Kairouan-Tozeur – Mit dem Bus durch Tunesien aus Viktors Sicht


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Africa » Tunisia » Tozeur
April 8th 2013
Published: April 22nd 2013
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Tozeur



Der Muezzin der großen Moschee schaltet schon mal die Scheinwerfer an.

Aus dem Bett gebrüllt




Die Nacht im Sabra war dann doch angenehmer als vor sieben Jahren. Oder man bekommt als allein reisender Mann einfach die schäbigeren Kabinen. Aufwachen ist jedenfalls auch kein Problem, denn mit mehreren Dutzend Moscheen in direkter Umgebung (mehrere hundert in Kairouan) braucht man zur ersten Gebetszeit vor Sonnenaufgang keinen Wecker mehr. Also ab unter die hochinfektiösen Etagenduschen und zum Frühstück in ein kleines, recht spartanisches Seitenzimmer einen Stock tiefer. Das Frühstück war lustigerweise absolut identisch mit dem damaligen, von den mit Chlorwasser benetzten Tassen bis zur leckeren Dattelmarmelade. Ich musste innerlich lachen, als der Kaffee nach reichlicher Zugabe von Milch einfach grau wurde (ohne den geringsten! Farbanteil) und stellte mit Wehmut fest, dass er aufgrund von Spülmittelresten ungenießbar war. Nach einem kurzen Ausflug zur Bank ging es per Taxi zurück zum Busbahnhof, und nach einigen Minuten nervösen Herumirrens saßen wir tatsächlich im richtigen Bus. 4,5 Stunden nach Tozeur in der Mittagshitze- los geht’s!




Das Tunesische Busnetz - Exkurs



Eine Reise mit dem tunesischen Bussystem ist wohl eine der besten, wenn auch nicht immer bequemsten Möglichkeiten, das Land näher kennen zu lernen. Einzige öffentliche Alternative sind die wenigen Zugverbindungen, vor denen

Die große Raststätte für alle Busse nahe Kairouan.
aber selbst die Einheimischen teilweise abraten. Die klimatisierten Reisebusse fahren mehrmals täglich (teilweise auch nachts) zwischen allen größeren Städten und haben feste Abfahrtszeiten, die sogar eingehalten werden. Wie von Geisterhand geführt, sind die Busse immer voll, aber nie zu voll. Fahrer und Begleiter nehmen ihren Job ernst und sich selbst gerne wichtig. Da wird auch mal eine zusätzliche Fahrkartenkontrolle eingeschoben, solange man dabei einmal mehr seine coole Sonnenbrille und seinen neuen Anzug durch den Flur tragen kann. Im Bus mischt sich Studentenvolk mit Berberoma, Garde Nationale mit Landstreichern, und in der schläfrigen Atmosphäre wird immer wieder ein kleines Schwätzchen gehalten, Wasser ausgetauscht oder gegenseitig mit dem Gepäck geholfen. Am Fenster fliegt die Landschaft nur so vorbei, denn die Busse nehmen im Straßenverkehr eine unter allen Parteien akzeptierte Sonderrolle ein: Sie haben Vorfahrt, sie dürfen in jeder nur denkbaren Situation überholen, sie müssen das Tempolimit überschreiten, die Hupe des Busses ist gleichbedeutend mit einer dreifachen Backpfeife. Da sich alle Verkehrsteilnehmer daran zu halten scheinen, fühlt man sich irgendwie sicher, selbst wenn der Busfahrer nach einem besonders exotischen Manöver beginnt, entrückt zu lächeln und neurotisch an seiner Zigarette zu ziehen.

Der unsicherste Moment ist für den Nichteinheimischen die Abfahrt. An den

Die Landschaft ändert sich.
Busbahnhöfen herrscht manchmal emsiges Treiben. Zahlreiche Busse unterschiedlicher Gesellschaften reichen sich die Klinke in die Hand, und die in schwungvollem Arabisch gehaltenen Beschriftungen geben dem Touristen wenig Aufschluss über das Fahrtziel. Und so wird man unweigerlich von einem Bus zum nächsten rennen und verzweifelt seinen gewünschten Bestimmungsort vortragen, nur um später festzustellen, dass es fast unmöglich ist, seinen Bus nicht zu erwischen. Wenn der richtige kommt, wird man es erfahren. Entweder entpuppt sich ein Wartender als „Manager“ der Busgesellschaft, der die ganze Zeit wusste wo man hin will, oder aufmerksame Fahrgäste schleifen einen mit, oder aber der Busfahrer selbst sieht einem an, wo man hin will und raunt einem auf dem Weg zur Toilette zu, man solle doch einsteigen. Stichwort Toilette: Eine gut trainierte Blase sollte man haben. Unter vier Stunden Fahrt sind Pausen unüblich. Bei acht Stunden (z.B. Tunis-Tozeur) wird eine (eine!) ausgiebige Pause eingelegt. In den Bussen gibt es keine Toiletten. Je nach Sitzplatz greifen jedoch die auf Ausdörrung gestellte Klimaanlage oder der spürbar glühende Motorblock wohlwollend in den Flüssigkeitshaushalt der Fahrgäste ein. Am Ende freut man sich immer auf das Aussteigen- und will die Erlebnisse doch nicht missen.


Das Leben zieht sich zurück



Wenn

Das Schwert des Koran mit Che Guevara und der Freiheitsstatue: Bumper Sticker auf Louages in Gafsa.
man das winterlich schlammige Deutschland mit Südfrankreich oder Nordtunesien vergleicht, so kommt einem die Landschaft außerhalb der Bewässerungsgebiete schon recht trocken und karg vor. Zwischen Kairouan und Tozeur jedoch vollzieht sich innerhalb von 4,5 Stunden Busfahrt ein erneuter Wandel von üppig mediterraner Flora zu beinahe trostloser Halbwüstenvegetation. Die Olivenbäume stehen immer weiter auseinander, um sich nicht gegenseitig das Wasser abzugraben. Dann werden sie immer kleiner und knorriger; schließlich verschwinden sie ganz. Grashorste und kleine Büsche, oft salz- und dürretolerante Hahnenfußgewächse, fangen den immer präsenter werdenden Sand und Staub ein und häufen ihn zu sogenannten „Nebkhas“ auf. Am Horizont ragen die ersten bizarren Bergzacken nahe Gafsa aus dem Dunst. Saftiges Grün ist nur noch dort, wo Brunnenwasser ist. Auf den ersten Blick scheint hier das Leben bereits an seine Grenzen zu stoßen, doch schon nach einem kräftigen Regenguss kann man sich im Frühling mitten in einem Blütenmeer wiederfinden. Und auch die ersten „grasenden“ Kamele am Straßenrand erinnern an so manchen Kniff, den die Natur gegen die Trockenheit entwickelt hat.


A Night In Tozeur



Nachdem wir zwischen Gafsa und Tozeur noch ein paar Kontaktdaten mit einem begeisterten algerischen Großvatterchen ausgetauscht hatten, entstiegen wir schließlich unserem klimatisierten Bus. Sogleich wehte

Doppelbett und Extrabett. Extra für unverheiratete Paare?
uns ein knapp 30°C warmer Wind den Straßenstaub ins Gesicht und erinnerte uns an die Nähe der Wüste. Es war toll wieder hier zu sein. Schlagartig kamen mir unzählige Erinnerungen in den Sinn, und mit ihnen die Aufregung. Schließlich sollte es gleich mit einem Überlandtaxi, einer sogenannten Louage, weiter nach Chebika gehen! Diese Louages, meist Minibusse mit Platz für mindestens 8 Fahrgäste, sind ein weiteres Rückgrad der Tunesischen Mobilität. Sie decken alle Strecken ab, die für Taxis zu lang und für Busse zu kurz sind. Allerdings gibt es selten feste Abfahrtszeiten. Üblicherweise rufen die Fahrer so lange ihren Zielort durch die Straßen bis das Auto voll ist, dann geht es los. Leider rief in Tozeur niemand „Chebika“ oder „Tamerza“ und der Chef der Louage-Station bereitete uns in humorvoll zelebriertem Deutsch und Französisch darauf vor, dass heute vielleicht überhaupt keine Louage mehr dort hin fährt. Da ich vor sieben Jahren schon öfter in solchen Situationen war und letzten Endes immer doch noch eine kam, warteten wir rund eineinhalb Stunden an der Station, plauderten mit dem verschmitzt freundlichen Louage-Chef und beobachteten die Fahrer bei ihrem in Schichten organisierten Abendgebet. Und tatsächlich - es kam keine Louage mehr.

Erschöpft und fast schon

Straßenszene mit neuem Handyladen.
ein wenig dankbar für diese erzwungene Verschnaufpause trollten wir uns und liefen ein paar hundert Meter weiter Richtung Zentrum zum Hotel Niffer. Dort hatte ich mich bereits bei meinem letzten Besuch mehrmals eingemietet, unter anderem um eine Lebensmittelvergiftung auszusitzen (auf einem unbenutzten Toilettensitz, der mir instinktiv und ohne Worte beim einchecken überreicht wurde). Im Niffer bezogen wir als scheinbar einzige Gäste ein vergleichsweise nettes Doppelzimmer mit eigenem Bad (7€ pro Person mit Frühstück) und machten uns nach einer warmen Dusche auf Essenssuche in die Stadt.


Coucous und Ziegelsteine



Tozeur ist anders. Während der Busfahrt hatten wir viele kleinere und größere Ortschaften passiert, die oft irgendwie trostlos wirkten. Viel Müll, zurückhaltende Infrastruktur, unfertige Häuser und Barracken, keine Touristen. Tozeur dagegen sieht man an, dass es seit vielen Jahrtausenden eine wichtige Rolle als Handelsplatz und Datteloase spielt. Bereits zur Römerzeit, damals unter dem Namen Tusuros, war die Stadt für ihre einzigartige Lehmziegelarchitektur bekannt. Diese prägt bis heute das Stadtbild auch in den Neubauvierteln und verleiht den Straßen einen aufgeräumten, regelrecht prunkvollen Charakter. Von der Geschichte vergessen wurde dagegen mein Lieblingsrestaurant von damals. Heute schillert dort einer der vielen neuen Handyläden in Signalorange. Nicht weit entfernt entlang der „Touristenmeile“, in

Ein Festschmaus aus den Früchten der Oase!
der wir immerhin rund ein halbes dutzend Touristen entdeckten, fanden wir allerdings ein neues Restaurant, in dem wir uns zu Couscous Legumes, Briq und einem frisch gepressten Orangensaft niederließen. Bei Briq handelt es sich übrigens nicht um Tonziegel, sondern um ein weiteres Tunesisches Nationalgericht: Eine Frittierte Teigtasche, gefüllt mit Reis, Ei und wahlweise Thunfisch, Käse oder was gerade da ist. Endlich lecker satt essen! Und dann endlich ins Bett.


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Ganz normaler Grundstückseingang nahe der "Palmeraie". Das Quellwasser machts möglich.


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