unter anderem
Ostertradition
Neben Huehnern oder Schweinen werden auch diese riesigen, kuerbisaehnlichen Fruechte verarbeitet und gegessen. zum hoechsten nicht-vulkanischen Berg Mittelamerikas, "La Torre" (ca. 3800nochwasmeter), dann noch zu anderen Bergdoerfern und einem Osterfest in einem Nachbardorf. Die Landschaft ist unglaublich vielfaeltig- auf den Ebenen ueber Todos Santos ist es fast savannenartig, und je nach Tageszeit schaut man auf eine dichte Wolkendecke herab. Weiter unten wird viel Gemuese angebaut, und die Felder sind in den unterschiedlichsten Gruentoenen. Vor allem gibt es hier Kartoffeln, Bohnen und Brokkoli, der zum grossen Teil in die USA exportiert wird.
Weil man ja nicht soooo viel wandern kann, haben wir inzwischen auch unsere Verkehrsmittelnutzung auf Pickups und LKWs ausgeweitet- man haelt einfach einen an, steigt auf und zahlt nachher, das ist wirklich praktisch. Obwohl mir bei dem LKW schon recht mulmig war, da wir oben auf dem Rand sitzen mussten, um das geladene Obst und Gemuese nicht zu zerquetschen.
Ja, Beschaulichkeit und ganz schoen anstrengende Wanderungen haben sich gut ergaenzt, und Ostern ist so mehr oder weniger unbemerkt vorbeigezogen- von den Huehnern und abendlichen "Gesaengen" der Mitglieder der Evangelical (nicht evangelisch!) Church mal abgesehen. (Gesaenge sind es eigentlich nicht, da Singen Teufelswerk ist, aber es ist ein mehr oder weniges melodioeses "Diooooooos! "Dioooooos" usw. schreien, und da uebertreibe ich nicht: Die arme Frau war zwischendurch schon recht heiser.
Raus aus der Kaelte!
Also, bis auf den Gesang war es fast die schoenste Woche bisher, doch eben auch ganz schoen kalt in der Nacht. Und deshalb haben wir uns Montag auf den Weg hier nach Coban gemacht- und hier ists endlich mal richtig warm!
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